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Bush ist ein Sieger im Wartestand

Daniel Scheschkewitz, Washington DC3. November 2004

Auch viele Stunden nach der Schließung der Wahllokale hat die US-Präsidentschaftswahl keinen eindeutigen Sieger erbracht. Eine Gewinner- prognose sei dennoch möglich, meint Daniel Scheschkewitz.

Grafik für Kommentar oder Fernschreiber-Kolumne, August 2004

Amerika ist ein tief gespaltenes Land mit einem antiquierten Wahlsystem, das einer modernen Demokratie unwürdig ist. Dies sind die beiden Gründe, warum sich in der Nacht zum 3. November die Geschichte zu wiederholen scheint.

Wie im Jahr 2000, als die Welt sechs Wochen lang auf einen Sieger warten musste und zum Schluss die obersten Verfassungsrichter Präsident Bush in den Sattel hoben, hängt auch dieses Mal wieder die Wahl des mächtigsten Politikers dieser Welt an einem seidenen Faden. Schlimmer noch: sie könnte erneut zum Spielball der Juristen werden.

Präsident Bush fühlt sich aufgrund seines Vorsprungs im
Wahlmännergremium und bei der absoluten Stimmenzahl als Sieger dieser Wahl. Doch er ist vorläufig nur ein Sieger im Wartestand. Beide Lager werden nun Rechtsanwälte in Bataillonsstärke nach Ohio schicken, um die Auszählung der umstrittenen provisorischen Stimmen zu überwachen und wenn nötig anzufechten.

Bei einem so knappen Wahlausgang muss in der Tat jede rechtmäßig abgegebene Stimme zählen. Doch unter dem Strich scheint es unwahrscheinlich, dass sich in der Verlängerung doch noch ein Sieg für John Kerry ergeben könnte. Im US-Kongress haben die Republikaner
ihre Mehrheit sowohl im Senat als auch im Abgeordnetenhaus ausbauen können. Beides zeigt, dass sich die USA in den letzten Jahren deutlich nach rechts bewegt haben.

Wer dafür nach Erklärungen sucht, muss zurückgehen zum 11. September 2001. Die Terroranschläge in New York und Washington waren der entscheidende Moment in Präsident Bushs erster Amtszeit. Und in den Augen vieler Amerikaner hat Bush die Herausforderung damals angenommen. Sein globaler Feldzug gegen den Terror mag zwar die USA nicht sicherer gemacht haben. Aber Bush hat sich in den Augen vieler US-Bürger als handlungsfähiger Präsident erwiesen. Dies und sein Credo, das amerikanische Volk unter allen Umständen zu verteidigen, hat viele unentschlossene Wähler offenbar doch noch zur Stimmabgabe für Bush bewogen.

Hinzu kamen die geschickte Ausnutzung konservativer Mentalitäten im amerikanischen Hinterland, wo Bush mit seinem Feldzug gegen die Homoehe und gegen eine liberale Abtreibungspraxis vor allem die religiösen Christen für sich mobilisieren konnte. John Kerry andererseits konnte im Wahlkampf nur in den Fernsehdebatten überzeugen.

Was bedeutet dieses vorläufige Wahlergebnis für die Zukunft Amerikas? Der tiefe Riss, der durch das Land geht, wird noch tiefer werden. Die nächsten Stunden und Tage werden im übrigen darüber entscheiden, wie sich das weltweite Ansehen der USA weiter entwickeln wird. Als Vorbild für eine funktionierende Demokratie hat Amerika nun schon zum zweiten Mal in Folge kein gutes Beispiel abgegeben.

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