CDU-Chef Friedrich Merz will ins Kanzleramt
19. Februar 2025
Er ist der Herausforderer des SPD-Bundeskanzlers und gilt derzeit als Favorit. Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender und Unions-Fraktionschef im Bundestag, kehrte 2021 nach zwölfjähriger Unterbrechung in den Bundestag zurück. Nun strebt er als Kanzlerkandidat von CDU und CSU die Nachfolge von Olaf Scholz an.
Im Fall seiner Wahl wäre der 69-Jährige der bei Amtsantritt älteste Bundeskanzler seit Konrad Adenauer. Der hatte 1949 als erster Kanzler der neuen Bundesrepublik mit 73 Jahren die Verantwortung übernommen. Kanzler Scholz und Herausforderer Merz - zwei Juristen, aber vollkommen unterschiedliche Typen. Der hochgewachsene CDU-Politiker fällt schon auf, wenn er einen Raum, eine Bühne betritt. In der direkten Begegnung wirkt er zugänglich und auch humorig. Aber wenn er sich, wie häufig, zu Gesprächspartnern herabbeugt, wirkt das nicht immer vorteilhaft.
Merz hatte im Grunde zwei politische Leben: eines vor der ostdeutschen CDU-Politikerin Angela Merkelund eines danach. Als Merkel 2002 in der Unionsfraktion und 2005 im Kanzleramt die Macht übernahm, zog sich der deutlich konservativere Merz zurück und blieb jahrelang der Politik fern.
Raus aus der Politik, rein in die Wirtschaft
Noch 2001 hatte er sich selbst als Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 2002 ins Gespräch gebracht. Doch damals entschied sich die Union für den bayrischen CSU-Politiker Edmund Stoiber. Der trat gegen SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder an - und scheiterte. Merz bewegte sich allmählich weg vom politischen Betrieb und war wieder als Jurist tätig. 2009 kandidierte er nicht mehr für den Bundestag.
Wer ist dieser Friedrich Merz, der einst gegen Merkel verlor und so spät zurückkehrte? Der Westfale aus dem Sauerland - ein Mittelgebirge im Westen Deutschlands - ist Katholik und Jurist wie schon sein Vater. Bis heute lebt er nicht weit entfernt von seinem Geburtsort. Mit 33 Jahren zog er 1989 für die CDU für fünf Jahre als Abgeordneter ins Europaparlament. Fünf Jahre später wechselte er in den Bundestag. Damals fiel er rasch als guter und scharfer Redner auf. Was er in der Fraktion sagte, hatte Gewicht.
Sein Ausstieg aus der Politik wurde zu einem Aufstieg in der freien Wirtschaft. Von 2005 bis 2021 gehörte er einer internationalen Anwaltskanzlei an und übernahm Spitzenposten in Aufsichts- und Verwaltungsräten. Von 2016 bis 2020 war er Aufsichtsratsvorsitzender des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock in Deutschland.
Nach dem frühzeitig angekündigten Ausstieg von Merkel aus der Politik für das Jahr 2021 kehrte Merz zurück und stieg allmählich auf. Bei seinem dritten Versuch wählte ihn die CDU 2022 zum Parteichef. Dabei ging ihm ein Ruf als wirtschaftsliberaler Vertreter des konservativen CDU-Flügels voraus.
"Probleme mit Ausländern" und "kleine Paschas"
Merz hatte schon in den 1990er Jahren im Bundestag gegen eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts und gegen die Präimplantationsdiagnostik votiert. Als das Parlament 1997 die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe stellte wie jede andere Vergewaltigung auch, lehnte Merz das in dieser Form ab.
Der CDU-Abgeordnete war stets für die Nutzung der Kernkraft. Er drängte auf eine liberalere Wirtschaftspolitik und einen Abbau von Bürokratie. Schon vor fast 25 Jahren beklagte er Auswirkungen der deutschen Migrationspolitik, er sprach von "Problemen mit Ausländern" und pochte auf eine "Leitkultur".
Manches davon bringt er nun wieder an - in einer veränderten politischen und gesellschaftlichen Lage. Anfang 2023 beklagte er mangelnde Integration in Deutschland. Im Land gebe es, sagte er in der ZDF-Sendung "Markus Lanz", "Leute, die eigentlich in Deutschland nichts zu suchen haben, die wir hier seit längerer Zeit dulden, die wir nicht zurückschieben, die wir nicht abschieben und bei denen wir uns dann darüber wundern, dass es solche Exzesse gibt". So sprächen Väter Lehrern und vor allem Lehrerinnen jede Autorität über ihre Kinder ab, die im Grunde "kleine Paschas" seien.
Widerspruch gegen solche Äußerungen hört man aus der Spitze von CDU und Unionsfraktion nicht mehr. Nach dem Ende der Merkel-Jahre gingen viele jener politischen Wegbegleiter der früheren Kanzlerin, die für einen progressiveren Kurs standen.
Am ehesten bekommt der CDU-Chef Gegenwind aus der bayrischen Schwesterpartei CSU. Mit hoher Medienpräsenz treibt deren Spitzenmann Markus Söder - seitdem er beim unionsinternen Wettlauf um die Kanzlerkandidatur unterlag - Merz trotz vielfacher Loyalitätsadressen vor sich her. Der 69-Jährige hat seit dem Spätsommer 2024 manches von seiner Souveränität verloren. Das ein oder andere Mal korrigierte er eigene inhaltliche Aussagen wenig später.
Auf dem Berliner Parkett hat er aber dafür gesorgt, dass die Bundestagsfraktion, wie er sagt, in wesentlichen Teilen der deutschen Politik ihren Kurs neu bestimmt habe. Er habe "diesen Prozess parallel dazu auch in der CDU angestoßen, vorangetrieben und abgeschlossen mit dem neuen Grundsatzprogramm". Sein Fazit: "Damit sind wir wieder auf Kurs."
Mit all dem steht Merz für eine deutlich konservativer gewordene Union. Ähnlich wie vor 20 Jahren erwägt er nun eine Rückkehr zur Kernkraft und fordert eine restriktivere Migrationspolitik. Wie sehr für ihn die Scholz-Jahre der "Ampel-Koalition" schon der Vergangenheit angehören, verdeutlichte er in den Stunden nach dem Aus der Koalition von SPD, Grünen und FDP: "Die Ampel ist seit gestern Abend Geschichte, die Ampel ist nicht gescheitert an der FDP allein, sondern sie ist gescheitert an der von Anfang an fehlenden gemeinsamen Basis für ein Regierungsbündnis."
Merz will Scholz und seine Minderheitsregierung ablösen. Mit welchen Koalitionspartnern er das tun will, das bleibt vorerst offen.