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Carl Hagenbeck: Der Erfinder des modernen Tierparks

Annika Zeitler | Rayna Breuer mit dpa
10. Juni 2019

Keine Gitterstäbe oder hohe Zäune: Dass Zoos heute so aussehen, ist Carl Hagenbeck zu verdanken. Am 10. Juni jährt sich sein 175. Geburtstag. In Völkerschauen stellte er Menschen aus - ein Trauma für viele Darsteller.

Carl Hagenbeck - Gründer des Tierpark Hagenbeck
Bild: picture-alliance/dpa/Ullstein

Die Erfolgsgeschichte des Hamburgers Carl Hagenbeck begann mit sechs putzigen Seehunden: Schon früh entwickelte der Sohn eines Fischhändlers ein Gespür für exotische Tiere - und fürs Geschäft. Als sein Vater eines Tages Seehunde als Beifang von Fischern bekam, entstand die Idee, diese als Attraktion für Interessierte gegen Eintrittsgeld zu präsentieren. Der Grundstein für einen eigenen Zoo wurde gelegt.

Zunächst bereiste Hagenbeck mit seinem Wanderzirkus und exotischen Schauen viele Städte, bis er sich 1907 seinen langersehnten Wunsch erfüllte: Er gründete seinen eigenen Zoo vor den Toren Hamburgs. Eine Sensation zu jener Zeit: ein Park mit Tieren, die – so schien es zumindest – in freier Wildbahn leben. Ohne hohe Gitter, offen und so unfassbar nah. Tiger und Löwen wurden in der Natur nachempfundenen Gehegen gezeigt – hinter unsichtbaren Gräben. Carl Hagenbeck wurde zu einem der erfolgreichsten Tierhändler und Zoodirektoren weltweit.

Das alte Eingangstor und Wahrzeichen des Tierparks Hagenbeck, bei der Eröffnung 1907Bild: picture-alliance/dpa/Archiv Carl Hagenbeck GmbH

Der Zoo ist mehr als 110 Jahre nach seiner Gründung noch immer in Familienhand und wird in sechster Generation geleitet. Heute leben mehr als 1850 Tiere aus 210 Arten im Zoo. Auch als Tierhändler hat sich Carl Hagenbeck als geschickt gezeigt – er belieferte große Zoos und Privatleute mit exotischen Tieren aus aller Welt.

Carl Hagenbecks Exotenschauen - Menschen als Teil seiner Show

Nicht nur Tiere waren Teil seiner Shows – auch Menschen aus fremden Völkern präsentierte Carl Hagenbeck seinem stets wachsenden Publikum: Sami, Nubier, Inuit, Somalier, Inder und andere Vertreter ferner Länder mussten ihren Alltag und ihre Kulturen inszenieren. Völkerschauen hatte es schon in der frühen Neuzeit gegeben, in der europäische Entdecker und Seefahrer Menschen aus neu erforschten Gebieten mitbrachten. Doch Carl Hagenbeck verstand es, die Völkerschauen perfekt zu inszenieren: Sami traten gemeinsam mit Rentieren auf, Ägypter ritten vor Pyramiden aus Pappmachée auf Dromedaren, Feuerländer hausten in Hütten und hatten Knochen als Accessoires in den Haaren.

Zoodirektor Carl Hagenbeck zeigt sich 1927 stolz mit Menschen aus Somalia, die er eigens für seine Show nach Hamburg geholt hatBild: picture-alliance/dpa

Die Darsteller der Völkerschauen tourten damals durch Europa wie heute Musiker und Bands. Ihr straffer Zeitplan umfasste mehrere Vorführungen pro Tag – von morgens bis abends wurden sie angegafft. Die ständigen Ortswechsel und die schlechten Arbeitsbedingungen bargen für viele Neuankömmlinge ein erhebliches Risiko: So starb im Jahr 1880 eine zur Schau gestellte Inuit-Familie an Pocken, weil sie nicht geimpft worden war. Auch bei einer Gruppe von Sioux-Indianern gab es Todesfälle, sie starben an Schwindsucht, Masern und Lungenentzündung.

Theodor Wonja Michael erinnert sich

Einige Darsteller kamen vermutlich freiwillig nach Europa, um Geld mit den Auftritten zu verdienen. Für andere, wie Theodor Wonja Michael, waren die Völkerschauen ein Trauma - bis heute.

Theodor Wonja Michael 2014Bild: picture-alliance/dpa/H. Galuschka

"Wir zogen durch ganz Europa mit den Zirkussen, und ich war immer auf Reisen - von Paris bis Riga, von Bern über Warschau bis Bukarest", erinnert sich Theodor Wonja Michael 2017 in einem DW-Interview. Er ist der jüngste Sohn einer Deutschen und eines Kameruners, der um die Jahrhundertwende aus der damals deutschen Kolonie ins Kaiserreich gekommen war. "Wir tanzten und traten gemeinsam mit Feuerschluckern und Fakiren auf, doch schon sehr früh begann ich diese Völkerschauen und mein Mitwirken daran zu hassen", sagte der heute 94-Jährige. Lange hat er über diese Zeit nicht gesprochen, doch dann, 2013, hat Theodor Wonja Michael seine Geschichte und die seiner Familie in dem Buch "Deutsch sein und schwarz dazu. Erinnerungen eines Afro-Deutschen" aufgeschrieben. Über seine Lebensgeschichte spricht Theodor Wonja Michael auch in der DW-Dokumentation "Afro.Deutschland".

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Auf ins Showbusiness

Die Familie aus Kamerun war es, die Theodor Wonja Michaels Vater Ende des 19. Jahrhunderts nach Europa geschickt hatte. In Berlin stellte dieser schnell fest, dass ihm als Bürger aus einer deutschen Kolonie normale Berufe verwehrt blieben. Die sogenannten Völkerschauen boten ihm die einzige Verdienstmöglichkeit.

"In der Völkerschau waren wir das, was sich die Menschen in Europa in den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts unter 'Afrikanern' vorstellten: ungebildete, mit Baströcken bekleidete, kulturlose Wilde", erklärt Theodor Wonja Michael. Er erinnert sich noch daran, wie wildfremde Menschen ihm mit den Fingern durch seine gekräuselten Haare fuhren: "Sie rochen an mir, ob ich echt sei, sprachen in gebrochenem Deutsch und in Zeichensprache mit mir."

Postkarte mit Werbung für die Völkerschau Indien im Hagenbecks TierparkBild: picture-alliance/akg-images

Hagenbeck veranstaltete seine letzte Schau "exotischer Menschen" 1931. Theodor Wonja Michael war neun, als sein Vater 1934 im Alter von 55 Jahren starb. Er hat nur wenige Erinnerungen an ihn. Aus den Erzählungen seiner Geschwister weiß er, dass der Vater Anfang der 1920er Jahre als Komparse beim damaligen Stummfilm tätig war. Er und seine Geschwister wurden oft ins Studio mitgenommen und dann ebenfalls engagiert. Sie waren eben so "typisch afrikanisch". Die Völkerschauen verschwanden nach dem Krieg. Die Diskriminierung blieb.

Völkerschauen"/Theodor Michael

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