Als souveräner Tabellenführer mit dem besten Sturm der Bundesliga ist Borussia Dortmund eigentlich Favorit im prestigeträchtigen Revierderby beim FC Schalke 04. Doch ein Derby ist eben kein Spiel wie jedes andere.
Anzeige
Ein Derby ist ein Derby ist ein Derby. Was interessiert da die Tabelle? "Wir wollen mit allen Mitteln versuchen, Dortmund die erste Niederlage beizubringen", sagt Schalke-Sportvorstand Christian Heidel vor dem 153. Pflichtspiel-Revierderby am Samstag (Anstoß 15.30 Uhr MEZ, DW-Liveticker ab 15.15 Uhr) gegen den in dieser Bundesliga-Spielzeit noch ungeschlagenen Spitzenreiter BVB. Die Königsblauen haben als Tabellenzwölfter 19 Punkte Rückstand, so groß war der Abstand zwischen den beiden Erzrivalen vor einem Hinrundenduell noch nie. "Ich glaube, bei einem solchen Spiel spielt die Tabelle keine Rolle", erklärt Heidel. "Das Derby ist etwas ganz Besonderes." Das sehen die Dortmunder ähnlich. "Schalke hat die Möglichkeit, mit einem Spiel sehr viel wieder zurechtzurücken", warnt BVB-Sportdirektor Michael Zorc davor, den Gegner zu unterschätzen. Doch diese Gefahr besteht wohl nicht. "Schalke könnte in der 2. Liga spielen, dann wäre es immer noch ein schwieriges Spiel", sagt Dortmunds Mittelfeldspieler Thomas Delaney.
Seit drei Jahren kein Derby-Sieg des BVB
Schalkes Trainer Domenico Tedesco erwägt, noch einmal das Video vom denkwürdigen Hinrundenduell beider Teams in der vergangenen Saison hervorzukramen - als zusätzliche Motivationshilfe, sollte es dieser bei einem Revierderby überhaupt bedürfen: Am 25. November 2017 hatten die Schalker in Dortmund zur Halbzeit schon mit 0:4 zurückgelegen, am Ende aber noch ein 4:4 geholt. Auch das zweite Saisonderby in Gelsenkirchen hatten die Königsblauen mit 2:0 für sich entschieden. "Wir wissen, dass wir es in der letzten Saison nicht gut gemacht haben, und wollen zeigen, dass wir es besser können", verspricht BVB-Abwehrchef Manuel Akanji den Dortmunder Fans, die seit drei Jahren auf einen Derbysieg der Schwarzgelben warten.
Viele Ausfälle bei Schalke
Akanji, der beim 2:0-Heimsieg am vergangenen Wochenende gegen den SC Freiburg wegen Kniebeschwerden hatte aussetzen müssen, ist wieder fit. Auch die zuletzt angeschlagenen Christian Pulisic, Marcel Schmelzer und Marius Wolf meldeten sich rechtzeitig zum Derby wieder gesund zurück, sodass Trainer Lucien Favre aus dem Vollen schöpfen kann. Auf der Gegenseite sieht es anders aus. Schalke-Coach Tedesco muss ohne seine Offensivspieler Mark Uth, Breel Embolo, Franco Di Santo und Cedric Teuchert planen. Ob die Stürmer Guido Burgstaller (Schmerzen an der Achillessehne) und Steven Skrzybski (Hämatom im Brustmuskel) spielen können, ist noch offen.
BVB-Tormaschine läuft wie geölt
Da stellt sich die Frage, wer das Derby zugunsten der in dieser Saison ohnehin nicht gerade treffsicheren Schalker entscheiden soll. Gerade mal 14 Tore hat das Tedesco-Team in den ersten 13 Spielen zustandegebracht, davon allein fünf im letzten Heimspiel vor zwei Wochen gegen den 1. FC Nürnberg. Die BVB-Tormaschine läuft dagegen wie geölt. Mit 35 Treffern stellen die Dortmunder die derzeit mit Abstand beste Offensive der Liga. Allein Edeljoker Paco Alcacer (10 Saisontreffer) und Kapitän Marco Reus (9) haben zusammen fünf Tore mehr erzielt als die gesamte Schalker Elf.
Auch bei Niederlage bliebe Dortmund Spitzenreiter
Keine Frage, die Borussia ist in der Favoritenrolle. Ein Sieg am Samstag würde den BVB der vorzeitigen Herbstmeisterschaft einen Riesenschritt näherbringen. Und selbst im Falle der ersten Saisonniederlage bliebe Dortmund Tabellenführer, satte sieben Punkte liegen die Schwarzgelben vor Verfolger Borussia Mönchengladbach. Doch so ein Revierderby ist eben keine Bundesliga-Partie wie jede andere. "Es ist speziell", weiß auch BVB-Trainer Favre, der seine Derby-Premiere feiert. "Es wird ein sehr schweres Spiel, das ist klar." Verteidiger Schmelzer, seit 2008 dabei, ist mit allen Derby-Wassern gewaschen und bringt die Erfolgsformel auf den Punkt: "Das Derby gewinnt die Mannschaft, die es mehr will."
Mutter aller Derbys: Schalke 04 gegen Borussia Dortmund
Bereits 100 Mal gab es das Bundesliga-Derby zwischen dem FC Schalke 04 und Borussia Dortmund. Der Ruhrgebietsklassiker produziert immer wieder denkwürdige Momente.
Bild: Friso Gentsch/dpa/picture alliance
Gemeine Fußangel
Das Ruhrpott-Derby hat schon viele kuriose Momente geliefert - im 100. Bundesliga-Duell kommt einer dazu: Nach seinem Tor zum 1:1 wird Marius Bülter von der Teleskopstange der Kamera rüde zu Fall gebracht. "Ich war auch überrascht, dass das Ding da steht", sagt der Schalker Stürmer. "Ich habe es noch gut gelöst und gut abgefangen." Endergebnis: 2:2, Bülter unverletzt, Kamera-Angel kaputt…
Bild: Jürgen Fromme/firo Sportphoto/picture alliance
Nebelderby
Im November 1966 pfeift Schiedsrichter Gerd Henning das Revierderby in Dortmund trotz dichten Nebels an. "Ich bin immer, wenn der Ball in den Nebel geschossen wurde, hinterhergelaufen", sagt der Pfeifenmann später. "Das war anstrengend, aber okay." Der BVB hat den besseren Durchblick und gewinnt 6:2. Drei Treffer steuert Lothar Emmerich bei, bis heute Derby-Rekord in einem Spiel.
Bild: Imago/Horstmüller
Hundebiss
Das Derby in Dortmund im September 1969 sorgt für eine der kuriosesten Szenen der Bundesliga-Geschichte: Ein Hund des Sicherheitsdienstes beißt den Schalker Spieler Friedel Rausch in den Allerwertesten. Der Dortmunder Timo Konietzka sagt später zu Rausch: "Ich werde für immer der mit dem ersten Bundesliga-Tor sein. Und du bist für immer der mit dem Hund."
Bild: picture-alliance/dpa
Kopfball des Keepers
Jens Lehmann (4.v.l.) gelingt im Dezember 1997 in Dortmund ein Last-Minute-Tor der besonderen Art. In der Schlussminute gleicht der nach vorne geeilte Torwart der Schalker per Kopf zum 2:2 aus. Lehmann gehört zu den Spielern, die Derbys für beide Klubs gespielt haben: elf für Schalke, neun für Dortmund. Rekord für Wechsler zwischen den Erzrivalen.
Bild: ullstein bild - Firo
Feindbild Möller
Beim Duell im September 2000 in Dortmund entlädt sich der Zorn der BVB-Fans auf Andreas Möller. Auf Bannern und mit Sprechchören beschimpfen sie den Mittelfeldstar, der vor der Saison zum Erzrivalen gewechselt ist, als Verräter. Möller bleibt cool und macht ein Riesenspiel. Schalke gewinnt 4:0 - und am Ende singen die Gästefans: "Ohne Möller habt ihr keine Chance."
Bild: picture-alliance/S. Simon
Elfmeterkiller
Frank Rost ist der Mann des Derbys im Januar 2004 in Dortmund. Der Schalker Torwart pariert gleich zwei Strafstöße, erst einen Foulelfmeter von Jan Koller, dann einen Handelfmeter von Torsten Frings. Rost bereitet damit den Boden für den 1:0-Sieg der Gäste, den Ebbe Sand mit seinem Tor kurz vor Schluss sicherstellt.
Bild: picture-alliance /dpa/F.-P. Tschauner
Längste Serie
Auch das Derby im Dezember 2004 in Dortmund wird durch einen einzigen Schalker Treffer entschieden, diesmal durch Ailton (r.). Zum zwölften Mal in Folge bleiben die Königsblauen damit in Bundesliga-Duellen gegen den BVB ungeschlagen - bis heute die längste Derby-Erfolgsserie.
