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Cannabis-Clubs im Dschungel der Bürokratie

3. Juli 2024

In Deutschland dürfen sich jetzt Cannabis-Freunde zu Clubs zusammenfinden und dort konsumieren. Schon seit Anfang April ist der Besitz und Gebrauch von kleinen Mengen erlaubt. Aber das Thema bleibt umstritten.

Symbilbild: Cannabis-Legalisierung in Deutschland - ein Cannabisblatt aus Stoff und eine Paragraphenzeichen liegen auf einer kleinen Deutschlandfahne aus Stoff
Deutschland folgt jetzt vielen anderen Ländern und erleichtert den Konsum von CannabisBild: Christian Ohde/CHROMORANGE/picture alliance

Stufe zwei der Cannabis-Freiheit in Deutschland: Von Beginn dieser Woche an können sich private Clubs mit bis zu 500 Mitgliedern zusammentun, um Cannabis anzubauen, unter ihren Mitgliedern zu verteilen und gemeinsam zu konsumieren. Aber wie so oft in Deutschland ist auch diese neue Regelung mit vielen Details verbunden. Und mit viel  Bürokratie. Die Clubs dürfen maximal 25 Gramm Cannabis pro Tag und insgesamt 50 Gramm pro Monat an jeden Einzelnen verteilen.

Behörden sind schlecht auf Cannabis-Clubs vorbereitet

Und welche Behörde das jeweils überwacht, ist längst nicht überall geklärt. Das findet auch Steffen Geyer. Er ist Vorsitzender im "Dachverband deutscher Cannabis Social Clubs" (CSCD) und einer der Chefs des Hanf-Museums in Berlin. Er sagt der DW: "Es werden sich sicherlich eine mittlere dreistellige Anzahl an Clubs um eine Lizenz bemühen. Wie lange das dauert und wie viele davon Erfolg haben, ist jetzt noch überhaupt nicht abzusehen. Die Bundesländer sind darauf extrem schlecht vorbereitet."

Steffen Geyer ist Vorsitzender vom "Dachverband Cannabis Social Clubs" in Deutschland und kämpft seit Jahren für eine größere Freiheit beim Konsum. Bild: Leopold Achilles

So sei etwa in Berlin völlig offen, wie die zuständigen Bezirke der Stadt mit der Lizenzvergabe umgehen werden. Fest steht: Wenn die Clubs sich irgendwann einmal gebildet haben, dann haben die Cannabis-Freunde in Deutschland endlich ein Zuhause. Nach langen Jahrzehnten des Schattendaseins und der Kriminalisierung.

Privater Cannabiskonsum in kleinen Mengen ist schon erlaubt

In einem ersten Schritt hatten Bundestag und Bundesrat im Frühjahr beschlossen, dass vom 1. April an der Konsum von kleinen Mengen Cannabis in der Öffentlichkeit für Privatpersonen erlaubt ist – unter vielen Bedingungen. Volljährige Menschen dürfen seitdem 25 Gramm Cannabis bei sich tragen, was für 50 bis 100 Joints ausreichen dürfte. Und zuhause in den eigenen vier Wänden dürfen Haschisch-Freunde seitdem drei Pflanzen anbauen und bis zu 50 Gramm getrockneten Cannabis lagern.

Alle drei Minuten eine Verhaftung wegen Cannabis - früher

Zuvor war eigentlich jedes Gramm Haschisch strafbar, die neuen Regelungen zeigen nach Ansicht von Steffen Geyer schon in den wenigen Wochen seit Anfang April Wirkung: "Wir merken schon eine Entlastung der Konsumenten. Es gibt vor allem sehr viel weniger konsumnahe Delikte. In den Jahren davor war es ja so, dass alle drei Minuten jemand verhaftet wurde, weil er eine geringe Menge Cannabis dabei hatte. 

Im April feierten Tausende am Brandenburger Tor in Berlin den ersten Schritt der Cannabis-Liberalisierung Bild: Liesa Johannssen/REUTERS

Das findet jetzt nicht mehr statt." Allgemein, so Geyer, sei die Gesellschaft einfach reif für die neue Freiheit: "Der Trend geht schon in den letzten Jahren hin zu einer höheren Akzeptanz. Was ich in den letzten drei Monaten gemerkt habe, ist, dass der Altersdurchschnitt der Konsumenten, die sich zu erkennen geben, wesentlich höher geworden ist. Der Konsument ist bürgerlicher und älter geworden, bunter und friedlicher."

