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Chamenei geht auf Reformer zu

14. Januar 2004

Nachdem die Lage in Iran wegen des Ausschlusses von Reformpolitikern bei den Wahlen zu eskalieren drohte, hat Landesführer Chamenei sich für eine Lösung eingesetzt. Proteste im Land gehen trotzdem weiter.

Sitzstreik im iranischen ParlamentBild: AP

Im Streit um den Ausschluss führender Reformpolitiker von der Parlamentswahl in Iran zeichnet sich eine Lösung ab. Der oberste Führer der islamischen Republik, Ajatollah Ali Chamenei, ordnete am Mittwoch (14.1.2004) die Überprüfung der Entscheidung durch den Wächterrat an, wie das staatliche Fernsehen berichtete. Der von konservativen Klerikern beherrschte Wächterrat hatte am Sonntag zuvor rund 80 reformorientierten Abgeordneten eine erneute Kandidatur bei der Wahl am 20. Februar 2004 untersagt. Insgesamt wurden bislang mehr als 3500 Bewerber ausgeschlossen.

Die Reformpartei reagiert auf die Ankündigung

Bei einem Treffen mit Mitgliedern des Wächterrats sagte Chamenei, zumindest die Kandidaturen der derzeitigen Parlamentsmitglieder sollten bestätigt werden. Die Entscheidung des Wächterrats hatte zu massiven Protesten im Parlament geführt. Nach Bekannt werden der Intervention Chameneis sagte die führende Reformpartei IIPF eine für Donnerstag (15.1.2004) geplante Kundgebung in Teheran ab. Das sagte Parteisprecher Saaid Schariati der studentischen Nachrichtenagentur ISNA. Auch dem IIPF-Vorsitzenden und Präsidentenbruder Mohammed-Resa Chatami war eine Kandidatur verboten worden.

Der Streit um die Zulassung der Reformkandidaten hatte am Mittwoch zu eskalieren gedroht. Abgeordnete ignorierten allerdings einen Aufruf von Staatspräsident Mohammed Chatami zum Ende ihrer Proteste. Sie beschlossen einstimmig, ihren Sitzstreik im Parlament fortzusetzen, wie der stellvertretende Parlamentspräsident Behsad Nabawi mitteilte. Chatami hatte durch einen Sprecher Medienberichte zurückweisen lassen, nach denen der Präsident wegen des Konflikts zum Rücktritt bereit sei. Er selbst warnte vor ausländischer Einmischung in den Konflikt. Erst am Mittwoch hatte der französische Außenminister Dominique de Villepin bei einem Besuch in Bahrain freie Wahlen in Iran gefordert. Kritik an dem Ausschluss der Reformkandidaten hatten auch die USA und die EU geäußert.

Stimmenthaltungen befürchtet

Chatami, dessen zweite und letzte Amtszeit als Staatspräsident 2005 zu Ende geht, hatte sich bisher gescheut, es auf eine offene Konfrontation mit den Konservativen ankommen zu lassen, obwohl seine Reformer - unter der Führung seines Bruders Mohammed-Resa - die große Mehrheit im Parlament ausmachen. Solche Zurückhaltung hatte dazu geführt, dass sich in der Wählerschaft so viel Enttäuschung breit machte, dass für die Wahlen im Februar eine massive Stimmenthaltung und als Folge ein Sieg der Konservativen erwartet wurde.

Die bisherige Disqualifizierung der meisten und wichtigsten Reformkandidaten könnte das Blatt nun wenden, denn die politische Apathie der vergangenen Monate schlägt jetzt in eine aktive und engagierte politische Konfrontation um, die selbst vor Tabuthemen nicht Halt macht. So wird zum ersten Mal auch recht offen Kritik an Chamenei als am oberstem Führer des Landes geübt. Mohsen Kadivar, selbst Geistlicher, aber nicht Mitglied des konservativen Lagers, sagt offen: "In diesem Fußballspiel hat der Trainer des einen Teams dem anderen die rote Karte gezeigt, bevor das Spiel begonnen hat." Solche Kritik an Chamenei wäre bis vor kurzem noch als eine Art Gotteslästerung betrachtet worden, inzwischen mehren sich aber die Stimmen, die eine Einmischung der obersten Autorität des Staates kritisieren.

Machtinstrument Wächterrat

In Iran entscheidet der zwölfköpfige Wächterrat vor Wahlen über die ideologische und religiöse Zuverlässigkeit von Bewerbern um eine Kandidatur und damit über deren Zulassung. Der oberste Führer Chamenei hat in allen Staatsangelegenheiten das letzte Wort. Der Rat ist damit ein wirkungsvolles Machtinstrument der Konservativen, die mit seiner Hilfe jeden Ansatz zu Reform und mehr Liberalität hintertreiben können und sich keine Sorgen um Mehrheiten im Parlament zu machen brauchen. (kap)

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