1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Szenen einer konservativen Ehe

16. Juni 2018

Die konservativen Parteien CDU und CSU bilden im Bundestag eine Fraktionsgemeinschaft. Es ist eine fast ewige Beziehung. Mit gelegentlichen Fallstricken.

Deutschland Angela Merkel spricht mit Horst Seehofer
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die Meldung war ein Fake. Doch sie elektrisierte manche Journalisten und sorgte sogar bei den Währungskursen für ein leichtes Nachbeben. Der Redakteur der deutschen Satire-Zeitschrift "Titanic" lancierte mit einem falschen Twitter-Account die Meldung, die CSU kündige das Unionsbündnis im Bundestag mit der CDU auf.

Was ist eine Fraktionsgemeinschaft?

Parteien, die voneinander unabhängig sind, aber ähnliche politische Ziele verfolgen, können sich in einem Parlament in einer Fraktionsgemeinschaft zusammenschließen. Es gibt jedoch eine Einschränkung: Die Geschäftsordnung des Bundestages sieht vor, dass Politiker verschiedener Parteien gemeinsam eine Fraktion bilden können, wenn sie "auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen".

Bild: picture-alliance/dpa/T. Hase

Das bekannte Beispiel ist der Zusammenschluss von CDU und CSU im Bundestag, die seit 1949 jeweils gemeinsam die Unions-Fraktion bilden. Das funktioniert nach dem Grundsatz: Ich wildere nicht in deinem Garten, du nicht in meinem. Also: Die CSU tritt als Regionalpartei nur in Bayern zur Bundestagswahl an, die CDU in allen anderen Bundesländern.

Bis 1969 musste der Bundestag diese Fraktionsgemeinschaft jeweils zu Beginn einer Wahlperiode genehmigen. Diese Genehmigungspflicht wurde 1969 auf Betreiben der Unionsparteien abgeschafft. Daneben gab es nur durch die deutsche Wiedervereinigung kurzzeitige Fraktionsgemeinschaften im Bundestag und im Berliner Abgeordnetenhaus. Und auf kommunaler Ebene gibt es in jüngerer Zeit mehrfach Fraktionsgemeinschaften.

Miteinander und gegeneinander... Helmut Kohl und Franz-Josef Strauß Bild: Heinz Engels

Die Unionsfraktion also immer ein Herz und eine Seele?

Mitnichten. Immer mal wieder grummelt es in der eingespielten Unions-Zusammenarbeit. Legendär in Deutschland ist der "Kreuther Trennungsbeschluss" der CSU vom  November 1976. Damals kündigte im bayerischen Wildbad Kreuth CSU-Chef Franz Josef Strauß - bis heute so etwas wie die mythische Gestalt der Christsozialen - nach der Bundestagswahl die Fraktionsgemeinschaft mit der Schwesterpartei im Bundestag auf. Denn die Union war der von Kanzler Helmut Schmidt geführten SPD bei der Wahl unterlegen. Und Strauß wollte es dem CDU-Chef Helmut Kohl, der die Opposition im Bundestag anführte, zeigen und die CSU als vierte Partei neben SPD, CDU und FDP bundesweit etablieren. Strauß und Kohl - sie waren einander ähnlich zugewandt wie Seehofer und Merkel. Beide brauchten einander und wertschätzten sich nicht. Auf den "Trennungsbeschluss" reagierte die CDU-Seite kühl und drohte die Gründung eines CDU-Landesverbandes Bayern an. So war der CSU-Aufstand nach vier Wochen vorbei. Aber "Kreuth" bleibt für hartgesottene CSU'ler ein Mythos.

CDU-Chefin und Kanzlerin Merkel zu Gast bei CSU-Chef Seehofer 2016 in Wildbad Kreuth 2016Bild: Getty Images/J. Simon

Wie wird eine Fraktionsgemeinschaft vereinbart?

Nach "Wildbad Kreuth" 1976 geht es formeller zu. Es gibt seitdem eine "Vereinbarung über die Fortführung der Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU und CSU". Der letzte der zehn Punkte in dem Dokument, das die Parteivorsitzenden Angela Merkel und Horst Seehofer am 26. September 2017, zwei Tage nach der Bundestagswahl, unterzeichneten, thematisiert die Frage einer abweichenden CSU-Haltung in Grundfragen. Dort heißt es: "Grundsätzliche politische Entscheidungen der CDU/CSU-Fraktion erfolgen nur im Einvernehmen zwischen beiden Gruppen. Die CSU-Gruppe kann eine von der Mehrheit der Fraktion abweichende Meinung in einer Frage von besonderer Bedeutung im Bundestag selbstständig vertreten, wenn sie nach der Erörterung der Frage in der Fraktion dieses Verlangen stellt." Die CDU-Spitze erkennt also an, dass die bayrische Schwester-(Partei) im Bundestag nach Absprache in der Fraktion abweichend abstimmen kann.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen