Mit dem Tod Fidel Castros verlieren afrikanische Freiheitskämpfer einen engen Vertrauten. Castro hatte den halben Kontinent mit Ärzten und Lehrern versorgt. In Afrika wird er besonders für seine Militäreinsätze verehrt.
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"Manchmal gibt es auf der Welt solche Menschen - und wenn sie uns verlassen, dann hinterlassen sie eine Lücke, Leere und Sehnsucht", sagt der angolanische MPLA-Generalsekretär Julião Mateus Paulo nach dem Tod von Fidel Castro. Für einige sei der kubanische Revolutionsführer ein Diktator gewesen - nicht aber für die Angolaner. Die Trauer des angolanischen Politikers überrascht wenig: Als 1975 mit der Unabhängigkeit von Portugal Machtkämpfe entbrannten, half Kuba der MPLA im Kampf gegen die UNITA. Die wiederum wurde von den USA und Südafrikas Apartheidregime unterstützt. Die Kämpfe gipfelten 1988 in der Schlacht von Cuito Cuanavale im südlichen Angola - die UNITA unterlag. Damit war auch das Ende der Apartheid eingeläutet. 1990 wurde Namibia von Südafrika unabhängig, 1994 gewann der ANC unter der Führung von Nelson Mandela die ersten freien Wahlen in Südafrika.
Sympathie für den Einsatz
Während die Sowjetunion in Angola Waffen bereitstellte, schickte Kuba Soldaten: Rund 56.000 der 400.000 Soldaten, die Kuba an Austragungsorte des Kalten Krieges schickte, waren in Angola im Einsatz. Mehr als 2000 kubanische Soldaten starben in Angola. Trotzdem stieß das militärische Engagement in Castros Heimat auf breite Unterstützung: "Die Leute hatten viel Sympathie für den Einsatz in Angola", sagt der kubanische Historiker Manuel Barcia. "Viele Kubaner wollten nach Angola gehen. Das wurde als Privileg angesehen", erinnert sich Barcia, der heute als Professor an der Universität von Leeds tätig ist. Kuba schickte nicht nur Soldaten nach Angola: Noch heute sind mehr als ein Drittel der Mitarbeiter im Gesundheitswesen Kubaner.
In Angola entbrannte der Krieg 1998 erneut mit voller Wucht - nun ohne die Beteiligung Kubas. Erst 2002 kam das Land nach 27 Jahren Bürgerkrieg zur Ruhe.
Politisches Dilemma
Castro schickte 1977 auch Truppen nach Äthiopien: 15.000 Soldaten unterstützten den sozialistischen Diktator Mengistu Haile Mariam im Kampf gegen Somalia. Die Intervention Kubas zwang Somalia in der Auseinandersetzung um die Ogaden-Region in die Knie. Die zwischen Äthiopien und Somalia gelegene Region ging an Äthiopien. Mit dem Militäreinsatz in Äthiopien billigte Castro auch Mengistus Kampf gegen die Unabhängigkeit Eritreas. Castro, der eigentlich für den weltweiten Einsatz gegen anti-kolonialistische Bestrebungen stand, war in eine politische Zwickmühle geraten. Die Kubaner nahmen das kritiklos hin.
"Wir wussten nicht Bescheid", sagt Manuel Barcia. "Informationen wurden gefiltert. Das hier ist ein klassischer Fall. Wenn Haile Mariam nach Kuba kam, wurde er wie ein Held empfangen." An Berichte über Gewalt in Äthiopien könne er sich nicht erinnern. "Als ich vor ein paar Jahren in Äthiopien war, habe ich mit Leuten darüber gesprochen und sie konnten nicht glauben, dass wir nichts darüber wussten." Das Verhältnis zwischen Äthiopien und Kuba kühlte sich später merklich ab. Als 1980 viele Länder gegen UN-Sanktionen gegen Kuba stimmten, enthielt sich Äthiopien, sagt Yonas Ashine, Politikwissenschaftler an der Universität von Addis Abeba. "Später haben beide Länder versucht, ihre Beziehung wieder aufzupolieren, aber die ideologische Beziehung ist heute nicht mehr so stark wie früher."
