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CDU-Chef Friedrich Merz wird Kanzlerkandidat der Union

17. September 2024

Die Unionsparteien CDU und CSU haben ein Jahr vor der Bundestagswahl einen Spitzenkandidaten. Die CDU mit neuer Stärke, die CSU mit den üblichen Verletzungen. Am Ende ging es schneller als geplant.

Friedrich Merz, ein Mann Mitte 60 bei einer Pressekonferenz
Friedrich Merz will Bundeskanzler werdenBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

"Wir sind wieder auf Kurs." Friedrich Merz soll Kanzlerkandidat der Unionsparteien CDU und CSU werden. Gemeinsam mit CSU-Chef Markus Söder, der sich zuletzt zusehends als Mitbewerber oder Gegenkandidat darstellte, gaben beide diese Einigung bekannt. Anfang kommender Woche sollen die Parteivorstände der beiden Schwesterparteien formell zustimmen. Ab dann ist Merz Kandidat und möglicher Widersacher von Kanzler Olaf Scholz bei den kommenden Bundestagswahlen.

Merz und Söder äußerten sich bei einem gemeinsamen Statement. Der CDU-Chef nannte in seinen Ausführungen zwei Politikbereiche, die ihm wichtig seien. Zunächst: Die Frage der Migration "bleibt ein großes Thema. Es wäre mein Wunsch, dass es nicht das Hauptthema im Bundestagswahlkampf 2025 wird." Merz meinte, dass die Union "die Bundesregierung auch zu der ein oder anderen Entscheidung bewegt" habe.

CDU und CSU schicken Merz ins Rennen um die Kanzlerschaft

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Der designierte Kandidat formuliert in knappster Form einen möglichen weiteren Regierungsauftrag: Im Zentrum müsse die Wirtschaftspolitik stehen. Gemeint ist die erneute Ausrichtung am Konzept der Sozialen Marktwirtschaft, das die Bundesrepublik historisch prägte. Es gehe um eine "Politik, die Deutschland wieder nach vorne bringt". Die wirtschaftliche Lage Deutschlands sei derzeit "prekär", so Merz.

Und Markus Söder?

"Wir rocken das gemeinsam", betonte Söder. Ganz ohne "Zähneknirschen" akzeptiere er das Ergebnis. Der CSU-Chef, der 2021 vor der Bundestagswahl den Streit der beiden Parteien um die Kanzlerkandidatenfrage massiv eskalieren ließ und spät gegen den damaligen CDU-Chef Armin Laschet zurückzog, machte schon mal klar, dass nach seiner Meinung allein die beiden Vorsitzenden von CDU und CSU mögliche Kanzlerkandidaten der Union seien. "Es gibt viele Ministerpräsidenten, aber nur zwei Vorsitzende der Union." Merz ist mit bereits 68 Jahren der älteste Kanzlerkandidat in Deutschland seit über 50 Jahren. 

Damit ist Merz am Zwischenziel eines Weges angekommen, den er Anfang 2022 mit der Übernahme des CDU-Vorsitzes begann. Der Weg soll weiter ins Kanzleramt führen. Dafür hat der wirtschaftsliberale Merz während der vergangenen 31 Monate viel getan.

Manches von dem, was er 2022 sagte, klingt heute sehr weit weg – wie seine frühe Beteuerung, die AfD in ihren Ergebnissen zu halbieren. Das hat die Union nicht geschafft. Einige der Kräfte, die er nach der Wahl zum Parteichef um sich scharte, schickte er bald wieder weg. Merz und sein Generalsekretär Carsten Linnemann kommen aus der nordrhein-westfälischen Gegend östlich des Ruhrgebiets. Diese Region ist geprägt vom Mittelstand, ländlich-touristisch und konservativ-katholisch.

Die Union machte zuletzt bei der Sicherheitspolitik Druck- seit einigen Tagen gibt es Stichprobekontrollen an allen deutschen GrenzenBild: IMAGO/Revierfoto

Merz prägte maßgeblich das neue Grundsatzprogramm der CDU und orientierte sich an der politischen Klugheit, solche Programmarbeit in Oppositionszeiten zu erledigen. Auf 75 Seiten des Papiers "In Freiheit leben – Deutschland sicher in die Zukunft führen" ging die CDU bei zahlreichen Punkten und eigentlich in der Grundmelodie damit auf Distanz zu 16 Jahren Merkel.

Merz positionierte die CDU deutlich konservativer. So beinhaltet das Programm eine konservative Leitkultur. Auch beim Thema Islam distanziert sich die CDU deutlicher von alten, liberaleren Einstellungen. Die CDU verschärfte programmatisch ihre Asyl- und Migrationspolitik und beschloss die schrittweise Wiedereinführung der derzeit pausierenden Wehrpflicht. Das Programm, so Merz, zeige, "wer wir sind, wo wir stehen, was wir wollen".