Mehr Menschen besuchen jetzt das Hanf-Museum

Geyer ist in Berlin auch einer der Organisatoren des privaten Hanf-Museums. Er sagt: "Ich hab hier im Hanf-Museum quasi jeden Tag Leute über 50, die sich zum ersten Mal in ihrem Leben mit Hanf-Samen eindecken und Fachliteratur einkaufen. Das sind alles Leute, die noch vor einem Jahr noch nicht daran gedacht hätten, das Museum zu betreten, schon, weil sie dachten, dass das irgendwie anrüchig ist, mit Cannabis in Verbindung gebracht zu werden."

Polizeigewerkschaft befürchtet kriminelle Strukturen in Cannabis-Clubs

Alles gut, also? Nicht ganz. Die Opposition von CDU und CSU ist nach wie vor gegen die Liberalisierung. Und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wettert gegen die neuen Clubs. So sagte der stellvertretende Chef der Gewerkschaft, Alexander Poitz der "Augsburger Allgemeinen Zeitung": "Wir befürchten, dass Straftäter aus dem Bereich der organisierten Kriminalität die Möglichkeit der Anbauvereine dafür nutzen werden, kriminelle Strukturen auszubauen." Und das von der konservativen CSU regierte Bundesland Bayern kündigte an, bei der Prüfung der Anbauvereine äußerst restriktiv vorgehen zu wollen.

Herrmann: Regierung wischt Drogen-Bedenken vom Tisch

Seitdem der Besitz von kleinen Mengen erlaubt sei, so Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), habe die Polizei fast 3000 Mal wegen Fahrens unter Cannabis-Einfluss ermitteln müssen, in 180 der Verkehrsdelikte habe die Staatsanwaltschaft wegen schwerer Fälle Strafverfahren eingeleitet.  Hermann weiter: "Die Legalisierung von Cannabis ist aus unserer Sicht ein großer sicherheits- und gesundheitspolitischer Fehler. Die Bedenken vieler Experten und aller Innenminister der Länder wurden von der Bundesregierung einfach weggewischt, ebenso die Kritik selbst in den eigenen Reihen", kritisierte er.

Steffen Geyer entgegnet auf die Kritik der Polizeigewerkschaft, gerade die neuen transparenten Regelungen und die Anmeldung bei den Behörden würden verhindern, dass in den neuen Clubs kriminelle Strukturen entstehen. Mit klaren staatlichen Regelungen würde nun der Anbau in Eigenregie möglich.  

Ab jetzt können angemeldete Vereine Cannabis selbstständig anbauen und konsumierenBild: Michael Bihlmayer/Bihlmayerfotografie/IMAGO

Geyer verweist zudem auf viele Länder, die mittlerweile auch den Weg einer vorsichtigen Liberalisierung gegangen seien: "Wir haben uns an den Vorbildern Kanada, USA, Uruguay, Lichtenstein, Malta, Niederlande, Spanien orientiert. Wir haben ganz viele Vorschriften, die genau das verhindern sollen, dass ein Mix aus schwarzem und weißen Mark entsteht." 

Unkonzentriert, abgestumpft und überreizt durch Cannabis-Konsum?

Aber auch die Warnungen von Experten vor den Gefahren des Konsums reißen nicht ab. Eine im Fachjournal "Psychological Medicine" vorgestellte Studie aus Kanada kam jetzt zu dem Schluss: Bei Jugendlichen seien nicht nur visuelle oder akustische Halluzinationen möglich, so Rainer Thomasius, Leiter des Deutschen Zentrums für Sucht-Fragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Auch die Konzentrations- und Lernfähigkeit sei eingeschränkt, das Empfindungsvermögen bei Freude oder Trauer abgestumpft. Hinzu komme häufig das Gefühl, von Umgebungsreizen völlig überflutet zu werden.

In Deutschland haben nach einer Erhebung von 2021 rund 4,5 Millionen Menschen innerhalb eines Jahres wenigstens einmal zum Joint gegriffen. Und rund ein Drittel aller Bürger mindestens einmal im Leben.

 

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