1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

CDU stärkste Kraft bei Landtagswahl in Bremen

26. Mai 2019

Historische Wende an der Weser: Zum ersten Mal seit 73 Jahren liegt die SPD in Bremen nicht mehr vorn. Ein Newcomer von der CDU gewinnt die Wahl. Auswirkungen werden auch für die Bundespolitik erwartet.

Deutschland | Bürgerschaftswahl Bremen |  Carsten Meyer-Heder CDU
CDU-Spitzenkandidat Meyer-Heder erreichte sein Ziel auf AnhiebBild: picture-alliance/dpa/H.-C. Dittrich

Die CDU kommt nach der landesweiten Hochrechnung des Wahlleiters auf 25,3 Prozent, die SPD auf 23,8 Prozent. Die Grünen erreichten 17,1 Prozent. Die FDP liegt demnach bei 5,6 Prozent, die Linke bei 10,4 Prozent und die AfD bei 5,5 Prozent. Das vorläufige amtliche Endergebnis wird erst für Mittwoch erwartet, die Abweichung von der Hochrechnung ist erfahrungsgemäß aber sehr gering.

CDU-Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder ließ sich schon nach den ersten Prognosen von seinen Anhängern feiern. "Ich will Bürgermeister werden", betonte der IT-Unternehmer. Er strebt ein Jamaika-Bündnis mit Grünen und FDP an. Die Grünen hätten eine starke Position, weil sie sowohl mit der CDU als auch der SPD verhandeln könnten, sagte Meyer-Heder. Die SPD mit ihrem amtierenden Bürgermeister Carsten Sieling habe aber den klaren Auftrag erhalten, nicht länger zu regieren. 

Auch Grünen-Chef Habeck sieht "Regierungsauftrag"

Seit über 70 Jahren haben die Sozialdemokraten in dem Stadtstaat den Bürgermeisterposten inne. Allerdings hatte die Bremer SPD schon 2015 einen historischen Tiefstwert erreicht - von den damals erreichten 32,8 Prozent geht es nun noch einmal deutlich abwärts. Sieling sagte nach der erneuten Schlappe: "Die Zahlen sind durchaus enttäuschend." Persönliche Konsequenzen lehnte er in einer ersten Reaktion ab. SPD-Bundeschefin Andrea Nahles sagte: "Rot-rot-grün ist in Bremen möglich." Die Grünen stünden nun vor einer Richtungsentscheidung. "Wollen sie eine progressive Mehrheit, ja oder nein?" Auf ein Bündnis mit SPD und Grünen setzt auch die Linke. Es gebe "deutliche Übereinstimmungen". 

Bürgermeister Sieling - hier mit seiner Ehefrau bei der Stimmabgabe - will keine große Koalition Bild: picture-alliance/dpa/C. Gateau

Der Grünen-Bundesvorsitzende Robert Habeck sieht im "starken Ergebnis" der Bürgerschaftswahl einen "Regierungsauftrag ohne Frage". Die Wahl in Bremen als Signal für Klimaschutz und den Zusammenhalt in der Hansestadt habe auch Auswirkungen auf die Atmosphäre in der Bundespolitik, sagte Habeck. Grünen-Spitzenkandidatin Maike Schaefer hatte sich offen gezeigt für eine mögliche Dreier-Koalition in Bremen, aber keiner Variante den Vorzug gegeben. 

Rund 482.000 Frauen und Männer waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Gewählt werden durfte ab 16 Jahren. Die Beteiligung stieg laut dimap auf 66 Prozent. Vor vier Jahren lag die Wahlbeteiligung bei 50 Prozent. Derzeit gibt es in der Bürgerschaft die Fraktionen SPD, CDU, Grüne, Linke und FDP. Drei Sitze haben zudem die Rechtspopulisten "Bürger in Wut". Fraktionslos belegen die AfD und andere vier Mandate. Laut den letzten Umfragen könnte die AfD künftig mit mindestens fünf Abgeordneten im Landtag vertreten sein.

