In Spanien wäre ein Gemälde, das vermutlich der Barockkünstler Caravaggio gemalt hat, beinahe zu einem Spottpreis versteigert worden. Im letzten Moment stoppte die spanische Regierung die Auktion.
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Große Aufregung im Madrider Auktionshaus Ansorena: Am Donnerstag sollte hier ein Ölgemälde unter den Hammer kommen, das, wie Experten mutmaßen, von dem Renaissance-Meister Caravaggio (1571-1610) stammen könnte. Es stellt die Dornenkrönung Christi dar und zeigt den blutenden Jesus bedrängt von zwei Henkersknechten, eigentlich ein typisches Caravaggio-Motiv.
Im Online-Katalog des Auktionshauses war das Bild "Ecce Homo" (Deutscher Titel: "Die Dornenkrönung") mit der Losnummer 229 als das Werk eines Künstlers aus dem Umkreis des Caravaggio-Fans José de Ribera (1591-1652) zu finden. Für 1500 Euro hätten Kunstliebhaber in der Auktion einsteigen können, um auf das Bild im Format von 111 cm auf 86 cm zu bieten.
Doch was dann geschah, ist eher selten im Auktionswesen: Auf Drängen der spanischen Behörden wurde das Werk zurückgezogen. Das Bild dürfe das Land nicht verlassen, twitterte Kulturminister José Manuel Rodríguez Uribes am Donnerstag. Ein Blick auf das Kunstwerk ist seither nur noch im gedruckten Katalog der Casa Ansorena möglich.
Wert von rund 140 Millionen Euro?
Was war geschehen? Das Werk müsse erst genauer untersucht werden, teilte das Auktionshaus der spanischen Presse mit. Kulturminister Uribes erklärte laut der spanischen Zeitung "El País", er glaube, es handele sich um ein Gemälde von Caravaggio. Laut Experten könnte es rund 140 Millionen Euro wert sein.
Tatsächlich sagte die italienische Caravaggio-Expertin Maria Cristina Terzaghi von der Universität Roma Tre der italienischen Zeitung "La Repubblica", sie sei sich der Urheberschaft Caravaggios sicher: "Er ist es." Das Purpur des Mantels von Jesus Christus auf dem Gemälde sei dasselbe wie bei der Salomé auf dem Caravaggio-Werk "Salomé mit dem Haupt des heiligen Johannes des Täufers" im Madrider Prado. Sie erkenne eine tiefe Verbindung zu anderen Werken des Meisters.
Sollte sich herausstellen, dass es sich um ein Werk Caravaggios handelt, "könnte der Preis bei 100 bis 150 Millionen liegen, wenn man es an einen Privatsammler verkauft", zitiert "El Mundo" den italienischen Experten Vittorio Sgarbi. Sgarbi ist überzeugt, dass es sich um ein Werk Caravaggios handelt – und zwar um ein "Ecce Homo", das der Künstler im Jahr 1605 für den Kardinal Massimo Massimi gemalt haben könnte. Schon der "brutale Blick des Mannes links im Bild" lasse die Handschrift Caravaggios erkennen. Auch die Hand, die die drapierte rote Stola hält, sei "ein unbestreitbares Caravaggio-Motiv".
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Die Experten sind sich nicht einig
Tatsächlich entwickelte der römische Maler Caravaggio um 1600 herum einen sehr detailgetreuen und dramatischen Malstil. Einige seiner Werke gelten als zerstört oder verschollen, verschwanden während des Zweiten Weltkriegs oder durch Kunstraub. Caravaggios expressiver Stil fand viele Nachahmer vor allem in den Niederlanden und Italien.
Der Wirbel um das vermeintlich verhinderte Auktions-Schnäppchen ging um die Welt und verbreitete sich in Windeseile im Internet. Doch bei aller Aufregung: "Sind sich alle Experten einig?", fragt das Kunstportal Monopol und zitierte die italienische Zeitung "El Mundo": Dort kam Kunsthistoriker Nicola Spinosa zu Wort, ein angesehener Fachmann für die neapolitanische Kunst des 17. Jahrhunderts. Sein Urteil: "Das ist kein Caravaggio."
Extrem unkonventionell: Wie Caravaggio die Maler seiner Zeit beeinflusste
Er war der Meister der Hell-Dunkel-Kontraste, setzte Licht mit dramatischem Effekt ein. Generationen von Malern hat der Italiener Caravaggio geprägt. Die Alte Pinakothek in München zeigt seinen Einfluss in ganz Europa.
