Unauffällig, fehlerlos, gelungen - die Premiere als erste Schiedsrichterin in der Champions League der Männer gelingt Stéphanie Frappart ohne Probleme. Ihre Karriere ist ein einzigartiger, kometenhafter Aufstieg.
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Trotz seines 750. Pflichtspiel-Tores hatte Cristiano Ronaldo beim 3:0 (1:0) von Juventus Turin gegen Dynamo Kiew nicht die ganze Aufmerksamkeit für sich. Die Augen waren auch auf Stéphanie Frappart gerichtet. Als erste Frau leitete sie ein Spiel der Champions League der Männer. Ohne Probleme - was bei der 36-Jährigen keinen wundern dürfte.
Schließlich hat sie jede Menge Erfahrung: 2019 pfiff sie das Endspiel im europäischen Supercup. Auch das eine Premiere. Auch die absolvierte sie mit Bravour . Frappart lieferte den perfekten Auftritt, darin waren sich in der Beurteilung nach dem Spiel alle einig. "Das war brillant. Sie hat jederzeit alles im Griff gehabt", lautete beispielsweise das Urteil des ehemaligen Weltklasse-Schiedsrichters Mark Clattenburg aus England. Diesmal sind die Reaktionen nicht anders. Nationalspieler Ilkay Gündogan lobte Frappart als "Inspiration".
Kometenhafter Aufstieg
Wo auch immer Frappart zum Einsatz kommt, sie hinterlässt nachhaltig Eindruck. Deswegen lautet bei ihr die Frage nicht ob, sondern wann der nächste Schritt kommt. Denn in der Karriere der ehemaligen Fußballerin aus Herblay-sur-Seine in der Nähe von Paris geht es eigentlich immer nur in eine Richtung: nach oben! Nach ihrem Start als Schiedsrichterin im französischen Frauenfußball und den unteren Ligen der Männer feiert Frappart bei der Frauen-Fußball-WM 2015 ihre Weltmeisterschafts-Premiere. Zwei Partien pfeift die Französin bei dem Turnier in Kanada, darunter ein Achtelfinale. Schon während ihrer aktiven Zeit ließ sie sich zur Schiedsrichterin ausbilden und seit ihrem 20. Lebensjahr leitet sie Fußballspiele. Mit ihren Debüts als Schiedsrichterin in der vierten (2009), dritten (2011) und zweiten Liga (2014) der Männer schrieb Frappart bereits vor der WM mehrfach Geschichte. Ihren ersten Einsatz im französischen Pokal der Männer absolviert Frappart 2015 kurz vor dem Turnier in Kanada - ein historischer Höhepunkt jagt den nächsten.
Die Karriere der 36-Jährigen verläuft in dieser Zeit beinahe schon zu rasant. Während der eine Höhepunkt noch nachhallt, sorgt Frappart bereits für den nächsten. 2016 pfeift sie beim Frauenturnier der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro, 2017 bei der Frauen-EM in den Niederlanden - ein Ende des Aufstiegs ist nicht in Sicht. "Ich habe mich seit meinen Anfängen in der Tat stark weiterentwickelt", sagt Frappart 2017 in einem Interview mit der Sportkarriere-Plattform "Global Sports". Es ist die mit Selbstbewusstsein und Zielstrebigkeit gepaarte Nüchternheit, die sie auch auf dem Platz auszeichnet. Und noch immer lautet die Frage: Wann kommt der nächste Höhepunkt?
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2019 - ein Bilderbuchjahr
Es ist das Jahr 2019, das - bei allen Meilensteinen, die Frappart in ihrer Karriere bereits passiert hat - zu ihrer persönlichen Mondlandung wird und mal wieder überschlagen sich die Ereignisse: Im April leitet sie als erste Schiedsrichterin eine Partie in der Ligue 1 - Frankreichs höchster Spielklasse. Neben der Deutschen Bibiana Steinhaus, die regelmäßig in der zweiten und seit 2017 auch in der Bundesliga zum Einsatz kommt, ist Frappart zu diesem Zeitpunkt die einzige Frau, die Spiele in einer der fünf großen europäischen Ligen in England, Spanien, Deutschland, Italien und Frankreich leitet.
