Burkinas Militär behält die Fäden in der Hand
20. November 2014Seit Tagen hatte sich hartnäckig das Gerücht in Burkinas Hauptstadt Ouagadougou gehalten - bis tatsächlich Wahrheit daraus wurde: Der neue Übergangspräsident Michel Kafando hat ausgerechnet den von ihm abgelösten Militärmachthaber Isaac Zida zum Premierminister der Übergangsregierung ernannt. Nach seiner offiziellen Ernennung am Mittwoch (19.11.) erklärte Zida, die Regierung werde in "umfassender Demut" und "patriotisch" handeln. Die Regierung wolle mit "Arbeitseifer", "Selbstlosigkeit" und Verzicht auf "egoistisches Kalkül" dafür arbeiten, dass das Volk wieder Vertrauen in seine politische Führung zurückgewinne.
Wie ernst es ihm ist, wollte er offenbar direkt unter Beweis stellen: Als eine der ersten Amtshandlungen entließ er zahlreiche Funktionäre und Amtsträger, die dem geschassten Ex-Präsidenten Blaise Compaoré nahe stehen. Suspendiert wurden Stadt- und Regionalräte, entlassen wurde außerdem der Chef der staatlichen Elektrizitätsbetriebe Sonabel unter dem Vorwurf der "Sabotage".
Was will Zida?
Zivilgesellschaftliche Gruppen stecken nun im Dilemma. Ein erneutes Abgleiten in die Gewalt wollen sie verhindern. Bei den Ausschreitungen Ende Oktober waren mehr als ein Dutzend Menschen ums Leben gekommen, viele weitere wurden verletzt. Gleichzeitig müssen sie vor ihren Anhängern ihre Glaubwürdigkeit bewahren und auf die Einhaltung ihrer Forderungen drängen. Viele sind überzeugt davon, dass die Ernennung von Oberstleutnant Zida ein Kuhhandel zwischen politischen Parteien und Militär war, der im Ausschuss für die Übergangsverfassung am vergangenen Wochenende vereinbart worden war.
Trotzdem wollen die Anführer der Bürgerbewegung vorerst abwarten, wie der neue alte Machthaber Zida nun vorgeht. "Manchmal sind Zivilisten an der Macht schlimmer als die Armee", sagte Sams'K le Jah der Agentur AFP. Der Musiker ist Mitbegründer der Jugendbewegung "Bürgerbesen". Die hatte ihre Anhänger Ende Oktober zu den Demonstrationen aufgerufen und in der Folge Compaoré zum Rücktritt gezwungen. Der Sprecher der Bewegung, Hervé Kam, sagte der DW, in den kommenden zwölf Monaten müsse "Gigantisches" geleistet werden. "Neben der Vorbereitung der Wahlen geht es nun um eine Neuausrichtung der Demokratie in Burkina", so Kam. "Das müssen die neue Regierung und alle politischen Akteure des Landes nun anpacken."
Pragmatismus statt Zweifel
Sollte es wirklich eine Abmachung hinter der Kulissen gegeben haben, dürfte er den etablierten Oppositionsparteien nun am ehesten nutzen. Die zeigten sich auch als einzige durchweg zufrieden mit dem neuen Premierminister. Man müsse die Ernennung Zidas nun akzeptieren, erklärte Bénéwende Sankara, einer der wichtigsten Wortführer der Oppositionsparteien. Das Militär sei ein integraler Bestandteil der Gesellschaft Burkina Fasos, und die "Begleitung durch das Militär" sei in dieser Übergangsphase eine Notwendigkeit.
Neutrale Beobachter setzen trotz aller Zweifel auf Pragmatismus. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass Zida trotzdem ein guter Premierminister ist, sagt etwa Germain Bitiou Nama, Direktor der Zeitung "L'Evènement" in Burkina im Gespräch mit der DW. Das Land müsse dem neuen alten Machthaber nun eine Chance geben.
Zida darf zwar nicht bei den geplanten Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr kandidieren. Er hat aber großen Einfluss auf die Ernennung seines jetzigen 25-köpfigen Regierungskabinetts. "Man muss jetzt beobachten, inwiefern diese Ernennung den Übergangsprozess beeinflusst", sagte der Politologe und Jurist Siaka Coulibaly der französischen Nachrichtenagentur AFP. Die Übergangscharta, die Armee und Parteien der Zivilgesellschaft am Wochenende unterschrieben hätten, sage nichts über den genauen Kompetenzbereich von Präsident und Premierminister aus. "Wir wissen noch nicht, ob der Premierminister nur eine protokollarische Funktion oder wirkliche Macht hat", so Coulibaly.
Aus dem Oberstleutnant wird ein Zivilist
Entscheidend für die Akzeptanz der neuen Regierung wird sein, wie die internationale Gemeinschaft auf die Ernennung von Oberstleutnant Zida reagiert. USA, Europäische Union sowie die Afrikanische Union hatten direkt nach der Machtergreifung des Militärs gefordert, dass Isaac Zida die Macht innerhalb von zwei Wochen an eine zivil geführte Übergangsregierung abgeben müsse. Andernfalls drohten Sanktionen. Darauf ging Zida in seiner Ansprache direkt ein: "Ich appelliere an die nationale und internationale Gemeinschaft, uns zu begleiten um einen friedlichen Übergangsprozess zu gewährleisten." Dass er nun nicht mehr mit seinem militärischen Dienstgrad Oberstleutnant angesprochen werden will, sieht er offenbar als Beweis für seine Unabhängigkeit. Ob das die internationale Gemeinschaft ähnlich sieht, wird sich zeigen.
Spannend bleibt die Frage, ob die Partei des geschassten Präsidenten Blaise Compaoré Ministerposten in der Übergangsregierung bekommt. Der Kongress für die Demokratie und die Zukunft (CDP) übt sich derzeit in Bürgernähe und distanziert sich diskret aber deutlich von seinem langjährigen Anführer Compaoré. Dabei hatten die Mitglieder die geplante Verfassungsänderung zur Wiederwahl von Ex-Präsident Compaoré mitgetragen - bis es zu den Unruhen kam. "Das war eine falsche Wahrnehmung von unserer Seite, wir hätten nicht so weit gehen dürfen", sagt das Vorstandsmitglied Kanidoua Naboho im Gespräch mit der DW. Die Regierung könne problemlos auch aus Technokraten bestehen. "Die Regierung ist nicht das Problem, sondern unser Ziel ist jetzt, wieder Ruhe und Frieden in die Gesellschaft zurückzubringen, die Stabilität und Sicherheit." Jetzt müssten sich "die Herzen und Gemüter" wieder beruhigen. Ziel sei eine gesunde politische Debatte, die zu einer nationalen Versöhnung und zu Wahlen führe, so der CDP-Funktionär.