Verrostetes Erbe: Sozialismus in Afrika
Afrikas Beziehungen zu sozialistischen Ländern sind Thema einer Ausstellung im Bayreuther Iwalewahaus. "Things Fall Apart" blickt von den Anfängen der Sowjetunion über den Zerfall des Ostblocks bis in die Gegenwart.
Bild: Universität Bayreuth/Iwalewahaus
Alte Fesseln - neue Vision
Während sich afrikanische Länder Ende der 1950er Jahre von ihren kolonialen Fesseln befreiten, waren die ehemaligen Kolonialmächte bereits tief in den Kalten Krieg verstrickt - einen Kampf um Ideologien, der auch auf dem afrikanischen Kontinent ausgetragen wurde. Mit Slogans wie "Afrika kämpft - Afrika gewinnt" warb die Sowjetunion um die Gunst der jungen Staaten.
Bild: Universität Bayreuth/Iwalewahaus
Eine Utopie setzt Rost an
Die Bruderliebe zwischen der Sowjetunion und afrikanischen Staaten dauerte nur ein paar Jahrzehnte. Doch ihre Spuren reichen bis in die Gegenwart. Der angolanische Fotograf Kiluanji Kia Henda spürte 2006 die Karl Marx auf einem Schiffsfriedhof im Norden Luandas auf. Sie war Teil einer Fischereiflotte, die die Sowjetunion an Angola spendete und die nur wenige Jahre in Betrieb war.
Bild: Universität Bayreuth/Iwalewahaus
Stellvertreterkrieg auf afrikanischem Boden
An die sozialistische Geschichte Angolas erinnern die verblassten Wandbilder von Leonid Breschnew, Fidel Castro und Agostinho Neto (Mitte), dem ersten Präsidenten Angolas, dokumentiert von der südafrikanischen Fotografin Jo Ractliffe. Im angolanischen Bürgerkrieg stellte Kuba Truppen, die Sowjetunion lieferte Waffen für Neto. Auf der Gegenseite standen Waffen und Gelder aus Südafrika und den USA.
Bild: Universität Bayreuth/Iwalewahaus
Ehrung für eine Ikone des Anti-Imperialismus
Auch Patrice Lumumba, der erste Premierminister der Demokratischen Republik Kongo, sympathisierte mit dem Sozialismus. In einer Krise des jungen Staats bat er die Sowjetunion um Hilfe. Darauf wurde er entmachtet und später unter den Augen des belgischen Geheimdienstes ermordet. Der Ikone des afrikanischen Befreiungskampfes setzte die UdSSR mit einer eigenen Briefmarke ein Denkmal.
Bild: Universität Bayreuth/Iwalewahaus
Eingeladen, aber nicht immer willkommen
Moskau holte gezielt afrikanische Studenten ins Land. Sie studierten etwa an der "Patrice-Lumumba-Universität" in der Hauptstadt - gelockt oft mehr von den Stipendien als von der Ideologie. Doch die Studenten waren immer wieder mit Rassismus konfrontiert - und demonstrierten. Ein Protest afrikanischer Studierender Ende der 1950er Jahre war die allererste öffentliche Demonstration nach Stalin.
Bild: Universität Bayreuth/Iwalewahaus
Breschnew: Einsatz auf afrikanischem Boden
Die Sowjetunion scheute keine Kosten und Mühen, um ihre Ideologie in afrikanische Länder zu tragen. Ein Besuch von Leonid Breschnew in Guinea 1957 wurde auf Film gebannt. Der Dokumentarfilmer Alexander Markov spürt dieser Propaganda im Film mit einer Dokumentation nach, die 2015 in der Auswahl der Berlinale war.
Bild: Universität Bayreuth/Iwalewahaus
Vereint im Weltall
Die Propaganda in Ton und Bild ließ sich leicht transportieren und war daher ein besonders beliebtes Mittel. Mit stereotypen Darstellungen von Kindern aus drei Kontinenten sollte ein Fortschritt gezeigt werden, der sich nur gemeinsam erreichen lässt. Für viele Kinder mag dies eine Motivation gewesen sein: Die Hoffnung, an der gemeinsamen Reise ins Weltall teilnehmen zu können.
