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Armin Laschet will an die Spitze

14. September 2021

Armin Laschet will auf Kanzlerin Merkel folgen. Doch der CDU-Chef steht unter Druck. Umfragen sehen ihn nicht auf Platz eins. Im Wahlkampf-Endspurt gibt sich Laschet nun kämpferisch und warnt vor einem Linksruck.

Deutschland | Armin Laschet | Ministerpräsident NRW
Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Kanzlerkandidat Armin Laschet

02:53

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Gegenwind für den Spitzenmann: Seit Mitte Januar führt der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet die CDU. Bei der Bundestagswahl am 26. September soll der 60-Jährige für die Unionsparteien CDU und CSU das Kanzleramt erobern. Doch spätestens seit der Hochwasser-Katastrophe mit über 170 Todesopfern, die Mitte Juli neben Rheinland-Pfalz auch mehrere Regionen von Nordrhein-Westfalen traf, steht der CDU-Chef unter Druck. Seit Ende August schneidet sogar die sozialdemokratische SPD bei Meinungsumfragen besser ab als die konservativen Unionsparteien. Damit scheint der CDU-Chef wenige Tage vor dem Wahlsonntag nicht mehr der Favorit, sondern der Verfolger.

Dabei hatte Laschet in der Flutkatastrophe prompt reagiert. Bald nach den ersten Schreckensmeldungen brach er einen Aufenthalt in Süddeutschland ab und reiste in die Krisengebiete, er kündigte jede der Landesregierung mögliche Unterstützung an, sprach mit Betroffenen der Flutwellen und mit Helferinnen und Helfern. Überschattet wurden seine Auftritte indes von Äußerungen, die für einen Schlingerkurs standen - und von unpassendem Verhalten.

Lachen und Beharren

Nach einem gemeinsamen Besuch mit dem Bundespräsidenten in der betroffenen 50.000-Einwohner-Gemeinde Erftstadt südwestlich von Köln äußerte sich Frank-Walter Steinmeier vor Kameras und schilderte seine Betroffenheit, ja Bestürzung. Die Kameras fingen zugleich wenige Meter hinter dem Staatsoberhaupt Armin Laschet ein, der mit ein paar Mitarbeitern scherzte und sich vor Lachen schüttelte. Mehrfach entschuldigte sich der Ministerpräsident in den Tagen danach für diese Szene. Doch auch seine Bewertung der sintflutartigen Niederschläge sorgte für Irritationen. "Nur weil jetzt ein solcher Tag ist, ändern wir nicht die Politik", sagte er zunächst sehr entschieden, als die meisten schon über einen Zusammenhang zwischen Wetter und Klimawandel sprachen. Um Tage später zu betonen, "wir müssen alles gegen den Klimawandel tun."

Laschet lacht, in ernsten Stunden - später entschuldigte er sich für diese SzeneBild: Marius Becker/dpa/picture alliance

Das passt ins Bild: Laschet legt sich seit seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten bei vielen Sachthemen, die im Vorwahlkampf oder in Interviews angesprochen werden, nicht fest. Entsprechend bleibt auch das Mitte Juni vorgelegte Wahlprogramm der beiden Unionsparteien CDU, die in 15 der 16 Bundesländer antritt, und CSU, die allein in Bayern besteht und nur dort auf den Wahlzetteln steht, an manchen Punkten mit Konkretisierungen zurückhaltend. Laschet setzt in manchem auf Kontinuität zur Merkel-Politik, in anderem unterscheidet er sich - und sagt das nicht sehr laut. Eine der wenigen Ausnahmen blieb seine Bewertung des Afghanistan-Abzugs und der dramatischen Entwicklung in dem Land. Da sprach er von einem "Desaster" für den Westen und für die Bundesregierung. 

