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Lissabon: Entspannt vor dem Finale

Andy May aus Lissabon
21. August 2020

Vor dem Endspiel in der Champions League ist in Lissabon fast alles wie immer. Nur wenige Fans fiebern dem Duell des FC Bayern mit PSG entgegen. Die Bilanz des Finalturniers fällt aber schon jetzt positiv aus.

Portugal Champions League Finale 2020 in Lissabon
Bild: picture-alliance/NurPhoto/P. Fiuza

Auf Lissabons zentralem Platz, dem Rossio, eingebettet zwischen Südbrunnen und der Gedenksäule für den früheren portugiesischen König Pedro IV., findet man dieser Tage einen der wenigen Hinweise darauf, dass gerade das Finalturnier der Champions League in der Stadt ausgespielt wird. Zeugnis darüber legt eine riesige, aufblasbare Version des "Henkelpotts" ab. Die symbolträchtige Trophäe des Wettbewerbs wird, mit mehreren Drähten befestigt, an ihrem Platz gehalten und bildet die Kulisse für zahllose Selfies von Passanten.

Die Entscheidung in der Champions League 2020 fällt zwar verspätet und lediglich in einem abgespeckten Turnierformat. Doch trotzdem ist der Wettbewerb so etwas wie das größte Sportereignis der Welt in diesem Jahr, in dem so viele Sportereignisse wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden konnten. In Lissabon läuft die Champions League fast ein wenig unter dem Radar. Verständlicherweise haben due Organisatoren in der portugiesischen Hauptstadt in Anbetracht der globalen Pandemie darauf verzichtet, allzu laut Werbung für "ihr Finalturnier" zu machen. Nichtsdestotrotz versucht der europäische Fußball, allmählich zu einer gewissen Normalität zurückzukehren - oder zumindest den Schein davon zu erwecken. 

"Rückkehr zum normalen Leben"

Lissabon, die Heimat der Top-Klubs Benfica und Sporting, ist eine Stadt, in der der Fußball gelebt und geliebt wird. Die Rivalität ist groß, die Stadien, Benficas Estadio da Luz und Sportings Estadio José Alvalade, bieten Platz für insgesamt 115.000 Fans.

Doch da die Sitzschalen im weiten Rund leer bleiben müssen und die Fans nicht dabei sein können, laufen die Spiele nur auf den Flachbildschirmen der Bars, Restaurants und Hotels rund um den Rossio. Auch am Sonntag, wenn das Finale der "Liga dos Campeões" zwischen dem FC Bayern und Paris Saint-Germain steigt (Anstoß 21 Uhr MESZ, ab 20.30 Uhr im DW-Liveticker).

Einer der Zuschauer wird dann Riyu Ortet sein. Der Kapverdianer ist einer von 150.000 Afrikanern, die sich in Portugal niedergelassen haben. Ortet ist ein leidenschaftlicher Anhänger von PSG. "In Lissabon erleben wir eine Rückkehr zum normalen Leben", sagt er. "Ich werde PSG unterstützen, indem ich die Farben des Klubs trage." Schon das überlegene 3:0 seines Klubs im Halbfinale gegen RB Leipzig hat er so in der "Casa Brasileira", einem Restaurant in einer Seitenstraße des Rossio, verfolgt. "In dieser Champions League haben wir zwei Dinge gezeigt: unsere individuelle Qualität und Stärke - und unsere Geduld. Vorher haben wir es nur mit individueller Qualität versucht", sagt Ortet.

Das Star-Ensemble von Paris St. Germain: individuelle Klasse, die auch im Kollektiv funktioniert? Bild: Reuters/D. Ramos

Dass der Erfolg von PSG die Fußballwelt durchaus bewegt, zeigt auch eine Grußbotschaft, die Kapitän Thiago Silva und seine Landsleute Marquinhos und Neymar aus der brasilianischen Heimat erreichte. Fußball-Legende Pelé sendete Grüße und wünschte Glück.

