Chance auf ein zweites Geräte-Leben
25. Juli 2025
Mit Zahnstochern und einer elektrischen Zahnbürste macht sich Maria Taggeselle daran, ein Smartphone gründlich zu säubern. Sie zieht die Folie ab, die noch auf dem Display klebt, und besprüht die Flecken mit Glasreiniger. "Der macht das schon. Einige schwören auf Alkohol, aber der stinkt zu sehr." Die junge Frau schrubbt das Gerät, guckt, ob eine SIM- oder Speicherkarte noch im Fach steckt, ob das Tippen und Wischen gut funktioniert, "alles ganz aussieht oder angekaut".
Marken und Modelle erkennt sie schon auf den ersten Blick: "Je öfter man sie in der Hand hat, desto besser lernt man die Unterschiede". Die gelernte Bäckereifachverkäuferin kam zunächst als Leiharbeiterin zu Rebuy, einem der größten deutschen Refurbisher von gebrauchter Elektronik. Seit über zwei Jahren ist sie fest angestellt: Die Firma wächst. Rebuy kauft hochwertige Smartphones, Tablets, Kameras, Smartwatches oder Spielkonsolen von Privat und bereitet sie für den Wiederverkauf auf.
Aufarbeitung von tausenden Smartphones pro Tag
Das Werk im Thelen Business Park in Berlin ist auf Smartphones spezialisiert und prüft täglich um die tausend Stück auf ihren Wiederverkaufswert. Bestseller sind bekannte Marken wie Apple und Samsung und zwar in den höheren Preisklassen. Sie erzielen auch als Gebrauchtgeräte noch gute Preise. Und nur so lohnt sich der Aufwand für Prüfung, Reinigung und Reparatur. Ein Algorithmus auf Basis historischer Daten verhindert, dass die Re-Commerce-Firma auf großen Mengen unverkäuflicher Geräte sitzen bleibt.
Wer aus zweiter Hand kauft, hat oft Angst, sich Schrott andrehen zu lassen. Verkäufer dagegen wollen gutes Geld für die einst teuren Sachen bekommen. Beides in Einklang zu bringen, ist das Geschäftsmodell der Refurbisher. "Alles, was wir wiederverkaufen, ist auf Herz und Nieren geprüft, technisch wie auch optisch, sodass es keine bösen Überraschungen gibt", sagt Geschäftsführer Philipp Gattner.
Garantie für Gebrauchtgeräte
Rebuy gibt nach eigenen Angaben als einziger in der Branche drei Jahre Garantie: länger als auf Neu. "Wir wollten den Gebrauchtwarenmarkt aus der verstaubten Nische rausholen und in einen Massenmarkt verwandeln, indem wir das Risiko für Käufer und Verkäufer minimieren.
Das Unternehmen, das vor über 20 Jahren als Online-Handel mit Computerspielen gegründet wurde, ist heute in sechs europäischen Ländern aktiv und hat mehr als drei Millionen Kunden. Neben Hunderttausenden von Elektronikgeräten jährlich sortiert, reinigt und versendet es Millionen von gebrauchten Büchern, Games, CDs und DVDs.
Günstig wichtiger als nachhaltig
Die Käufer suchten ganz klar nach dem günstigen Preis, meint Gattner. Sie könnten bis zur Hälfte des Originalpreises sparen. Die hohe Inflation und die Wirtschaftskrise hat die Nachfrage beflügelt. Nachhaltigkeit spiele zwar auch eine Rolle: Schließlich sparen die wiederaufbereiteten Geräte und Medien tonnenweise Energie, Wasser und Rohstoffe, so Gattner. Aber für die Kunden stehe diese Überlegung erst an zweiter Stelle und verliere in den letzten Jahren sogar an Bedeutung.
"Second Hand bzw. refurbished Smartphones machen heute 25 bis 30 Prozent des jährlich umgeschlagenen Gerätevolumens aus", sagt Nejc Jakopin, Telekommunikationsexperte bei der Unternehmensberatung A. D. Little. Der Markt werde in Deutschland bis 2030 mit 15 Prozent pro Jahr wachsen, während der Verkauf neuer Geräte stagniere oder sogar in manchen Bereichen rückläufig sei. Bei Tablets und Notebooks bzw. PCs lande nur jedes zehnte Gerät auf dem Sekundärmarkt, so Jakopin. Bei anderen Elektronikgeräten sei die Quote noch niedriger.
Ökodesign-Verordnung: neue Vorgaben der EU zu Smartphones und co
Im Juni 2025 ist eine Ökodesign-Verordnung der EU, die für Smartphones, Mobiltelefone, die keine Smartphones sind, schnurlose Telefone und Slate-Tablets gilt, in Kraft getreten. Demnach sind Produzenten von solchen Geräten für den europäischen Markt verpflichtet, mindestens fünf Jahre lang Updates anzubieten und mindestens sieben Jahre lang Ersatzteile bereitzustellen. Die Frist zählt ab dem Zeitpunkt, an dem das Modell nicht mehr vertrieben wird.
Bei den Refurbishern wird die Auswirkung der Ökodesign-Verordnung erst nach ein paar Jahren sichtbar. Gattner erwartet jedoch wegen höhere Lebensdauer und bessere Reparierbarkeit einen weiteren Schub für sein Geschäft. "Wir investieren seit einiger Zeit stark in unsere Reparierkompetenz." In Poznan, Polen, hat Rebuy einen ehemaligen MediaMarkt-Standort übernommen: Dort tauschen rund 40 Mitarbeitende kaputte Displays, Kameras, Tasten und Keyboards sowie schwache Akkus aus. Was nicht ertüchtigt werden kann, wird für Ersatzteile zerlegt oder an zertifizierte Recycler weitergereicht.
Die Nachfrage nach Altgeräte ist höher als das Angebot
Die meisten Handys sind zwei bis drei Jahre alt, wenn sie Rebuy angeboten werden. Die Wiederverwendungsquote ist hoch. "Wir könnten viel mehr verkaufen: Der Engpass ist ganz eindeutig auf der Angebotsseite", sagt Gattner. Der heikle Teil ist unter anderem die Preisfindung. Besitzer beantworten auf der Webseite ein paar Fragen zum Zustand und bekommen ein vorläufiges Angebot. Wenn sie es okay finden, schicken sie das Gerät los.
Für die reale Bewertung, im Branchenjargon "Grading", hat Rebuy ein halbautomatisiertes Verfahren entwickelt. Ob ein Smartphone super aussieht, mit kleinen Kratzern nur mittelprächtig oder schon ziemlich abgeschabt, können am besten Menschen beurteilen - noch. Ob es technisch einwandfrei ist, prüfen inzwischen Maschinen. Sie schaffen es in zwei bis drei Minuten.
Automatisierung hilft Refurbishern
Ein Roboterarm legt ein Handy zum Testen ein und holt ein fertiges, grün leuchtendes wieder heraus. Die Maschine hat mehrere Fotos mit der Front- und der Rückkamera geschossen, den Blitz ausgelöst, die Kontraste überprüft, das Display abgetastet und sich per Bluetooth vernetzt. Ein Piepen deutet an, dass auch Mikrofon und Lautsprecher getestet werden. Vorher wurden die Daten gelöscht und Verbindungen zur Cloud aufgehoben.
Ob eine Reparatur sich lohnt, entscheidet ein eigens entwickeltes System. Es weiß, welche Ersatzteile vorhanden sind und welcher Aufwand nötig ist. Dementsprechend ordnet es die weiteren Schritte an. Der Verkäufer erhält eine detaillierte Begründung, was sein Gerät wirklich wert ist. Ist er mit der neuen Schätzung einverstanden, wird es bezahlt, bearbeitet und auf der Plattform zum Kauf eingestellt. Dort bekommt es seine zweite Chance.