Merz und Merkel - und ein erzwungener Rückzug

Bei aller jetzigen Stärke gilt: Die Beziehung der CDU zu Merz hat durchaus etwas von einem Bühnenstück mit dramatischen Zügen. Er war, seit 1994 im Bundestag, einer der prominenten Verlierer gegen Angela Merkel auf deren Weg an die Macht. Nach der verlorenen Wahl 2002, entzog Angela Merkel Friedrich Merz den mächtigen Posten des Fraktionschefs im Bundestag. Merkel und Merz standen im alphabetischen Verzeichnis der Bundestags-Abgeordneten nahe beieinander. Aber nur dort. Sie verkörperten unterschiedliche Ausrichtungen der CDU. Der Wirtschaftsjurist Merz aus dem Sauerland war deutlich traditionell-konservativer als die ostdeutsche Konkurrentin, die promovierte Physikerin Merkel.

Er führte die Bundestagsfraktion, sie die Partei - Friedrich Merz und Angela Merkel im Sommer 2001Bild: Thomas Koehler/photothek/imago images

Merz schied schließlich 2004 schmollend aus der Parteiführung und 2009 ganz aus dem Bundestag und der Politik aus. In den Folgejahren machte er Karriere in der Wirtschaft. Von 2016 bis 2020 war er Aufsichtsratsvorsitzender des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock in Deutschland. Selten äußerte er sich zum Kurs der Merkel-Partei. Und wenn, dann distanziert-kritisch. Das Erscheinungsbild der Merkel-Regierung bezeichnete er einmal als "grottenschlecht".

Der Wiedereinstieg des ehemaligen Wirtschaftsmanagers in die Politik

Dann der Rückweg in die deutsche Politik nach Merkel; sein Streben an die Parteispitze. Zum Spitzenmann krönten die Christdemokraten Merz erst im dritten Anlauf. Zunächst unterlag er 2018 Annegret Kramp-Karrenbauer (Parteichefin von 2018 bis 2020), dann knapp Armin Laschet (Parteichef von 2020 bis 2021). Aber er wollte. Weiterhin. Die Niederlage Laschets als Kanzlerkandidat der Union bei der Bundestagswahl und die beginnende Aufarbeitung der Merkel-Jahre, bereiteten Friedrich Merz dann den Weg zum zehnten Vorsitzenden der Partei seit 1948.

Außenpolitisch wichtig ist: Merz ist "Transatlantiker", mehr als Europäer. Er spricht perfekt Englisch und war häufiger in den USA; ist dort zumindest wirtschaftspolitisch gewiss besser vernetzt als die meisten aktiven Bundespolitiker. 

Als Parteichef prägt und verändert Merz die CDU und den Kurs der Union insgesamt. Als Fraktionschef von CDU/CSU im Bundestag wird er – je länger, desto deutlicher – zum Gegenspieler des Lagers von Kanzler Olaf Scholz. Bei ihren Rededuellen im Parlament, zuletzt in der Haushaltsdebatte Anfang September, schenken die beiden sich nichts. Nach seltenen Treffen im Kanzleramt, zuletzt zum Thema Asyl und Migration, werden die Gegensätze eher schärfer. Deutlich ist, dass gut ein Jahr vor der Bundestagswahl der Kampf der beiden Kontrahenten immer offener ausgetragen wird. Auch vor dem Hintergrund des weiteren Erstarkens rechts- und linksextremistischer Strömungen und des Streits um die Migrationspolitik. 

Eigentlich wollte die Unionslager die K-Frage erst nach der Landtagswahl in Brandenburg am 22. September klären. Doch es kam anders. Den Schwung in die schon verfahren anmutende Situation hatte eine dritte Unions-Größe gebracht: Hendrik Wüst.

Kann warten: Hendrik Wüst, CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-WestfalenBild: Henning Kaiser/dpa/picture alliance

Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, erklärte kurz zuvor, dass er beim aktuellen Rennen der C-Parteien um die Kanzlerkandidatur nicht dabei sei. Der 49-Jährige betonte, dass er "aktuell und unter den gegebenen Umständen für die Kanzlerkandidatur der Union bei der Bundestagswahl 2025 nicht zur Verfügung stehe". Zugleich warb er für Friedrich Merz.

Damit war aus dem vermeintlichen Dreikampf ein Zweikampf geworden . Aber Wüsts Worte sind in einem deutlich. Sein "aktuell und unter den gegebenen Umständen" macht klar, dass er durchaus Ambitionen auf das Kanzleramt hat. Wüst, der jüngste der drei, kann warten. Abwarten bis zur nächsten Kanzlerkandidatenkür.

Einer konnte indes kaum abwarten und reagierte schon Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe des Unions-Kanzler-Kandidaten. "Es ist mir recht, wenn Friedrich Merz der Kanzlerkandidat der Union ist", sagte der Bundeskanzler auf einer Dienstreise. Für Olaf Scholz ist das schon ziemlich herzlich. 

 

Hinweis: In einer ersten Version wurde Friedrich Merz als "Chef der deutschen Niederlassung des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock" ab 2016 bezeichnet. Dies war nicht präzise. Merz war von 2016 bis 2020 Aufsichtsratsvorsitzender von Blackrock in Deutschland. 

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