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"Bush ist nicht Hitler und Russland kein Feind Amerikas"

3. April 2003

– Die Zeitung "Iswestija" über gemeinsame russische und amerikanische Feinde und Ideale

Moskau, 3.4.2003, ISWESTIJA, russ.

In den wichtigsten russischen Fernsehsendern werden immer hartnäckiger Vergleiche zwischen Bush und Hitler, zwischen dem Holocaust und "der massenhaften Vernichtung ziviler Iraker" durch die Truppen der Koalition angestellt. Diese Vergleiche sind sowohl unrichtig als auch schändlich und gefährlich. Doppelt so gefährlich sind sie, wenn sie den offiziellen Standpunkt unseres Staates widerspiegeln. Unterdessen haben weder Präsident Putin noch Außenminister Iwanow oder andere russische Staatsbeamte irgendwo ähnliche Äußerungen gemacht.

Russland steht, wie auch die ganze Menschheit, vor einer nicht leichten moralischen und politischen Wahl. Diese Wahl wird unvermeidlich getroffen werden müssen, und dabei kann es nichts "Halbes" geben. Als die USA in Afghanistan gegen das Taliban-Regime kämpften, hat Russland die westliche Antiterror-Koalition eindeutig unterstützt. Mehr noch, als die Koalition sich herausbildete holte man zum ersten Mal nach dem Zerfall der Sowjetunion den Rat Moskaus ein. Russland wurde als Vorposten des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus betrachtet. Die Bush-Administration hielt die Beweise über die Beziehungen der tschetschenischen Separatisten zu internationalen terroristischen Organisationen für ausreichend überzeugend. Diesmal, in diesem konkreten Krieg, stimmen Russland und Amerika hinsichtlich der Taktik nicht überein. Es wird jedoch vorläufig weiterhin die strategische Partnerschaft bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus hervorgehoben.

Natürlich konnte Russland aus vielen objektiven Gründen den Krieg gegen den Irak nicht unterstützen. Wenn wir zum Regime der Taliban keinerlei Kontakte hatten und dieses von der Weltgemeinschaft nicht anerkannt wurde, so war das ganz legale irakische Regime bereits während der Sowjetzeit Freund Moskaus. Im Irak hat Russland ernste Geschäftsinteressen – vor allem in der Erdölbranche und beim Waffenverkauf. Und letztendlich schuldet der Irak uns 8 Milliarden Dollar. Es ist jedoch eine Sache, den Krieg gegen den Irak einfach nicht zu unterstützen, und eine ganz andere, sich in einen erbitterten Feind Amerikas zu verwandeln. Unsere derzeitigen Meinungsverschiedenheiten sind ein Streit um die Methoden und nicht um die Ziele.

Mit den USA auf dem Kriegsfuß zu stehen ist nicht deshalb dumm, weil Amerika stärker als Russland ist. Es gibt einen wichtigeren Grund: Wir haben tatsächlich einen gemeinsamen Feind und gemeinsame Ideale. Russland weiß nicht vom Hörensagen, was politischer Extremismus und krimineller Terrorismus ist, der von religiöser Rhetorik begleitet wird. Zwischen dem Überfall der Wahhabiten-Kämpfer aus Tschetschenien auf Dagestan vor drei Jahren (womit eigentlich der zweite Tschetschenien-Krieg begann) und dem Terroranschlag auf die USA am 11. September 2001 gibt es kaum einen ideologischen Unterschied. Der Vergleich zwischen Bassajew und bin Laden ist viel angebrachter, als der Vergleich zwischen Bush und Hitler. Das wissen wir. Wir haben es am eigenen Leibe erlebt.

Die Tatsache, dass es auf der Welt Millionen "einer Idee ergebene" Selbstmordattentäter gibt, die bereit sind, eine beliebige Zahl von Menschen zu töten, jegliche Waffen einzusetzen, um die westliche Zivilisation auszurotten, ist nicht nur eine Herausforderung an Amerika, sondern auch an Russland. Erstens eine Herausforderung an das christliche Russland, da es im Christentum nichts wertvolleres als das Leben jedes einzelnen Menschen gibt. Zweitens eine Herausforderung an das muslimische Russland, da die Terroristen, die sich hinter Allah verstecken, die Drogen- und Erdöldollar waschen, den Islam verleumden. Drittens eine Herausforderung an das eurasische Russland, ein Land, das auf zwei Kontinenten liegt, das im gleichen Maße sowohl in der westlichen als auch der östlichen Kultur verwurzelt ist.

Russland kann und muss Amerika aufrufen, das Blutvergießen im Irak baldmöglichst zu beenden. Dazu jedoch als Gefährten im gemeinsamen Kampf, der einen Fehler begeht, aufrufen und nicht als Feind. Wir müssen uns den Versuchen widersetzen, Demokratie auf diese Weise herzustellen, jedoch nicht der Demokratie selbst. Europa, darunter auch Russland als dessen Bestandteil, ist zu schwach, um sich vor den Herausforderungen des internationalen Terrorismus zu schützen. Amerika ist stark, jedoch nicht klug genug, um die Errungenschaften der westlichen Zivilisation durch korrekte Methoden zu verteidigen. Allein durch die Vereinigung des Verstandes und der Stärke kann die Welt die Demokratie als vernünftigste Methode der Organisation der Gesellschaft verteidigen. In diesem Kampf stehen wir mit Amerika eindeutig auf der gleichen Seite der Barrikaden. (lr)