Bild: Centraal Museum, Utrecht/Tom Haartsen
Van Honthorst: "Die Kupplerin" (1625)
Junge Maler aus ganz Europa pilgerten nach Rom, wo sich die Werke des italienischen Künstlers Caravaggio im Original studieren ließen. Unter ihnen die Utrechter Maler Hendrick ter Brugghen, Gerard van Honthorst (s. Bild oben) und Dirck van Baburen. Ihre Bilder stehen im Zentrum der Münchner Ausstellung, als Spiegel der zeitgenössischen Malweise, die stark von Caravaggio beeinflusst war.
Bild: Centraal Museum, Utrecht/Tom Haartsen
Ter Brugghen: "Die Spieler" (1623)
Vor allem die hyperrealistischen Gesichtszüge, eine ausgeprägte Mimik und ein virtuoser Umgang mit Licht und Schatten war das, was die Maler seiner Zeit nachzuahmen versuchten. Caravaggio bannte auf geniale Weise das auf die Leinwand, was sich emotional zwischen seine Figuren abspielte. Von fast allen seinen Bildmotiven finden sich zahlreiche Kopien in allen Ländern Europas.
Bild: Minneapolis Institute of Art, The William Hood Dunwoody Fund 60.17
Michelangelo Merisi, genannt Caravaggio
Von Haus aus hieß der talentierte Maler Michelangelo Merisi, geboren am 29. September 1571 in Mailand. Er nannte sich Caravaggio - nach der Herkunft seiner Eltern. Neben seiner Arbeit führte er ein bewegtes Leben: Vom unbekannten Künstler stieg er zum hofierten Maler der römischen Kardinäle auf. Schlägereien, Sauftouren und Gewaltausbrüche hinterließen Spuren. Er starb schon mit 38 Jahren.
Bild: dapd
De Boulogne: "David mit dem Kopf des Goliath" (1620/22)
Viele junge Maler in ganz Europa bewunderten Caravaggio, der sich kühn über die künstlerischen Konventionen des Spätmittelalters hinwegsetzte. Sein malerischer Hyperrealismus schockte die Kunstliebhaber und Auftraggeber seiner Zeit. Junge Maler wie de Boulogne bewunderten und kopierten diesen Stil, den sie auf ihren Reisen nach Rom und Mailand kennenlernten.
Bild: Museo Nacional Thyssen-Bornemisza, Madrid
Van Baburen: "Die Dornenkrönung" (1621/22)
Caravaggios Heiligenfiguren wirkten nicht mehr abgehoben, sondern wie ganz normale Menschen, die Schmerz, Verzweiflung und Trauer in ihren Gesichtern erkennen ließen, wie hier der Christus in dem Gemälde „Die Dornenkrönung“ des holländischen Malers van Baburen. Die Caravaggisten trieben den Realismus noch auf die Spitze, malten eiternde Wunden und verfaulte Zähne.
Bild: Museum Catharijneconvent, Utrecht
Van Honthorst: "Die Befreiung Petri" (1618)
In der Münchner Ausstellung ist für die Besucher nachzuvollziehen, wie stark sich der Meister Caravaggio und seine Nachahmer, die in ihren Szenerien häufig plakativ blieben, unterscheiden. Aber der Umgang mit Licht und Schatten, den auch der Utrechter Maler van Honthorst virtuos beherrschte, veränderte die Malerei in Europa nachhaltig: Menschen, nach dem Leben gemalt.
Bild: Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie/Jörg P. Anders
Originalgemälde von Caravaggio, wie hier "Heiliger Hieronymus, meditierend" sind eine kostbare Rarität für Sammler und Museen: Der italienische Ausnahmekünstler hat nur 67 Bilder gemalt, die eindeutig seiner Handschrift zugeordnet werden können. 21 Gemälde werden ihm lediglich zugeschrieben, könnten also auch aus der Werkstatt eines Caravaggisten seiner Zeit stammen.
Bild: Museu de Montserrat
Caravaggio: "Die Grablegung Christi" (1602/03)
Die Vatikanischen Museen besitzen ein einziges Gemälde des italienischen Barockmalers Caravaggio: "Die Grablegung Christi". Ein extrem grosses Bild, drei mal zwei Meter und damit fast schon Altarbild-Größe. Für die Münchner Ausstellung haben die Leihgeber im Vatikan es ausnahmsweise ausgeliehen - aber nur für vier Wochen.
Danach wird das wertvolle Ölgemälde von Caravaggio (Bildmitte), das in einem vergoldeten Barockrahmen gesichert ist, von der Wand abgehängt und im klimatisierten Spezialtransporter wieder zurück nach Rom gebracht. Die Ausstellung "Utrecht, Caravaggio und Europa" ist insgesamt - bis auf dieses eine Bild - noch bis 21.7.2019 in der alten Pinakothek in München zu sehen.