Bild: picture-alliance/Ulmer/B. Hacke
Spielverderber
Einen ganz bitteren Tag erleben die Schalker im Mai 2007. Am vorletzten Spieltag verspielen sie die mögliche Meisterschaft - ausgerechnet beim Derby in Dortmund. Alexander Frei und Ebi Smolarek (2.v.r.) treffen für den BVB. Die Schalker Christian Pander (l.) und Fabian Ernst (2.v.l.) sind bedient.
Bild: picture-alliance/Ulmer/L. Coch
Aufholjagd
Alles scheint klar beim Derby im September 2008 in Dortmund. Nach einer Stunde führt Schalke mit 3:0 - und kaum jemand hält für möglich, was dann folgt: Nach dem Anschlusstreffer des BVB fliegen innerhalb von fünf Minuten zwei Schalker vom Platz. Dann das 2:3 und schließlich sogar noch der 3:3-Ausgleich: durch ein Elfmetertor von Alexander Frei (Mitte) in der vorletzten Minute.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Scheidemann
Hochrisikospiele
Immer wieder geraten gewaltbereite Anhänger beider Vereine bei den Derbys aneinander. So gibt es im Oktober 2012 in Dortmund und auch ein Jahr später in Gelsenkirchen schwere Krawalle. Beide Vereine drohen damit, künftig Derbys vor leeren Gäste-Kurven zu spielen. So weit kommt es dann jedoch nicht.
Bild: picture alliance/Sven Simon
Batman und Robin
Pierre-Emerick Aubameyang (l.) bringt den BVB beim Duell im Februar 2015 in Dortmund mit 1:0 in Führung. Nach dem Tor verwandelt er sich in Batman, Marco Reus in Robin. Den Torjubel mit Maske haben sich die beiden zwei Tage vor dem Derby ausgedacht. "Wir versuchen immer, ein bisschen Spaß reinzubringen. Das tut gut", erzählt Reus hinterher. Dortmund gewinnt 3:0.
Bild: Lars Baron/Bongarts/Getty Images
Rot für den Schiedsrichter
Schalkes Maskottchen "Erwin" zeigt Schiedrichter Felix Zwayer nach dem Derby im April 2017 in Gelsenkirchen die Rote Karte. Zwayer hat in der Nachspielzeit den Schalkern einen Handelfmeter verwehrt. Schalkes protestierender Trainer Markus Weinzierl (3.v.r.) muss auf die Tribüne. Die Partie endet 1:1. "Erwin" kommt mit einer Ermahnung durch den DFB davon.
Bild: picture-alliance/dpa/G. Kirchner
Hitziges Duell nach Abpfiff
Das Derby im November 2017 ist eines der spektakulärsten: Nach 4:0-Halbzeitführung fängt der BVB in der Nachspielzeit noch den 4:4-Ausgleich. Dass die Schalker diesen gefühlten Sieg feiern, passt BVB-Urgestein Nuri Sahin (r.) gar nicht. Es kommt zu bösen Worten und einer Rangelei. Obwohl das Spiel schon beendet ist, sehen Sahin und Schalke-Torwart Ralf Fährmann (2.v.r.) noch die Gelbe Karte.
Bild: picture-alliance/dpa/G. Kirchner
Abstiegskandidatensieg
42 Punkte trennen die beiden Teams vor dem Derby im April 2018 in Dortmund. Der BVB ist noch mit dabei im Titelrennen, Schalke spielt gegen den Abstieg. Doch auf dem Rasen präsentieren sich überraschend die Gäste meisterlich. Nach zwei Roten Karten gegen die Dortmunder Reus und Wolf steht am Ende ein 2:4 (1:2) auf der Ergebnistafel. Und die Schalker feiern in Dortmund.
Bild: Reuters/W. Rattay
Geisterspiele
Wegen der Corona-Pandemie steigt das Derby in Dortmund im Mai 2020 vor leeren Rängen und unter strengem Hygienekonzept. Haaland (l.) jubelt nach seinem Treffer zum 1:0 mit Abstand zu seinen Teamkollegen. Am Ende gewinnt der BVB klar mit 4:0. Auch die beiden folgenden Derbys werden vor (zumindest nahezu) leeren Rängen gespielt. Nun sind die jeweiligen Stadien natürlich wieder ausverkauft.