Und sie wandelt weiter auf den Spuren der Kollegin aus Deutschland, die jüngst ihre Karriere beendete: Bei bei der Frauen-WM 2019 folgt der ganz große Wurf: Frappart pfeift, wie Steinhaus zuvor bei der WM 2011 in Deutschland, das Endspiel bei einer Weltmeisterschaft im eigenen Land. Neben dem haushoch überlegenen Team aus den USA, das die Niederlande mit 2:0 schlägt, überzeugt vor mehr als 57.000 Zuschauern in Lyon auch die Schiedsrichterin - mal wieder. Im Frauenfußball hat Frappart damit so gut wie alles als Schiedsrichterin erreicht, die Auszeichnung zur Schiedsrichterin des Jahres Ende 2019 ist da fast nur noch Formsache. Doch Meilensteine waren in ihrer Karriere stets nur Zwischenziele - so auch dieses Mal, als es die UEFA ist, die Frappart nach der Leitung des WM-Finals auf die nächste Stufe hebt.
Pionierin für Frauen im Fußball
Frappart auf der einen, die mächtigen Verbände FIFA und UEFA auf der anderen Seite: Das ist spätestens seit der Frauen WM 2015, bzw. der Frauen-EM 2017 so etwas wie eine öffentliche Liebe: "Das habe ich den Schiedsrichterseminaren in Frankreich, der UEFA und der FIFA zu verdanken. Ich konnte mich dort technisch, taktisch und physisch stark verbessern und bin nun für jeden Einsatz besser gerüstet", antwortet Frappart 2017, angesprochen auf ihren steilen Aufstieg, in einem Interview. Die Respekts- und Dankesbekundungen erreichen im Zuge ihrer Nominierung für den UEFA-Supercup 2019 neue Dimensionen. Sie verfüge "über das Rüstzeug, auf der großen Bühne zu bestehen" und habe "über Jahre hinweg gezeigt, dass sie eine der besten Schiedsrichterinnen ist, und zwar weltweit", lässt sich seinerzeit UEFA-Schiedsrichterboss Roberto Rosetti zitieren.
UEFA-Präsident Alexander Ceferin ließ sich in Sachen Pathos ebenfalls nicht bitten und sprach davon, dass Frappart als Vorbild für "Millionen von Mädchen und Frauen in ganz Europa" dienen solle. "Sie sollen sehen, dass aus jedem Traum Wirklichkeit werden kann." Die Glaubwürdigkeit - im Fußball oft ein rares Gut - dieser Worte der UEFA-Spitze wird durch die Nominierung Frapparts für ein Champions-League-Spiel gut anderthalb Jahre nach dem Supercup weiter gefestigt. Keine Frage: Die UEFA meint es ernst mit ihrer Stéphanie Frappart und gibt ihr die Chance zum nächsten großen Wurf von historischer Bedeutung, die für die 36-jährige Französin ironischerweise schon fast etwas routineartiges haben dürfte. Wegbereiterin ist sie ohnehin und es gibt Nachfolgerinnen: mit Kateryna Monzul aus der Ukraine wird auch in der Europa League eine Schiedsrichterin Premiere feiern.
Pionierinnen des Sports
Frauen, die gleichberechtigt mit Männern ihren Sport ausüben - das war und ist nicht selbstverständlich. Es gibt einige Vorkämpferinnen, die in Männerdomänen eindringen - nachhaltig ist ihr Erfolg aber nicht immer.
Bild: Imago Images/Sven Simon
Sport nur für Männer?
Dass sportlicher Wettbewerb nur etwas für das männliche Geschlecht sein soll, damit will sich Alice Milliat nicht abfinden. Die 1884 geborene Französin spielt Hockey, rudert und fährt Autorennen. 1917 gehört sie zu den Begründerinnen des französischen Frauensportverbands FSFSF und des Internationalen Frauensportverband FSFI, der 1921 die ersten Frauen-Weltspiele veranstaltet.
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Publikumsliebling
Die Radsportlerin Alfonsina Strada schreibt sich 1924 als Alfonsin Strada beim Giro d'Italia ein. Die Veranstalter halten sie für einen Mann. Als die Wahrheit herauskommt, darf sie dennoch starten. Sie scheidet nach einigen Etappen wegen Zeitüberschreitung aus, bleibt aber im Feld, weil das Publikum sie so liebt. Sie ist die einzige Frau, die je bei einer großen Rundfahrt bei den Männern startete.
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Als "Pilota" in die Königsklasse
Maria Teresa de Filippis ist Ende der 50er-Jahre die erste Frau in einem Formel-1-Boliden. Die Italienerin findet 1948 als 22-Jährige zum Rennsport. Maserati verpflichtet sie als Werksfahrerin. Daraufhin nimmt sie 1958 an einigen Rennen der Automobil-Weltmeisterschaft teil, die heute als Formel 1 bezeichnet wird. Als ein Jahr später ein enger Freund tödlich verunglückt, beendet sie ihre Karriere.
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Gegen jeden Widerstand
Obwohl der erboste Renn-Direktor des Boston Marathon (2.v.r.) versucht, ihr die Startnummer zu entreißen, läuft Kathrine Switzer 1967 als erste Frau bei einem Marathon mit und beendet ihn auch erfolgreich. Sie hatte sich heimlich angemeldet. Die längste erlaubte Frauen-Distanz sind damals die 800 Meter. Einige Jahre nach Switzers Coup werden Frauen auch offiziell bei Langstreckenrennen zugelassen.
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Keine Unterschiede
Anfang der 1970er-Jahre kämpft Billie Jean King dafür, dass männliche und weibliche Tennisprofis gleiche Preisgelder erhalten. Aus Protest gründet die zwölfmalige Grand-Slam-Gewinnerin mit anderen Spielerinnen eine eigene Turnierserie, aus der später die Women's Tennis Association WTA entsteht. 1973 haben King und Co. Erfolg: Bei den US Open sind die Siegprämien für Frauen und Männern gleich.
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Recht aufs Fliegen
Bis Anfang der 1990er-Jahre ist Frauen-Skispringen vom Weltverband nicht zugelassen. Eva Ganster kann sich nur als Vorspringerin bei den Männern zeigen. 1997 springt die Österreicherin als erste Frau von einer Skiflugschanze. Gansters Vorarbeit wirkt: Seit 2011 gibt es einen Frauen-Weltcup, 2014 ist ihre Sportart erstmals olympisch. Wunschziel ist eine eigene Vierschanzentournee.
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Sehr oft "die Erste"
2003 übernimmt Meredith Michaels-Beerbaum als erste und bisher einzige Frau die Führung in der Weltrangliste der Springreiter. Sie ist auch die erste Frau in der deutschen Equipe bei einem großen Championat und stößt damit Türen auf für jüngere Reiterinnen. "Als ich nach Deutschland kam, war sehr deutlich, dass Frauen in meinem Sport zweitrangig sind", sagt die gebürtige US-Amerikanerin später.
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Respektiert an der Pfeife
Die Schweizerin Nicole Petignat ist 2003 die erste Frau, die ein Fußball-Europapokalspiel der Männer leitet: die UEFA-Cup-Qualifikation zwischen AIK Solna und Fylkir Reykjavik. Petignat pfeift außerdem Erstligaspiele der Männer in der Schweiz und in Österreich. Hauptsächlich wird sie aber bei Frauen-Spielen eingesetzt. Höhepunkte sind das EM-Finale 2001 und das WM-Endspiel 1999.
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Anerkannte Autorität
Bis eine Frau auch ein WM-Spiel der Männer leitet, dauert es allerdings mehr als zwei Jahrzehnte. Stéphanie Frappart wird bei der WM in Katar von der FIFA in der Partie zwischen Deutschland und Costa Rica eingesetzt. Die Französin hat zuvor bereits in der Nations League, der Champions League sowie der EM- und WM-Qualifikation Männerspiele gepfiffen. Sie bleibt aber eine absolute Ausnahme.
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First Down!