Bild: Universität Bayreuth/Iwalewahaus
Jubel für den Sozialismus
Äthiopien als Sitz der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) galt als Schlüssel zu Afrika. Das Militärregime unter Mengistu Hailemariam hatte der UdSSR viel zu verdanken. Besucher am OAU-Hauptsitz wurden von einem überlebensgroßen Lenin begrüßt. Ein Marx-Denkmal, das Erich Honecker zum 10. Jubiläum der Revolution (Bild) einweihte, steht noch heute im Park der Universität von Addis Abeba.
Bild: Getty Images/AFP/A. Joe
Erbe einer sozialistischen Zeit
Bis heute bedienen sich afrikanische Herrscher einer Ästhetik des Sozialismus. Dieses Bronzedenkmal mit Namen "Afrikanische Wiedergeburt" ließ sich 2010 Senegals Präsident Abdoulaye Wade erbauen. Entworfen und umgesetzt von einem nordkoreanischen Unternehmen, das zuerst Addis Abeba und dann mehr als 20 weitere afrikanische Städte mit gigantischen Bauwerken versorgte.
Bild: picture-alliance/dpa
Ästhetik des sozialistischen Realismus
Botswanas Präsident Festus Mogae weihte 2005 diese Dreier-Installation ein. Sie zeigt drei Chiefs ("Three Dikgosi"), die Wegbereiter des heutigen Staates waren. Der Südkoreaner Onejoon Che bildet diese totalitäre Ästhetik in Modellen und Fotografien ab - eine Ästhetik des sozialistischen Realismus in Afrika, die auch heute noch bei vielen afrikanischen Machthabern Anklang findet.
Bild: Universität Bayreuth/Iwalewahaus
Was bleibt nach dem Spektakel
Burkina Faso galt als letzter Versuch, einen afrikanischen Sozialismus zu etablieren. In Ouagadougou, der Hauptstadt des afrikanischen Films, zeigten auch Cineasten ihre Filme, die wie Ousmane Sembène selbst in Moskau studiert hatten. Der sozialistische Offizier Thomas Sankara war ein wichtiger Förderer des Filmfestivals FESPACO. Bei Fotograf Isaac Julien (2005) bleibt das Kino leer.
Bild: Iwalewahaus/Isaac Julien
Bald in Afrika?
Konzipiert wurde die die Wanderausstellung "Things Fall Apart" in London und Bayreuth, wo sie noch bis Sonntag (18.09.2016) zu sehen ist. Danach gastiert sie ab Dezember zwei Monate in Budapest. Und dann? Das Bayreuther Iwalewahaus ist mit einigen Goethe-Instituten im Gespräch über mögliche Stationen in Afrika.
Bild: Universität Bayreuth/Iwalewahaus
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Freundschaft und Export der Revolution
Angola und Äthiopien waren die beiden Hauptschauplätze für Kubas militärisches Eingreifen in Afrika, aber die Liste der Länder, in denen sich Kuba darüber hinaus mit Soldaten engagierte, ist lang: Algerien, Äquatorialguinea, Guinea, Guinea-Bissau, Sierra Leone und Libyen. Insgesamt starben rund 4300 Kubaner bei Einsätzen in Afrika - Experten gehen von einer weit höheren Zahl aus. Castros Engagement beruhe auf einer Mischung aus Freundschaft oder Kameradschaft auf der einen Seite und einer großen Chance auf der anderen Seite, erklärt Barcia. Die Umbrüche in Afrika seien eine gute Gelegenheit für Castro gewesen, die kubanische Revolution zu exportieren.
Wie es mit Kubas Engagement in Afrika weitergehe? Schwer zu sagen, so Barcia. Heute bestehe die Verbindung überwiegend aus Geschäftsbeziehungen und der Entsendung von Ärzten und Lehrern. So schickte Kuba während der Ebola-Krise 300 Ärzte und Krankenschwestern nach Westafrika. "Es gibt offensichtlich eine starke Verbindung, aber es ist unklar, welche Vorteile Kuba davon hat." Schritt für Schritt seien jetzt Strategieveränderungen in der Politik Kubas zu sehen, sagt Barcia. Da sei es enorm schwierig, Vorhersagen über die Politik seines Landes zu treffen.