Auf der Schwelle zum Bürgerkrieg?
6. November 2015 Reverien Ndikuriyo schleuderte seinen Zuhörern heftige Worte entgegen: "Ihr müsst sie zermahlen, ihr müsst sie ausradieren - diese Leute sind nur zum Sterben gut!" Mit "diesen Leuten" meint Burundis Senats-Präsident diejenigen, die ihre Waffen trotz Ultimatum am Samstag nicht niederlegen. Tatsächlich macht er damit Hetze vor allem auf die Oppostionellen, die immer noch nicht bereit sind, die Regierung von Präsident Pierre Nkurunziza nach der umstrittenen Wahl im Juli anzuerkennen. Die Worte Ndikuriyos versetzen nicht nur die Burunder in Angst und Schrecken, auch die internationale Gemeinschaft ist alarmiert. Der UN-Sicherheitsrat will sich bei einem Notfall-Treffen am Montag über das Vorgehen beraten.
Grund für die Drohungen von Ndikuriyo ist ein fünftägiges Ultimatum des Präsidenten. Angesichts täglicher Schusswechsel zwischen Polizei und Bewaffneten sollen bis Samstag alle Bürger einschließlich "aller Kriminellen" ihre illegalen Waffen abgeben. Die Polizei würde bald "an die Arbeit gehen", warnte Reverien Ndikuriyo in seiner Rede - was nicht weniger bedeutet als eine Groß-Razzia in ganz Bujumbura.
Die Stimmung in der burundischen Hauptstadt beschreibt ein DW-Hörer so: "Die Menschen sind jedes Mal verängstigt, wenn Schüsse abgefeuert werden - ob von der Polizei oder von anderen." Einige könnten gar nicht mehr nach Hause zurückkehren. "Panik verbreitet sich." Seit dem vergangenen Wochenende sind mehrere Tote in den Straßen der Hauptstadt aufgefunden worden, darunter auch die Leiche von Welly Nzitonda, dem Sohn des flüchtigen Menschenrechtlers Pierre-Claver Mbonimpa. Er war wenige Stunden zuvor von der Polizei verhaftet worden.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich am Freitag beunruhigt über die "immer weiter eskalierende Gewalt" und "hasserfüllten öffentlichen Äußerungen" von Politikern in Bujumbura. Laut Steinmeier bergen sie das Risiko einer "völligen Destabilisierung". "Die Lage weckt schlimmste Erinnerungen an schreckliche Bürgerkriege und Massaker", sagte Steinmeier in Berlin.
Rhetorik erinnert an Genozid in Ruanda
Und es könnte noch schlimmer kommen. In einer Mitteilung warnte die International Crisis Group (ICG) am Donnerstag, Burundi könne in einen neuen Bürgerkrieg stürzen. Die Afrika-Programmdirektorin der ICG, Comfort Ero, befürchtet sogar ein Genozid-ähnliches Szenario: "Es ist gefährlich, weil wir Ähnlichkeiten zur Rhetorik aus den 1990ern in Ruanda erkennen". Seit April sei Nkurunziza immer mehr zum Hardliner geworden und in seiner Postition so festgefahren, dass er vermittelnde Stimmen weder von innen noch von außen zulasse.
"Burundi steht auf der Kippe", sagt Ero, die Szenarien seien beängstigend: "Im schlimmsten Fall startet die Regierung eine landesweite Säuberungs-Aktion". Es sei auch möglich, dass die Opposition einen Angriff auf die Regierung starte. "Oder wir werden eine Gewaltausbruch im ganzen Land sehen, der von einem Dorf zum nächsten überschwappt".
Befürchtung: Imbonerakure dürfen Waffen behalten
Richard Niyomungere bezweifelt, dass das Ultimatum auch für die regierungsnahe Jugendmiliz, die Imbonerakure, gilt. Er ist Parteisekretär der verfolgten Oppositionspartei Mouvement pour la Solidarité et le Developpement (MSD). "Die Imbonerakure werden Polizei- und Militäranzüge anziehen und werden mit Waffen in der Hand umherziehen. Wir kennen sie", sagte Niyomungere im Gespräch mit der DW.
Auch für Burundis Armee werden die kommenden Tage entscheidend sein, meint Comfort Ero von der ICG. "Seit April und besonders nach dem gescheiterten Coup im Mai steckt die Armee in einer Krise." Sie erwartet, dass sich die Armee bald in zwei Lager spaltet - in Gegner und Unterstützer des Präsidenten.
Stresstest für die Afrikanische Union
Deshalb müsse jetzt vor allem die Afrikanische Union (AU) eingreifen. Ero setzt auf die Vermittlerrolle von Ugandas Präsident Yoweri Museveni. Zwar sei Museveni bis jetzt viel mit dem eigenen Wahlkampf und Ugandas Friedensmissionen im Südsudan und Somalia beschäftigt gewesen. Auch habe die AU nicht genügend Unterstützung von Ländern außerhalb der Region - wie etwa Südafrika - bekommen. Dennoch sei die AU die wichtigste Institution im Burundi-Konflikt. Neben einem Krisentreffen in Kampala solle die AU auch Sondervermittler nach Burundi schicken, rät Ero.
Für die AU steht jetzt viel auf dem Spiel. "Wenn ein Treffen nicht klappt, dann wäre das sehr peinlich für die AU." Seit dem Ende des Bürgerkriegs vor zehn Jahren hat die AU in Burundi einen klaren Auftrag. Sie könne sich jetzt kein Scheitern erlauben, so Ero. Das würde sich sicherlich auch die Bevölkerung Burundis wünschen.
Mitarbeit: Eric Topona und Antéditeste Niragira