Im Machtkampf gegen Söder 

Erst Mitte April hatte sich der Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes in einem zähen Machtkampf als Kanzlerkandidat der Union gegen den CSU-Vorsitzenden Markus Söder durchgesetzt. Die Umfragewerte sprachen deutlich für Söder - und damit gegen Laschet. Aber der CDU-Chef bewies Nervenstärke und Durchsetzungsvermögen. Grundzüge, die ein Regierungschef braucht.

Er sei "ein Kämpfer", heißt es von Parteifreunden seitdem wiederholt. Laschet suche, gestützt von seinen Stellvertretern, Gespräche und Klärungen. Sowohl mit Söder als auch mit vielen CDU-Akteuren. Doch die Mahnungen aus der Partei und vor allem vom unterlegenen CSU-Chef werden deutlicher. Sie vermissen Impulse, die die Laschet-Linie vorwärtsbringen.

CDU der Mitte

Wofür steht Laschet? Als ein volldigitaler CDU-Bundesparteitag Laschet im Januar 2021 im zweiten Wahlgang gegen Friedrich Merz mit 53 Prozent der Delegierten zum Parteichef kürte und eine folgende Briefwahl ihn mit 83,5 Prozent bestätigte, sahen viele in ihm einen Garanten des bisherigen Merkel-Kurses. Armin Laschet, seit 2012 einer von fünf stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU, gab lange den zuverlässigen Partner der Vorsitzenden Angela Merkel (bis 2018) und Annegret Kramp-Karrenbauer (2018-2020). Und nutzte dann die Schwächen der Vorgängerin, um sich in Position zu bringen.  "Wir werden nur gewinnen, wenn wir in der Mitte stark bleiben" - dieser Satz kommt öfter in seinen Reden vor.

Seit' an Seit': Laschet neben Kanzlerin Angela MerkelBild: picture-alliance/AP/M. Meissner

Mit diesem Anspruch wurde Laschet 2017 NRW-Ministerpräsident, im Januar 2021 Parteichef, dann im April Kanzlerkandidat. Zugleich knüpft der Aachener Katholik durchaus häufig und bewusst an die Tradition der lange Zeit rheinisch geprägten CDU an. Nur ein einziger der bislang acht deutschen Bundeskanzler kam aus Nordrhein-Westfalen: der erste Amtsinhaber Konrad Adenauer (1949-1963), der die Partei mitgründete und einte. Bis heute trägt die Parteizentrale in Berlin dessen Namen.

Einst treu zu Merkel

Laschet kann auf eine enge Zusammenarbeit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zurückblicken. Als Merkel angesichts der Einreise hunderttausender Flüchtlinge seit 2015 in Teilen ihrer Partei kräftiger Gegenwind entgegenschlug, blieb Laschet ihr treuer Weggefährte und Mitstreiter.

Doch im Zuge der Pannen und Schwächen im Kampf gegen die Corona-Pandemie ging Laschet allmählich auf Distanz zur Kanzlerin. Mal ging es da um Regelungsdetails, mal um das Konzept der pragmatischen Pandemie-Bewältigung, das Merkel pflegte. Als im Ringen um Verschärfungen für die Ostertage 2021 die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder in 15-stündigen Verhandlungen ein Ergebnis vorlegten, über das sich fast ganz Deutschland empörte, ging Laschet deutlich auf Abstand. "Wir können so nicht weitermachen", sagte er so beschwörend wie drohend. 

Über Monate im Rennen gegeneinander: Laschet und CSU-Chef Markus SöderBild: Malte Ossowski/SVEN SIMON/picture alliance

Das passt zur ungewohnten Lage der Unions-Parteien. Die Ursachen dafür sind zahlreich: die Schwierigkeiten bei der Eindämmung der Corona-Pandemie, diverse Korruptionsfälle in den Reihen der Bundestagsfraktion, Mauscheleien und Misstrauen und dazu eine Kanzlerin, die auf internationaler Ebene hochgeschätzt wird, aber doch angesichts ihrer endenden Amtszeit zu einer "lame duck" wird. Die Umfragewerte der CDU zeigen, dass der Weg ins Kanzleramt kein leichter ist.