Erstmals in der Geschichte des Super Bowl gehört 2021 mit Sarah Thomas eine Frau zur Schiedsrichter-Crew im Finale der American-Football-Liga NFL. Sie setzt sich damit gegen viele Vorurteile durch. "Kollegen, Trainer und Spieler sehen mich mittlerweile einfach als Offizielle. So will ich es haben", sagt Thomas. "Ich habe nie zugelassen, dass mein Geschlecht Ausrede oder Vorwand für Menschen ist."
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"Nicht menschlich"
"Ich fühle mich im Moment weder weiblich noch männlich oder gar menschlich", sagt Rachael Blackmore nach ihrem Sieg im Grand National. Die 31-jährige Irin hat auf ihrem Pferd Minella Times soeben Sportgeschichte geschrieben: Als erste Frau gewinnt sie das härteste Hindernis-Galopprennen der Welt, das seit 1839 ausgetragen wird. Die erste Frau überhaupt im Grand National ist 1977 Charlotte Brew.
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Durch die Wüste
Hitze, Staub, unwegsames Gelände und die zahlreiche männliche Konkurrenz - all das macht Rallyepilotin Jutta Kleinschmidt nichts aus, als sie 2001 als erste Frau die Rallye Dakar gewinnt. Nach dem Sieg wird sie in Deutschland auch zur "Sportlerin des Jahres" gewählt. Die gelernte Diplom-Ingenieurin nimmt insgesamt 18 Mal an der härtesten Rallye der Welt teil, außerdem an etlichen anderen Rennen.
Bild: picture alliance/dpa
Schnellste auf zwei Rädern
Die deutsche Motorrad-Rennfahrerin Katja Poensgen ist eine der wenigen Frauen, die in der WM starten. Einige von ihnen schaffen es in der Moto3-Serie, die bis 125 ccm geht, in die Punkte, allerdings ist Poensgen die Einzige, die in der 250-ccm-Klasse unter den besten 15 landet. 2001 und 2003 tritt sie auf einer Honda-Maschine an und fährt insgesamt 25 WM-Rennen.
Bild: Sven Simon/picture alliance
Treffsicher
Als im Dezember 2019 ihr letzter Dart im Ziel landet, steht der "Ally Pally" in London Kopf. Zum ersten Mal hat eine Frau ein Duell bei der Darts-WM gewonnen. Fallon Sherrock, eine Friseurin aus England, schreibt damit in der ersten Runde Dart-Geschichte und scheitert nach einem weiteren Sieg erst in Runde drei.
Bild: Getty Images/J. Mansfield
Frauen stark machen
Eine echte Pionierin ist die deutsche Fußballtrainerin Monika Staab. Seit Jahren ist Staab als Fußball-Entwicklungshelferin in der Welt unterwegs und veranstaltet Trainingsprogramme für Frauen und Mädchen - besonders in Ländern, in denen Frauenrechte keine große Rolle spielen. "Positives Feedback im Sport stärkt das Selbstbewusstsein", sagt sie. "Das brauchst du, um durchs Leben zu gehen."
Bild: FAYEZ NURELDINE/AFP
Männer besser machen
Als Corinne Diacre 2014 als Trainerin bei Frankreichs Zweitligist Clermont Foot anfängt, dauert es nicht lange, bis sie ihre Kritiker überzeugt. Die Ex-Nationalspielerin ist damals die erste Frau, die ein Männer-Profi-Team coacht. Sie bleibt drei erfolgreiche Jahre im Amt. Allerdings ist Diacre eine seltene Ausnahme. Auch viele erfolgreiche Frauenteams werden nach wie vor von Männern trainiert.
Bild: picture-alliance/dpa
Klarer Sieg gegen die Männer
Mit neun Schlägen Vorsprung verweist die Schwedin Linn Grant beim Scandinavian-Mixed-Turnier die - auch männliche - Konkurrenz in die Schranken. Als erste Frau gewinnt sie ein offizielles Golf-Turnier der DP World Tour. "Ich hatte die ganze Woche das Gefühl, dass die Frauen gegen die Männer spielen und wer auch immer diesen Pokal holt, das entsprechende Feld repräsentiert", sagt sie.