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CDU-Grundsatzprogramm: Distanz zum Islam

12. Dezember 2023

Lange Zeit war für die CDU klar: Der Islam ist fester Bestandteil des Lebens in Deutschland. Der neue Entwurf des CDU-Programms rückt davon ab. Muslimverbände sind empört.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann (r.), Vorsitzender der Programm- und Grundsatzkommission und die stellvertretenden Vorsitzenden Serap Güler und Mario schauen in die Kamera. Die in der Mitte stehende Serap Güler hält das Programm in der Hand.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann (r.), Vorsitzender der Programm- und Grundsatzkommission und die stellvertretenden Vorsitzenden Serap Güler und Mario Voigt bei der Vorstellung des GrundsatzprogrammsBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

70 Seiten stark ist der Entwurf für das neue Grundsatzprogramm der CDU, der großen konservativen Partei Deutschlands. Am 11. Dezember wurde der Entwurf nach langen Debatten im Präsidium der Partei angenommen; endgültig beschlossen werden soll das Programm Mitte 2024 auf einem Parteitag. Aber schon jetzt hat vor allem eine Passage für große Aufmerksamkeit gesorgt: die über den Islam in Deutschland.

Dort heißt es: "Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland." Weiter geht es im Text: "Alle, die hier leben wollen, müssen unsere Leitkultur ohne Wenn und Aber anerkennen." Dann zählt der Entwurf auf, was alles zu dieser Leitkultur gehört: Die Achtung der Würde jedes Menschen, die Grund- und Menschenrechte, der Rechtsstaat, und auch das Existenzrecht Israels. Und weiter: "Nur wer sich zu unserer Leitkultur bekennt, kann sich integrieren und deutscher Staatsbürger werden."

Merkel: "Der Islam gehört jetzt zu Deutschland."

So viele Einschränkungen und Bedingungen hielt die CDU bis vor kurzem noch nicht für nötig. Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel, damals auch Vorsitzende der konservativen Partei, sagte im Jahr 2015 kurz und knapp: "Der Islam gehört zu uns, weil wir hier Millionen von Muslimen haben." Und drei Jahre später bekräftigte Merkel: "Und diese Muslime gehören auch zu Deutschland. Und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam."

CDU-Chef Merz will, dass sich Muslime zur "deutschen Leitkultur" bekennen.Bild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance

Das ist tatsächlich so; die Zahlen belegen es: So listet etwa eine Studie der Deutschen Islam-Konferenz  auf, dass zwischen 5,3 und 5,6 Millionen Muslime in der Bundesrepublik leben (einschließlich alevitischer Religionsangehöriger). Das entspricht zwischen 6,4 und 6,7 Prozent der Gesamtbevölkerung von 83,1 Millionen. Eigentlich ist also geklärt, dass der Islam zu Deutschland gehört. Das hatte, damals noch von heftigen Debatten begleitet, bereits 2010 der frühere Bundespräsident Christian Wullf, ebenfalls CDU, festgehalten. Am Tag der Deutschen Einheit, am 3. Oktober, sagte er: "Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland."

Polarisierung in der Gesellschaft schreitet voran

Nicht alle konservativen Kräfte in Deutschland fanden das damals gut, vor allem nicht, dass der Bundespräsident den Tag der Einheit für diese Festlegung nutzte. Aber Merkel und auch mit großer Mehrheit die damalige CDU standen zu Wulff, der bis heute bei Muslimverbänden wegen seiner Sätze von damals hohen Respekt genießt.

Alltag In Deutschland: Im April feiern Muslime das Zuckerfest in einer bosnischen Moschee in Köln.Bild: Mehmed Smajic /DW

Aber die Situation ist heute eine andere: Seit Dezember 2021 ist die CDU in der Opposition, neuer Parteichef ist Friedrich Merz, ein alter Widersacher Merkels und ihrer Politik. Zeitgleich ist die rechtpopulistische "Alternative für Deutschland" (AfD) immer stärker geworden, die Gesellschaft polarisiert sich auch in Deutschland immer mehr. Und seit dem Angriff der terroristischen Hamas auf Israel am 7. Oktober diesen Jahres sind antisemitische Übergriffe in Deutschland immer häufiger geworden, verursacht auch von hier lebenden Muslimen, immer aber noch hauptsächlich von extrem rechten Kräften.

Naturgemäß trifft die jetzige Kurskorrektur der CDU bei anderen Parteien auf wenig Verwunderung, etwa bei den Grünen. Deren Bundestagsabgeordneter Robin Wagener sagte der DW: "Die Aussage, der Islam gehöre zu Deutschland, war ein mutiger Schritt von Christian Wulff als Bundespräsident damals. Und es wundert mich nicht, dass die CDU unter ihrem derzeitigen Kurs eine Abkehr davon macht."

"Der Islam gehört zu Deutschland!" Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Muslimischer Zentralrat: "CDU fischt am rechten Rand"

Heftig haben die Muslimverbände auf die Neuausrichtung der CDU reagiert: Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, unterstellte der CDU im Gespräch mit dem Magazin "Stern", am rechten Wählerrand zu fischen. "Spicken bei der AfD war schon in der Schule nicht besonders klug", sagte Mazyek. "Im Übrigen wird erfahrungsgemäß der Wähler am Ende das Original wählen." Also die AfD. Der Zentralrat gehört zu den vier großen Muslimverbänden in Deutschland,´. Ihm gehören bundesweit etwas 300 Moscheevereine an.

Auch der deutsche Islamrat, dem rund 400 Moscheegemeinden in Deutschland angehören, reagierte empört: "Solche Diskussionen sind ausgrenzend und führen zu Verwirrung", kritisierte der Ratsvorsitzende Burhan Kesici, ebenfalls im "Stern". Kesici fragte: "Um welche Werte handelt es sich hier?" Die Textpassage im CDU-Programm suggeriere, "dass Muslime die Werte in Deutschland ablehnen würden."

CDU: Verbände vertreten die Muslime kaum 

Für die Muslimverbände hat der CDU-Programmentwurf noch eine weitere Spitze parat. Im Text heißt es, viele Muslime hätten in Deutschland seit Jahrzehnten eine neue Heimat gefunden: "Die wenigsten von ihnen sind in den großen islamischen Verbänden organisiert. Wir unterstützen deutsche Muslime dabei, sich in Deutschland zu organisieren." Mitte der Woche konkretisierte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann im Sender RTL: "Wenn wir zu unseren Werten nicht stehen, dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn die, die zu uns kommen, uns nicht ernst nehmen." Moscheen sollten nicht aus dem Ausland finanziert und Imame nicht von dort entsendet werden.

 

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