Armin Laschet will kämpfen. Seine Partei schwört er seit Wochen auf Modernisierung, Digitalisierung und Aufbruch ein. Und erinnert an Freiheit und Verantwortung als die Fundamente christdemokratischer Politik. "Wir können Veränderungen, aber wir sind in den letzten Jahren zu bequem geworden", wiederholt er gerne. Aber Laschet kann durchaus öffentlich von einem Aufbruch beim Klimaschutz schwärmen, ohne politisch konkret zu werden oder bisherige Entscheidungen zu überdenken.

Laschet nach seiner Wahl zum CDU-Chef im Januar 2021Bild: Hannibal Hanschke/REUTERS

Laschet und die Grünen

Seit seiner Nominierung wird der Ton zwischen Unionsparteien und Grünen schärfer. Beide Lager haben ihre Nöte mit den Spitzenkräften: Laschet, der einige kleinere Skandale zu NRW-Zeiten abgearbeitet hat, mit seinem unpassenden Auftritt in der Not der Flut, Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock mit nicht korrekten biographischen Angaben und einer in Teilen abgeschriebenen programmatischen Buchveröffentlichung. 

Gerade in den sozialen Medien wird aus Kritik zwischen beiden Lagern Häme. Dabei war es Laschet, der bei Fragen wie der Integrationspolitik schon vor Jahrzehnten fast mehr Verbündete bei den Grünen als im eigenen Lager hatte. Laschet, der nach seinem Einzug in den Bundestag 1994 rasch mit an einem Vertrauensverhältnis von Politikern der CDU und Bündnisgrünen arbeitete.

Sein Slogan als Kandidat für den CDU-Vorsitz eignete sich bereits im Januar auch als Slogan für einen Wahlkampf als Spitzenmann der Union fürs Kanzleramt: "Die Zwanziger Jahre zu einem Modernisierungsjahrzehnt für Deutschland machen: neue wirtschaftliche Dynamik, umfassende Sicherheit, beste und gerechte Bildungschancen." Wenn eins auffiel seit Mitte Januar: Landeschef Laschet versuchte bei den Corona-Krisengesprächen meist, auch die Perspektive der Wirtschaft anzusprechen. Und auch bei den klimapolitischen Debatten seit der Hochwasserkatastrophe spricht er stets wirtschaftspolitische Aspekte an.

Politik von unten bis oben

Armin Laschet kennt alle Seiten des Politikbetriebs. Der studierte Jurist gehörte schon dem Aachener Stadtrat (1989-2004), dem Bundestag (1994-98), dem Europaparlament (1999-2005) und dem NRW-Landtag (seit 2010) an. Aufgewachsen in der Grenzregion zu Belgien, tickt er europäisch. Seit 2019 ist Laschet auch Bevollmächtigter der Bundesrepublik für die deutsch-französischen kulturellen Beziehungen. So pflegt er zur politischen Führung in Paris seit langem intensive Kontakte. Mit Blick auf das transatlantische Verhältnis hat Laschet, der 2019 als NRW-Ministerpräsident einige Tage durch die USA reiste, gewiss einiges aufzuholen.

Parteifreunde: Laschet und Friedrich MerzBild: Hannibal Hanschke/REUTERS

"Armin Laschet ist ein Politiker, der alle Voraussetzungen mitbringt, höchste Partei- und Staatsämter auch auf nationaler Ebene auszuüben", heißt es schon seit vielen Wochen auf der Homepage der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Davon wird Laschet die Wählerinnen und Wähler überzeugen müssen. "Ein Ministerpräsident, der ein 18-Millionen-Land erfolgreich regiert, kann auch Bundeskanzler", sagt er gerne.

