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Politik

CDU, CSU und SPD einigen sich im Asylstreit

Marina Strauß
6. Juli 2018

Wochenlang haben die Regierungsparteien um die Ausrichtung der deutschen Migrationspolitik gerungen. Jetzt ist der Streit beigelegt. Doch die Umsetzung der Asylpolitik könnte schwierig werden. Marina Strauß aus Berlin.

Deutschland Asylstreit Koalitionsausschuss Nahles und Scholz
Olaf Scholz: "Wir haben immer darauf bestanden, dass es nur europäisch abgestimmtes Vorgehen gibt."Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Jeder zeigt seine Freude über den Kompromiss auf seine Weise: Der Eine, Horst Seehofer, beschreibt sich als "sehr zufriedener Bundesinnenminister", der Andere, SPD-Vize Olaf Scholz, lobt das Ende des vorgezogenen "Sommertheaters".

Nach wochenlangem Streit, einer Rücktrittsdrohung und dem Rücktritt davon einigten sich die drei Parteien der Großen Koalition in einem Koalitionsausschuss auf ein zweiseitiges Papier, das mit "Ordnung und Steuerung in der Migrationspolitik" betitelt ist. Konkret geht es bei dem Kompromiss von Angela Merkels CDU, der bayerischen Schwesterpartei CSU und der SPD vor allem darum, an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich Migranten abzufangen und - falls sie schon in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben - wieder dorthin zurückzuschicken.

Ende einer Regierungskrise

Bisher war nicht klar, ob die Sozialdemokraten einen Anfang der Woche beschlossenen Deal der beiden konservativen Schwesterparteien mittragen würden. Der größte Streitpunkt war dabei vor allem das von Innenminister Seehofer angekündigte "neue Grenzregime" mit sogenannten "Transit-Zentren" - ein Begriff, mit dem "unser Koalitionspartner Schwierigkeiten hat", sagte er, als er nach dem Koalitionsausschuss am Donnerstagabend vor die Presse trat. Der SPD zuliebe sprechen nun also alle von "Transit-Verfahren", einem Prozess, den laut Seehofer nur Geflüchtete durchlaufen sollen, die schon in einem anderen Land Asyl beantragt haben.

Horst Seehofer zeigt sich "sehr zufrieden" mit dem KompromissBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Das gesamte "Transit-Verfahren" soll gemäß deutschem Recht höchstens 48 Stunden dauern und in der Nähe der Grenze in Einrichtungen der Bundespolizei stattfinden. Viele werden es aber nicht sein, die diese Verfahren eventuell durchlaufen. "Was die Größenordnung betrifft, rechnen wir damit, dass es nie mehr als zehn, eher weniger sein werden", sagte Vizekanzler Scholz. Aktuelle Zahlen besagen, dass in den ersten drei Monaten dieses Jahres 248 Menschen an der deutsch-österreichischen Grenze Asyl beantragt haben.

Seehofer: "Sie sind nicht in Haft"

Andrea Nahles betonte, es werde "keinerlei Lager" geben. Die SPD-Chefin reagiert damit auf die Kritik der vergangenen Tage. Mitglieder ihrer eigenen Partei und Teile der Opposition hatten der CDU und ihrer bayerischen Schwester vorgeworfen, an der deutsch-österreichischen Grenze Haftlager für Geflüchtete errichten zu wollen. Seehofer widersprach diesem Vorwurf vehement: "Sie sind nicht in Haft", sagte er. "Es gibt einen Grund, nicht einreisen zu dürfen in die Bundesrepublik Deutschland, aber die Person kann sich an jeden anderen Ort der Welt hinbewegen."

Aus Seehofers Sicht wäre "dieser andere Ort der Welt" am besten das EU-Land, in dem Geflüchtete schon Asyl beantragt haben. Doch das dürfte nach aktuellem Stand nicht allzu einfach werden. Bisher lehnt zum Beispiel Österreich es ab, Asylbewerber zurückzunehmen, die in Deutschland abgewiesen werden und bei denen der EU-Staat, in dem sie Asyl beantragt haben, einen Rücknahme verweigert. Auch Ungarns Präsident Victor Orban ließ sich bisher nicht zu Zugeständnissen bewegen. Und eine entsprechende Vereinbarung mit dem wichtigsten Einreiseland Italien scheint nahezu ausgeschlossen, nachdem die Regierung in Rom bereits abgeblockt hat.

Hoffnung auf bilaterale Abkommen

Als Seehofer nach dem Koalitionsausschuss von einer Journalistin gefragt wird, was passiert, wenn ein Abkommen mit Italien nicht klappt, sagt er nur: "Ich habe mich nie mit Szenarien beschäftigt, die noch gar nicht da sind - und möglicherweise überhaupt nie eintreten." Mit einer Alternative beschäftige man sich erst, wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, eine kooperative Lösung zustande zu bringen. Einen Ausweg aus dem Dilemma erhofft der Innenminister sich von einem trilateralen Gespräch mit Italien und Österreich am kommenden Mittwoch.

Und SPD-Chefin Nahles stellt klar, dass die gefassten Entschlüsse nur in Kraft treten können, wenn es tatsächlich "bilaterale Abkommen" mit anderen Ländern gebe. Und obwohl diese Vereinbarungen mit einigen Ländern in weiter Ferne scheinen, hält Nahles den Kompromiss mit CDU und CSU am Donnerstagabend für eine "gute Lösung". Als Erfolg präsentiert die SPD auch, dass noch in diesem Jahr ein Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht werden soll, mit dem Deutschland den Zuzug ausländischer Fachkräfte regeln will.

Angela Merkel äußerte sich nach der Einigung noch nicht zu dem Kompromiss. Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Wo vor nur wenigen Tagen noch von Regierungskrise, Rücktritt des Innenministers und Koalitionsbruch die Rede war, scheint nun alles harmonisch. Wer sich direkt nach der Einigung nicht zum Kompromiss äußerte, war Angela Merkel. Doch es wird wohl letztlich an ihr sein, diese Abkommen auszuhandeln. Was auch Horst Seehofer unterstrich: Letzten Endes läge die Verantwortung für Rücknahmevereinbarungen mit anderen Ländern bei der Kanzlerin.

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