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Politik

Cavusoglu: Deutschtürken wählen Erdogan

5. Juni 2018

Beim türkischen Verfassungsreferendum bekam Präsident Erdogan von den Türken in Deutschland fast eine Zweidrittelmehrheit. Bei den Präsidentschaftswahlen erwartet Außenminister Cavusoglu ein ähnliches Ergebnis.

AKP-Anhänger 2008 bei einem Erdogan-Auftritt in Köln
AKP-Anhänger 2008 bei einem Erdogan-Auftritt in KölnBild: Getty Images/V. Rys

Bei der bevorstehenden Wahl in der Türkei rechnet Außenminister Mevlüt Cavusoglu erneut mit massiver Unterstützung der Türken in Deutschland für Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Das Wahlkampfverbot in Deutschland "provoziert unsere Unterstützer nur", sagte Cavusoglu in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur im südtürkischen Alanya. Er erwarte ein ähnliches Ergebnis bei den Stimmen in Deutschland wie beim Verfassungsreferendum im vergangenen Jahr, "womöglich sogar noch mehr". 

Türken in Deutschland können von diesem Donnerstag an abstimmen. In der Türkei selbst werden am 24. Juni erstmals zeitgleich das Parlament und der Präsident gewählt. Beim Referendum über die Einführung des von Erdogan angestrebten Präsidialsystems waren in Deutschland mehr als 63 Prozent der Stimmen auf das Lager des Präsidenten entfallen - deutlich mehr als in der Türkei selbst. Das Ergebnis hatte eine heftige Diskussion über die Integration von Türken ausgelöst. 

Mevlüt Cavusoglu (bei einem Interview mit der DW)Bild: DW/M. Martin

In Deutschland sind bei der kommenden Wahl 1,44 Millionen Türken stimmberechtigt. Sie stellen die größte Gruppe der gut drei Millionen Auslandstürken, deren Stimmen bei einem knappen Ausgang entscheidend sein könnten. Türken im Ausland machen mehr als fünf Prozent aller Wahlberechtigten aus. Mit den Wahlen am 24. Juni soll die Einführung des Präsidialsystems abgeschlossen werden, das den Präsidenten mit deutlich mehr Macht als bislang ausstattet. 

Klage über angebliches Wahlkampfverbot

Cavusoglu sagte: "Die große Mehrheit der Türken im Ausland unterstützt uns, auch in Deutschland. Weil sie gesehen haben, wie sehr sich die Türkei in den letzten 16 Jahren verändert hat." 2002 war Erdogans AKP an die Macht gekommen. Cavusoglu fügte hinzu, aus seiner Sicht verstoße das von der Bundesregierung im vergangenen Jahr verhängte Wahlkampfverbot gegen das Recht auf Versammlungsfreiheit. "Aber Deutschland hat beschlossen, dass es keinen Wahlkampf geben soll, und wir respektieren das." Zugleich kritisierte er, dass die pro-kurdische Oppositionspartei HDP Wahlkampf betreiben könne. Dies darf allerdings auch Erdogans AKP, lediglich ausländischen Regierungsvertretern ist Wahlkampf in Deutschland untersagt.

"Erdogan ist kein Diktator"

Cavusoglu wies Kritik an Erdogans Führungsstil zurück. "Erdogan ist kein Diktator", sagte er. "Erdogan hat dieses Land reformiert. Erdogan hat diesem Land alle Freiheiten gebracht, Pressefreiheit, das Recht auf freie Meinungsäußerung, Menschenrechte." In den vergangenen drei Jahren habe die Türkei Terrororganisationen bekämpfen und einen Putschversuch niederschlagen müssen. "Es ist keine einfache Zeit für uns. Und wenn man Maßnahmen ergreift, um zum Beispiel so einen Putschversuch zu verhindern, wird Erdogan als Diktator abgestempelt. Wir werden zu diesen Reformtagen zurückkehren. Aber zuerst müssen wir sicherstellen, dass die Terroristen besiegt sind." 

Demonstration von Kurden gegen die türkische Regierung Ende Januar in KölnBild: DW/C. Winter

Umfragen deuten darauf hin, dass Erdogan am 24. Juni eine absolute Mehrheit verfehlen könnte. Cavusoglu sagte dagegen, er rechne mit einem Sieg Erdogans in der ersten Wahlrunde und nicht mit einer Stichwahl. "Ich denke, wir werden mindestens 55 Prozent bekommen." Er erwarte auch eine absolute Mehrheit der AKP bei der Parlamentswahl. Sollte Erdogan die Wahl wider Erwarten verlieren, werde er das akzeptieren. Cavusoglu betonte, der Ausnahmezustand beeinträchtige den Wahlkampf nicht. "Es ist eine freie und faire Wahl." 

Oppositionsführer weiter in Haft

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hatte gefordert, die Wahl auf die Zeit nach dem Ausnahmezustand zu verschieben. Unter den derzeitigen Notstandsgesetzen sei nach Aussage vieler türkischer Gesprächspartner die demokratische Debatte gestört,  erklärte eine Beobachtermission. So säßen viele Politiker und Journalisten im Gefängnis und die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sei eingeschränkt. Insgesamt wurden seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 140.000 Staatsbedienstete entlassen und mehr als 55.000 Menschen inhaftiert. Außerdem berichteten türkische Medien weniger über die Oppositionsparteien als über Erdogans AKP, hieß es. Problematisch sei auch die Tatsache, das die Türkei kurz vor der Abstimmung entscheidende Änderungen im Wahlrecht vorgenommen habe.

Unter anderem war der zuvor bei Wahlen sehr erfolgreiche Präsidentschaftskandidat der pro-kurdischen Partei HDP Selahattin Demirtas im November 2016 gemeinsam mit mehreren weiteren HDP-Abgeordneten wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft genommen worden, wo er seither sitzt. Er weist die Anschuldigungen zurück.

Anhänger von Selahattin Demirtas im März in IstanbulBild: Getty Images/AFP/O. Kose

Nach der Entspannung in den Beziehungen zu Deutschland forderte Cavusoglu die Bundesregierung auf, wieder mehr Rüstungsexporte in sein Land zu genehmigen. "Wir sind NATO-Verbündete, und wir sollten solche Restriktionen unterlassen", sagte er. Seine Regierung erwarte eine Normalisierung der Beziehungen auf allen Ebenen, "einschließlich der Rüstungs- und der Wirtschaftszusammenarbeit". Cavusoglu sprach sich für eine in Deutschland umstrittene Beteiligung des Unternehmens Rheinmetall am geplanten Bau des türkischen Panzers vom Typ Altay aus. "Wir sollten da keine politischen Hindernisse haben." Bei ihrer Offensive gegen mit den USA verbündete kurdische Milizen in Nordsyrien hatte die Türkei unter anderem auch deutsche "Leopard 2"-Panzer eingesetzt. 

Cavusoglu sagte mit Blick auf die Krise mit Berlin, die im vergangenen Jahr eskaliert war: "Ich kann nicht sagen, dass sie ganz vorbei ist." Bei der Deeskalation habe es aber "große Fortschritte" gegeben. Mit dem damaligen Bundesaußenminister Sigmar Gabriel sei vereinbart worden, "dass wir alle Restriktionen und Hindernisse in unseren Beziehungen beseitigen sollten". Dass Gabriel nicht mehr im Amt sei, sei unwesentlich. "Alte Regierung, neue Regierung, das spielt keine Rolle. Dieselben Parteien sind in der Regierung."

stu/as (dpa, afp)

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