Nur der Vorname ist gleich

Die beiden Spitzenkandidaten von CDU und SPD haben den gleichen Vornamen - doch größer ist die Schnittmenge nicht. Herausforderer Carsten Meyer-Heder war erst im Frühjahr 2018 in die CDU eingetreten. Mit seiner Vita als Quereinsteiger und Neuling auf dem politischen Parkett warb der 58-Jährige offensiv. "Ich bin kein Politiker", betonte er immer wieder. An Selbstbewusstsein mangelt es dem bisherigen Software-Unternehmer nicht. Und so peilte er vor der Landtagswahl auch "ein Ergebnis um die 30 Prozent" für seine Christdemokraten an - was er nun klar verfehlte. 

CDU-Spitzenkandidat Meyer-Heder bei der Stimmabgabe Bild: picture-alliance/dpa/H.-C. Dittrich

Der Vater dreier schulpflichtiger Kinder war mit dem Ziel angetreten, die Herrschaft der Sozialdemokraten zu brechen. Seit 1945 stellt die SPD in Bremen kontinuierlich den Bürgermeister, mal mit absoluter Mehrheit, mal in Koalitionen.

Der 60-jährige amtierende Bürgermeister Carsten Sieling bekräftigte bei der Abgabe seiner Stimme nochmals sein Nein zu einer Zusammenarbeit mit der CDU nach der Wahl. Er setzte auf die Fortsetzung seiner rot-grünen Regierungskoalition. Auch ein Dreierbündnis von SPD, Grünen und Linken sei denkbar. 

Auswirkungen auf die Bundes-SPD? 

Der wahrscheinliche Verlust des Bürgermeisteramtes in Bremen und das schwache Abschneiden der SPD bei der Europawahl könnte bei den Sozialdemokraten Erschütterungen bis nach Berlin auslösen: Laut Medienberichten will der frühere SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz Andrea Nahles an der Spitze der Bundestagsfraktion ablösen. Dies habe Schulz Vertrauten aus der Fraktion fest zugesagt, schreibt "Bild am Sonntag". "Martin verspricht ganz klar, dass er gegen Andrea antreten wird. Er hat nichts mehr zu verlieren", zitiert das Blatt einen Abgeordneten. Schulz habe darüber mit Nahles, die auch SPD-Parteichefin ist, direkt gesprochen.

Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" sowie das Magazin "Der Spiegel" berichten ebenfalls von solchen Plänen. Laut "Spiegel" will Schulz aber nicht gegen Nahles bei der Neuwahl des Vorstands der Fraktion im September antreten, sondern setze auf deren Rückzug.

Klingbeil warnt vor Diskussion über Nahles

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warnte nach der Pleite der Sozialdemokraten vor einer Debatte um die Zukunft von Parteichefin Nahles. "Ich rate davon ab, Personaldiskussionen zu führen", sagte Klingbeil am Sonntagabend im ZDF. Es sei für die Wahlkämpfer der SPD irritierend gewesen, dass kurz vor dem Wahlsonntag Putschgerüchte gegen Nahles aufgekommen seien. 

Nahles selbst sprach in einer ersten Reaktion von einem "extrem enttäuschenden" Ergebnis. Doch die SPD müsse selbstbewusst in die Zukunft schauen. Es gebe noch viel zu tun - so die SPD-Chefin weiter - auch im Hinblick auf den Klimaschutz.

SPD-Chefin Nahles versucht, ihren Genossen Mut zu machen Bild: Reuters/F. Bensch

Für die bundesweite politische Stimmungslage sind auch die Kommunalwahlen an diesem Sonntag in zehn Bundesländern von Bedeutung. Hier geht es etwa um die Fragen, ob die SPD in der Fläche Stimmen verliert und ob die AfD erstmals Bürgermeister-Posten in ostdeutschen Städten erobern kann.

Es warten immense Aufgaben

Eins steht jetzt schon fest, auf den künftigen Bürgermeister der Hansestadt warten gewaltige Aufgaben. In den meisten Ländervergleichen steht Bremen am Ende der Tabelle. Die Schulden liegen bei 21,6 Milliarden Euro - das Bundesland hat landesweit die höchste Pro-Kopf-Verschuldung und eine Arbeitslosenquote von mehr als neun Prozent (deutschlandweit: 4,9 Prozent), jedes dritte Kind lebt von staatlicher Unterstützung. Außerdem gibt es Forderungen, die innere Sicherheit zu verstärken und das Bildungssystem zu verbessern.

haz/se/rb (ard, zdf, dpa, afp, rtr)