Nach der Wahl

Dazu würde er Koalitionspartner brauchen. In Düsseldorf führt er eine Koalition aus CDU und FDP, auf Bundesebene bilden Unionsparteien und Sozialdemokraten die Regierung. Egal wer mit welchem Ergebnis bei der Bundestagswahl abschneidet - er oder sie muss in den Wochen danach Partner für ein politisches Bündnis finden. Mit Blick auf die rechtspopulistische AfD bekräftigt Laschet immer wieder die Absage an jede Kooperation und Duldung. Aber mit Äußerungen zur konservativen oder nationalen Strömung seiner Partei, die sich in der Nominierung des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen als CDU-Kandidat in einem Thüringer Wahlkreis manifestierte, tut er sich schwer. Der Weg ins Kanzleramt ist noch sehr weit für Armin Laschet. Weit und steinig.

Vier Männer, vier Frauen - Laschet präsentiert in Berlin sein "Zukunftsteam"Bild: Annegret Hilse/REUTERS

Wenige Wochen vor der Wahl sieht vieles danach aus, dass CDU/CSU lediglich in einer Koalition mit den Grünen und den Liberalen eine künftige Bundesregierung bilden und das Kanzleramt halten könnte. Denn Ende August überflügelte die SPD die Unionsparteien in einer Reihe von seriösen Meinungsumfragen, so im "ARD-Deutschlandtrend" und beim "ZDF-Politbarometer". Dabei hatten CDU/CSU seit 2002 stets die Spitzenposition des Politbarometers inne.

Laschet setzte knapp drei Wochen vor der Wahl, lange von Parteikollegen dazu gedrängt, auf ein "Zukunftsteam": Vier Männer, vier Frauen, sieben CDU-Vertreter, eine CSU-Politikerin. Prominentester Mitstreiter ist Friedrich Merz. Der 65-Jährige, der vor Monaten selbst CDU-Chef und Kanzlerkandidat werden wollte, hatte 2009 den Bundestag verlassen und bei einer Investmentgesellschaft Karriere gemacht. Nun stellte Laschet mit dem einstigen Konkurrenten Merz den wirtschafts- und finanzpolitischen Kurs einer von ihm geführten Regierung vor. Einziges Mitglied aus der derzeitigen Bundesregierung ist Dorothee Bär (CSU), die als Staatsministerin im Kanzleramt für Digitalisierung zuständig ist. Medial bekannt ist der allgemein anerkannte Terrorismus-Experte Peter Neumann. Die weiteren Mitglieder des Laschet-Teams, die in den verbleibenden Tagen bis zum 26. September mit in den Wahlkampf sollen, mit sind bundesweit nur Politik-Kennern vertraut. Aber allen fällt auf, dass kein einziger Unions-Minister der derzeitigen Merkel-Bundesregierung dem Team angehört. 

Der Kandidat steht unter Druck. Häufig wurde Laschet aus dem Unions-Lager heraus aufgefordert, sich kämpferischer zu zeigen. Nun attackiert er vehement die SPD und warnt vor einem Linksruck der Republik. Bei einem CSU-Parteitag zwei Wochen vor der Wahl wurde er dafür gefeiert. Zugleich blieb er nach Einschätzung von Beobachtern und laut Umfragen bei allen drei "Triell"-Fernsehdebatten der drei Spitzenkandidaten hinter SPD-Konkurrent Olaf Scholz zurück.  

In der Schlussphase des Wahlkampfes folgen  mehrere Auftritte mit Kanzlerin Merkel, zu der er während der Corona-Krise gelegentlich demonstrativ auf Distanz ging. Zuletzt begleitet sie ihn nun auch in seine Heimat Aachen. Und Laschet selbst verweist darauf, dass auch der knappe CDU-Sieg im sozialdemokratisch geprägten Nordrhein-Westfalen 2017 viele Experten überrascht habe. Er will es nun wieder wissen.

Dieser Artikel wurde zuletzt am 23. September 2021 aktualisiert.

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