Vor dem Endspiel gegen Bayern weist PSG-Fan Riyu Ortet darauf hin, dass die Situation für seinen Klub wegen der Corona-Krise alles andere als einfach gewesen sei: "Wir sind hier in Portugal gut zurechtgekommen, aber in Frankreich war es sehr schwierig. PSG muss die Champions League für Frankreich gewinnen", findet Ortet: "Ich bin auch dafür, dass die Champions League ohne Zuschauer in den Stadien stattfindet. Aber wenn es sicher ist, können wir eine große Party feiern. Ich hoffe, dass es eine PSG-Party wird."

Unterstützung der Bayern in Grenzen

Die Vorsicht wegen des Coronavirus-Pandemie, verbunden mit dem aktuell eher verhaltenen Interesse am Fußball erzeugt eine Stimmung, die auch neun Metro-Stationen nördlich des Rossio, an der Deutschen Schule Lissabon widerhallt. Es ist die älteste deutsche Sprachschule auf der Iberischen Halbinsel. "Nach den Sommerferien werden unsere 1000 Schülerinnen und Schüler im nächsten Monat zurückkehren, und wir bereiten uns darauf vor, dass alles so sicher wie möglich ist", sagt Magdalena Stricker, die an der Schule für Marketing und Kommunikation zuständig ist. "Die Schüler müssen zum Beispiel Masken tragen und dürfen nur dann auf unseren Campus kommen, wenn sie auch Unterricht haben", so Stricker. Man werde versuchen, viele Aktivitäten im Freien durchzuführen oder online-basiert zu lernen. "Ich denke, dass Portugal gute Arbeit leistet. Die Einschränkungen begannen früh, die meisten Leute halten sich daran, und ich fühle mich sicher, besonders mit einer Maske", sagt sie.

Auch an der Deutschen Schule Lissabon gibt es nicht viele Fans, die Niklas Süle (l.) und Co. unterstützenBild: Reuters/M. A. Lopes

Obwohl die "Escola de Alema Lisboa" eine deutsche Schule ist, hält sich die Unterstützung für den FC Bayern und Coach Hansi Flick in Grenzen, da die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler Portugiesen sind. Dennoch haben die Verantwortlichen der Schule ein großes Interesse daran, dass ihr Land von der Ausrichtung einer solch prestigeträchtigen Veranstaltung profitiert. "Die UEFA hat die Fußballspiele gut über die Bühne gebracht", sagt Magdalena Stricker. "Es gibt keine großen Veranstaltungen rund um die Spiele. Und da auch keine ausländischen Fans hier sind, bin ich mir des Nutzens für die Wirtschaft nicht sicher. Aber es hilft dem Image Portugals. Es zeigt, dass es ein sicheres Land ist."

Abgeschottet

Das Estádio da Luz, in dem das Champions-League-Finale gespielt wird, ist von der Schule nur eine halbe Stunde Fußweg entfernt. Erst wenn man der gewaltigen Arena näherkommt, findet man Hinweise darauf, dass dort einige der besten Fußballer des Kontinents zu Gast waren und sind. Schilder weisen den wenigen zugelassenen Journalisten den Weg zu speziellen Eingängen, die in einer anderen Zone liegen als jene für Spieler und Betreuer der Teams.

Rund um das Estadio da Luz gelten aufgrund der Hygienemaßnahmen strenge RegelnBild: picture-alliance/Zumapress/H. Amaral

Bei jeder Person, die das Stadion betritt, wird die Temperatur gemessen und protokolliert. Kein Reporter darf in die Zone, die Trainern und Spielern vorbehalten ist. Bisher haben sich die Sicherheitsvorkehrungen bewährt. Während des Finalturniers gab es rund um die Teams keinen einzigen COVID-19-Fall. Lediglich die beiden Spieler Angel Correa und Sime Vrsaljko von Atletico Madrid waren vor der Reise nach Portugal positiv auf das Coronavirus getestet worden. 

Zurück auf dem Rossio, wo es abends momentan bei Weitem nicht so geschäftig zugeht wie vor der Pandemie. Die riesige aufblasbare Champions-League-Trophäe schwankt in der starken Brise, die vom Atlantik über den Fluss Tejo herüberweht, von einer Seite zur anderen. Wie ein Symbol für die diesjährige Champions League: Es ist nicht die echte - aber immerhin etwas.

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