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Das globale Duell

Matt Ford | Joscha Weber
16. November 2016

Jubelnde Bayern-Fans in den USA, frenetische BVB-Anhänger in China: Längst ist der Bundesliga-Klassiker Borussia Dortmund gegen den FC Bayern München zur globalen Marke geworden - und das gefällt nicht allen.

Deutschland DFB Pokal Finale FC Bayern München - Borussia Dortmund
Für den Klassiker wieder fit? BVB-Star Marco Reus (l.) im Duell mit FCB-Abwehrchef Jérôme BoatengBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Als Borussia Dortmund im April 2015 seinen Rivalen Bayern München empfing, zierte ein Banner die Dortmunder Nordtribüne, auf der traditionell die Auswärtsfans stehen: "Mir san die Bierhauptstadt, ihr Saupreißn". Schöne Grüße Richtung Südtribüne mit breitester Bayern-Brust. Das Ganze war eine Antwort auf ein Dortmunder Banner beim vorangegangenen Aufeinandertreffen. Darauf stand: "Drei Punkte für die Bierhauptstadt". Die Frage, ob Dortmund oder München oder vielleicht ja doch eine ganz andere deutsche Stadt diesen Titel verdient, bleibt bis heute ungelöst. Der Banner-Streit - übrigens bei weitem nicht das erste Tuch-Duell im deutschen Fußball - zeigt jedoch, wie wichtig der Stolz auf die eigene Region für Fans und Vereine ist.

Das wird auch beim Duell am kommenden Samstag (ab 18:30 MEZ im DW-Liveticker) nicht anders sein. Banner, Choreographien, Gesänge, Sprüche, Kostüme - die Kreativität einiger Fans kennt insbesondere vor wichtigen Duellen keine Grenzen. Dabei wird oft nicht nur die eigene Stadt besungen, sondern gerne auch die des Gegners verspottet. Das galt früher vor allem für Regional-Derbys, schließlich hat nachbarschaftliche Rivalität gute Tradition in Deutschland.

Nicht Erster gegen Zweiter und dennoch das Topspiel

Kung-Fu statt Fußball: Oliver Kahn drehte gegen den BVB meist richtig aufBild: imago/Team 2

Heute ist die Rivalität zwischen Dortmund und München fast noch größer als die zwischen Dortmund und Schalke. Wie das möglich ist? Ganz einfach: Seit den 90er Jahren mit hitzigen Duellen und Oliver-Kahn-Ausrastern, besonders aber in diesem Jahrzehnt mit Verbal-Kriegen und dem Gipfel des deutschen Champions-League-Finals 2013 sind die Bayern und die Borussen die Rivalen im deutschen Fußball. Beide sind die absoluten Schwergewichte der Bundesliga, auch in finanzieller Hinsicht. Sie können sich die teuersten Spieler leisten und werben sie gerne auch mal beim Gegner ab.

In der Tabelle mag Dortmund derzeit nicht der schärfste Bayern-Rivale sein, doch das ist für den Bayern-Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge nur eine Momentaufnahme: "Auch wenn sie derzeit in der Tabelle nur Fünfter sind, sind sie von der Qualität her der Konkurrent für mich." Auch wenn die Bayern in den vergangenen Jahren in der Liga nahezu unantastbar wirkten, sind die Erinnerungen an empfindlichen Niederlagen gegen den BVB noch präsent: "Gegen Dortmund gab es in der Vergangenheit schon einige Spiele, an denen unsere Fans zu knabbern hatten", so Weltmeister Thomas Müller. Auch wenn in diesem Match wie in jedem anderen nur drei Punkte zu vergeben sind, kommt der Partie ein Sonderstatus zu. Das hat längst auch die Deutsche Fußball-Liga (DFL) erkannt.

FCB setzt auf US-Markt, Dortmund auf China

In 207 Länder wird das Duell live übertragen. Es ist die Visitenkarte der Bundesliga. Die DFL geht mit diesem Spiel, mit diesen beiden Granden in neue Märkte und erschließt dem deutschen Fußball so mehr Aufmerksamkeit und Geld. Der Klassiker ist längst als Marke etabliert, auch wenn er dem spanischen Vorbild El Clásico zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona noch nicht das Wasser reichen kann. Doch wenn am Samstag beim 95. Duell zwischen dem FCB und dem BVB bis zu zwölf Weltmeister auf dem Rasen stehen werden, ist klar: Der deutsche Liga-Gipfel hat international aufgeholt.

