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PolitikAsien

Chamenei erhielt angeblich iranischen Impfstoff

30. Juni 2021

Wegen der "nationalen Ehre" hat Irans religiöser Führer bis jetzt mit einer Covid-Impfung gewartet: Ein iranischer Impfstoff erhielt eine Notfall-Zulassung.

Coronavirus Iran | Impfung Ali Chamenei
Bild: Iranian Supreme Leader's Office/dpa/picture alliance

Die Bilder und die Videos von der Impfung des religiösem Führers wurden  vom Staatsfernsehen, von allen Zeitungen und in den sozialen Netzwerken veröffentlicht. "Es geht um die nationale Ehre", teilte das Büro von Ayatollah Ali Chamenei vergangenen Freitag mit. Chamenei habe den Impfstoff Coviran Barekat erhalten, der in der Islamischen Republik entwickelt wurde.

Er sei nicht an einem Präparat aus dem Ausland interessiert gewesen und habe gewartet, bis ein Impfstoff aus dem Iran bereit stand. Wegen eines akuten Mangels an Corona-Impfstoffen, so die offizielle Begründung, hat die Regierung Mitte Juni Coviran Barekat eine Notfallzulassung erteilt.

Unklarheit über Eigenschaften des iranischen Impfstoffs

"Wir wissen gar nichts über die Wirksamkeit des Coviran Barekat-Präparats", sagt Mehrnoosh Jafari im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die Expertin für klinische Neuroimmunologie an der Universität München analysiert seit langem die iranischen Corona-Impfstoff-Studien für einen Podcast in persischer Sprache zum Thema Pandemie.

Laut iranischem Gesundheitsministerium forschen sieben Institute momentan an der Entwicklung von Impfstoffen gegen das neue Coronavirus. Bis jetzt seien sechs einheimische Impfstoffe in die klinische Phase eingetreten.

Viele Iraner warten noch auf ihre Corona-Impfung Bild: Ahmad Halabisaz/Xinhua/picture alliance

"Die Ergebnisse der klinischen Phase der Coviran Barekat-Tests wurden nicht veröffentlicht," sagt Jafari im Gespräch mit der DW und fügt hinzu: "Im Vorbericht, der für den Antrag auf eine Notfallzulassung vorgelegt wurde, fehlen Daten und Information über die Untersuchungsmethoden und die genaue Zahl der Probanden. Wir wissen nichts über die menschliche Immunantwort auf den Impfstoff. Zum Beispiel ob und wenn ja wie viele Antikörper gegen das Virus im Blut nachgewiesen wurden und welche möglichen Nebenwirkungen festgestellt wurden."

Wirtschaftliche Verbindungen des religiösen Führers

Ob der 82-jährige Chamenei tatsächlich mit dem iranischen Corona-Impfstoff geimpft wurde, fragen sich viele Iraner, die kaum mehr Vertrauen in das Pandemie-Management ihres Landes haben. Das allgemeine Misstrauen in der Gesellschaft wurde vor allem durch die ständige Verbreitung von falschen Informationen durch die Behörden verstärkt: vom Leugnen der Pandemie am Anfang und Kleinreden der notwendigen Hygiene- und Quarantänemaßnahmen bis zu Verschwörungstheorien über mRNA-Impfstoffe. Chamenei, der seit Februar 2020 unter strengsten Hygienemaßnahmen lebt, bezeichnete nicht nur das Coronavirus als biologische Waffe der USA, er verbot sogar den Import von Impfstoffen von dort.

Der Coviran Barekat-Impstoff, den er erhalten haben soll, wurde im Barekat-Institut entwickelt. Dieses Institut gehört zum Mischkonzern Setad, mit vollem Namen "Setad Ejraiye Farmane Hazrate Emam" oder "Hauptquartier zur Durchsetzung der Befehle des Imams", also Chameneis. Über diesen Konzern kontrolliert das Büro von Ayatollah Chamenei weite Teile der iranischen Wirtschaft.

Die Ergebnisse der klinischen Phase der Coviran Barekat-Tests wurden nicht veröffentlichtBild: Mostafa Roudaki/Miznan

Das Barekat-Institut, das nach eigenen Angaben demnächst drei Millionen Impfdosen pro Woche produzieren will, verkauft eine Impfstoff-Dosis an die Regierung für umgerechnet sieben Euro.

Mangel an Impfdosen nur vorgeschoben?

Der Iran hat sich bereits vor der Notfallzulassung des eigenen Vakzins aus diversen ausländischen Quellen von Corona-Impfstoffen bedient. Im Februar erhielt das Land über die die Covax-Initiative der Vereinten Nationen 4,2 Millionen Dosen des Impfstoffs von AstraZeneca für 2, 50 Euro pro Dosis. Bereits im Januar hatte Teheran ein Kauf- und Produktionsabkommen für den russischen Impfstoff Sputnik V mit Russland unterzeichnet. Bis April wurden laut offiziellen Informationen 60 Millionen Dosen Sputnik V bestellt. Und im Dezember hatte das iranische Pasteur-Institut ein Abkommen mit dem Finlay Vaccines-Institut in Kuba unterzeichnet, um dessen Impfstoffkandidaten Soberana 02 im Iran ergänzend testen und produzieren zu können.

Der iranische Ethikrat hat sich gegen eine Notzulassung für Coviran-Barekat ausgesprochen. "Die Begründung, ein akuter Mangel an Corona-Impfstoffen, ist nicht nachvollziehbar", steht in einem Brief des iranischen Ethikrats an das Gesundheitsministerium. In diesem Brief, der  in sozialen Netzwerken kursiert, fordern die Wissenschaftler eine unabhängige Überprüfung des Coviran- Impfstoffes vor der Zulassung. Dieser  Appell wurde von Gesundheitsminister Saeed Namaki ignoriert. Nach einer Sitzung mit dem Barekat-Institut sagte er Mitte April vor Journalisten: "Die Ergebnisse der zweiten Phase der Studie liegen zwar nicht vor, ich bin aber mir sicher, dass alles gut geht und wir ab Juni mit der Massenproduktion der einheimischen Impfdosen beginnen können."

Misstrauen und Polemik

Für das Missmanagement der Corona-Pandemie fühlt sich weder Namaki noch sein Ministerium verantwortlich. Kianush Dschahanpour, Leiter des Kommunikationsbüros des Gesundheitsministeriums, beschimpfte die Kritiker des Pandemie-Mangements als eine kleine Gruppe von Ignoranten und löste wie zu erwarten einen Shitstorm in den sozialen Netzwerken aus.

Viele Iraner sind wegen langer Warteschlagen von den Impfzentren wütend. Vor allem ältere Menschen, die laut nationalem Impfplan zuerst die erste Dosis erhalten haben, müssen wegen der schlecht organisierten Impfstoffverteilung für ihre Zweitimpfung mehrere Stunden vor den Impfzentren warten. 

Mit den Impfdosen von AstraZeneca und Sputnik wurden bis jetzt lediglich 1,2 Millionen Iraner vollständig geimpft. Von den 83 Millionen Einwohnern des Landes haben erst 5,7 Millionen die erste Dosis erhalten. Offiziell wurden bislang 85.000 Todesfälle in Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung verzeichnet. Wegen geringer Testkapazitäten zweifeln aber selbst die Behörden an dieser  Zahl.