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Politik

C20: "Wie wir uns die Welt wünschen"

Sabine Kinkartz z.Zt. Hamburg
19. Juni 2017

Mehr als 300 zivile Organisationen haben Angela Merkel ihre Forderungen an die Teilnehmer des G20-Gipfels übergeben. Größter Kritikpunkt: Die Ungerechtigkeit in der globalisierten Welt. Aus Hamburg Sabine Kinkartz.

Deutschland C20 Gipfel in Hamburg Angela Merkel
Bild: Reuters/F. Bimmer

Keine drei Wochen mehr dauert es, bis sich die Staats- und Regierungschefs der weltweit 19 größten Industriestaaten und Vertreter der EU in Hamburg zum G20-Gipfel einfinden. An den zwei Gipfeltagen könnte es durchaus heiß hergehen und das nicht nur, weil Sommer ist. Überall in der Stadt hängen Plakate, die zu Protesten gegen die Politik der G20 aufrufen, zu Demonstrationen und zu einem alternativen Gipfel einladen. Es ist wohl Wunschdenken, dass es dabei nur friedlich zugehen wird. Die Polizei geht davon aus, dass unter den mehreren tausend Demonstranten auch etliche gewaltbereite Extremisten sein werden.

Auch VENRO, der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe, kritisiert die G20 und würde die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Industriestaaten gerne von Grund auf ändern. Die Globalisierung sei "fehlgeleitet" und habe Menschen hinter sich und damit zurückgelassen. Das Wirtschaftsmodell beruhe "auf der Ausbeutung von Mensch und Natur", so VENRO-Vorstand Bernd Bornhorst. Krawall machen und mit Steinen schmeißen hält er allerdings für keine gute Lösung und betont: "Wir distanzieren uns von jeder Form der Gewalt."

Die Polizei wird den G20-Gipfel mit einem Großaufgebot absichernBild: DW/A. Drechsel

Stattdessen hat die Nichtregierungsorganisation zusammen mit dem Forum Umwelt und Entwicklung den Vorschlag der Bundesregierung angenommen, während der deutschen G20-Präsidentschaft die Civil20 zu organisieren, das offizielle Diskussionsforum der Zivilgesellschaft.

Zivilgesellschaft aufgewertet

In dem Bündnis sind rund 300 NGOs aus über 50 Ländern zusammengeschlossen, die die G20 inhaltlich begleiten. Auch andere Interessensgruppen tun das. Neben den Civil20 gibt es beispielsweise die Business20, also die Wirtschaftsvertreter, die Labour20, das sind die Gewerkschaften, oder auch die Women20, die Frauenverbände. Unter der deutschen G20-Präsidentschaft erleben die Civil20 damit eine Aufwertung, die sie unter vorangegangenen Präsidentschaften nicht erlebt haben. Zwei Tage haben die NGOs in Hamburg ihre Vorstellungen diskutiert und in einem Katalog zusammengefasst - Überschrift: "Wie wir uns die Welt wünschen". Diese Forderungen konnten sie dann nicht nur der Bundeskanzlerin persönlich übergeben, Angela Merkel nahm sich außerdem rund eineinhalb Stunden Zeit für eine durchaus kontroverse Diskussion.

Mit auf der Bühne: Winnie Byanyima von Oxfam International, Lori Wallach von Global Trade Watch, Ernst-Christoph Stolper vom Forum Umwelt und Entwicklung und VENRO-Vorstand Bernd Bornhorst. Es ging um Umwelt- und Klimapolitik, um Soziales und Finanzen. Es sei ja schön, wenn die G20 die Globalisierung zum Nutzen aller gestalten wollten, sagte Bornhorst. "Allein, uns fehlt in vielen Fällen der Glaube oder wir sehen die notwendigen Umbrüche nicht."

Diskussion mit Kanzlerin. Bornhorst, Byanyima, Merkel, Wallach und Stolper (v.l.)Bild: Reuters/F. Bimmer

Die G20 hätten kein Kommunikationsproblem, sondern ein ernstes Problem mit der nach wie vor neoliberalen Politik, meinte die US-Amerikanerin Lori Wallach. "Die Verlierer der Globalisierung haben das begriffen." Die Politik müsse sich ändern und nicht die Strategie, mit der sie verkauft werde.

Ausbeutung zu Hungerlöhnen

Das konnte Winnie Byanyima nur unterstreichen. Sie berichtete von Frauen, die im globalen Süden Kleidung herstellen, die in den Industrieländern teuer verkauft wird. "Sie arbeiten 16 bis 20 Stunden am Tag, verdienen vier Dollar am Tag, werden nicht bezahlt, wenn sie krank sind und gefeuert, wenn sie schwanger werden." Die globale Wirtschaftspolitik basiere auf grundsätzlicher Ungerechtigkeit. "Wir müssen die Wirtschaftspolitik ändern, es reicht nicht, zu tricksen und nur ein bisschen hier und da zu tun, sondern wir müssen grundlegend etwas ändern, auch daran, wie unsere Regierungen mit der Wirtschaft umgehen." Wirtschaft und Politik seien jedoch viel zu nah beieinander, kritisierte die aus Uganda stammende Oxfam-Aktivistin.

Winnie Byanyima erntete donnernden Applaus für ihren Appell und auch die Bundeskanzlerin zollte ihren Diskutanten Anerkennung. "Sie legen wirklich den Finger in die Wunden", räumte Merkel ein. Sie erklärte, wie die G20 arbeiten, dass Beschlüsse nur einstimmig fallen können, dass die 19 Industrienationen sehr unterschiedliche Systeme und Überzeugungen hätten. "Der Grundimpuls, es gemeinsam zu versuchen, ist aber da und er ist richtig." Nationale Alleingänge seien keine Option. "Ich glaube, dass es gerade in schwierigen internationalen Zeiten eine Chance ist, gemeinsame Interessen zu finden."

Trump einbinden - irgendwie

Das gilt für die Kanzlerin auch in der Klimafrage. Die Kündigung des Pariser Klimaabkommens durch US-Präsident Donald Trump sei zwar ein herber Rückschlag - " da blutet mir das Herz". Die USA seien aber ein sehr wichtiger Teil von G20. "Sie werden von der deutschen Bundesregierung herzlich willkommen geheißen, trotz aller Meinungsunterschiede." Kann die Abschlusserklärung einen Dissens zwischen den USA und den anderen 19 Mitgliedern beim Thema Klima enthalten, wie beim G7-Gipfel Ende Mai? Die Kanzlerin wich der Frage aus: "Es gibt kein Kommuniqué, wenn nicht alle dem Kommuniqué zugestimmt haben."

Den Civil20 versprach die Kanzlerin, die Forderungen der Zivilgesellschaft in den G20-Prozess einzuschleusen. "Wir werden nicht alles erfüllen können, was Sie sich vorstellen - auch nicht fast alles. Es geht schrittweise voran und wir dürfen vor allem keine Rückschritte machen." Merkel will dafür werben, dass die NGOs auch bei den künftigen G20-Präsidentschaften besseres Gehör finden. "Wir werden dabei helfen, wenn Argentinien (das Ende 2018 die G20-Präsidentschaft übernimmt, Anm. d. Red.) das möchte, einen Zivilprozess aufzulegen, der wieder sehr stark und lebendig ist. Denn der große Aufwand für ein G20-Treffen muss untermauert sein, auch durch sonstige gesellschaftliche Fortschrittsprozesse."

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