Neue Fans: Im amerikanischen Portland hat der FC Bayern bereits viele AnhängerBild: picture-alliance/dpa

Beispiel USA: Dort haben die Bayern 2014 in New York ein Büro eröffnet und sehen die USA als wichtigsten Markt in Übersee. Beim FCB schätzt man, dass mehr als 60 Millionen US-Amerikaner bereits von ihrem Verein gehört haben und immerhin 15 Millionen US-Bürger ein aktives Interesse am Rekordmeister haben. Diese Zahlen sollen weiter wachsen, hoffen die Bayern, die auch zu diesem Zweck in Chicago, Charlotte und New York Testspiele gegen den AC Mailand, Inter Mailand und Real Madrid bestritten. "Vor zwei Jahren hatten wir neun Fanclubs in den USA, jetzt haben wir mehr als 100 in 37 Bundesstaaten", so der Bayern-Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge, für den im modernen Fußball-Geschäft Internationalisierung "alternativlos" ist.

Warum die Auslandsvermarktung so wichtig ist

Das hat auch der BVB längst erkannt. Doch die Borussen blicken nicht nach Westen, sondern nach Osten und widmen sich einem anderen Markt: Asien. 2014 eröffneten die Schwarz-Gelben eine Außenstelle in Singapur. In China kennen den BVB aktuell bereits rund 30 Millionen Menschen, hat das Forschungs- und Beratungsunternehmen Nielsen Sports errechnet. Mit dem Asienbüro will Dortmund das passive Kennen in ein aktives Verfolgen des Vereins verwandeln. Dabei ist es kein Zufall, dass Dortmunds Asien-Offensive just in dem Moment kommt, in dem China den Fußball als globalen Faktor erkennt und mit einer staatlichen geförderten Kampagne unterstützt. Chinas Präsident Xi Jinping will 50.000 Fußball-Akademien bauen und bis 2025 Fußball als Pflichtfach in den Schulen einführen. Das Fernziel lautet: die WM 2030 nach China zu holen. Ein schlafender Fußball-Riese scheint sich langsam zu erheben.

Ruhige Sommerpause? Der BVB bereitet sich inzwischen in Asien auf die Saison vorBild: picture-alliance/dpa/L.Zhipeng

Und Dortmund will von Anfang an dabei sein. Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hat bereits bestätigt, dass seine Borussia auch im nächsten Sommer nach Asien reist. Die sommerliche Promo-Tour ist zwar ebenso wie die USA-Reise der Bayern eine zusätzliche Belastung für die Profis, doch sie bringt offenbar Bares in die Kasse: Beim BVB schätzt man, dass schon bald mehr als zehn Prozent der Einnahmen aus dem Asiengeschäft kommen werden. Geld, dass man im teuren Bieter-Kampf um die besten Spieler gut gebrauchen kann.

Leise Signale des Protests

In der Arbeiterstadt Dortmund ist nicht jeder von diesem fußballerischen Expansionskurs begeistert. Manch eingefleischter Fan fühlt sich von der Klubführung vergessen. Das Herz des BVB schlage inzwischen wohl eher auf dem Platz des Himmlischen Friedens als auf dem Borsigplatz, schimpfen einige Anhänger. "Früher hat sich Watzke zu uns Fans gesetzt und hat mit uns gesprochen", erzählt ein BVB-Ultra im Gespräch mit der DW. "Bis 2010 war die Beziehung zur Vereinsführung sehr gut. Dann kam der Erfolg und die kommerzielle Expansion. Jetzt scheint man sich lieber um die Sponsoren und Touristen zu kümmern als um uns Fans", so der BVB-Anhänger, der lieber anonym bleiben möchte.

Dabei sind gerade in Dortmund die Fans die Basis des Erfolgs: Die grenzenlose Unterstützung von den nahezu immer 81.000 Fans ist europaweit bekannt. Hingabe und Euphorie sind Markenzeichen des Klubs, "echte Liebe" ein Marketingslogan, der zumindest auf die Fans voll zutrifft. Rund 25.000 verwandeln die Südtribüne in eine "Gelbe Wand" - ein unique selling point, wie man Neudeutsch so schön sagt, mit dem der Verein weltweit wirbt. "Die intensivste Fußball-Erfahrung in Deutschland", verspricht der BVB auf seiner Webseite. Die Kultur der Stehplatztribünen sei sehr wichtig für den deutschen Fußball, sagte Watzke zu Beginn des Jahres. Man wolle eine Balance finden zwischen der regionalen Identität und der globalen Expansion, die man auch in Dortmund für unverzichtbar hält, um international Schritt zu halten.

Dieser Balanceakt scheint nicht ganz einfach. Zum Saisonauftakt musste der Geschäftsführer ein Fan-Banner mit der Aufschrift "Watzke: Viele Worte, keine Taten - Identitätsverlust auf Raten!" im Stadion lesen. Und hier und da schien die Stimmung auf der Südtribüne ungewohnt verhalten. Noch sind diese Proteste selten, aber sie sind ein warnendes Signal an die beiden Topklubs der Liga. Der Klassiker ist längst ein globales Event geworden, getragen wird alles jedoch noch immer von den Fans im Stadion, der Region und den Traditionen. Und dazu zählt selbstredend auch der Stolz auf das eigene Bier.

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