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Chansons unter Hammer und Sichel

Birgit Johannsmeier4. Februar 2009

Vom Theaterklub mit Sowjet-Ambiente bis zu Rockkonzerten in einer alten Fabrik - Riga bietet ungewöhnliche Ausgehmöglichkeiten. In der Serie "Nachtschwärmer" stellt Birgit Johannsmeier beliebte Lokale vor.

Blick über den Fluss Düna auf die Altstadt von Riga
In Rigas Altstadt gibt es nicht nur historische Bauten, sondern auch skurrile KneipenBild: picture-alliance/ dpa

Aus den Lautsprechern trällert ein Chanson und über dem Kellereingang lädt ein Schild zum Dinner für nur sechs Euro ein: "Austrumu robeza", "Ostgrenze" – so heißt Lettlands erster Theaterklub. Er liegt ein wenig versteckt in der Altstadt von Riga und ist komplett auf Symbole aus der ehemaligen Sowjetunion eingestellt. Uniformen von Rotarmisten hängen in einer Ecke, Hammer und Sichel dekorieren die gemauerte Sandsteinwand, und ein freundlicher Herr nimmt die Garderobe entgegen. "Wie in der Sowjetzeit", erklärt er, "damals haben die pensionierten Militärs in den Garderoben gearbeitet."

Humorvoller Blick auf die Geschichte

Vor 18 Jahren haben die Letten die Kommunisten aus dem Land gejagt, heute nehmen sie ihre sozialistische Geschichte mit Humor. Das kleine Restaurant mit seiner großen Bühne ist mit goldenen Ähren und sowjetischen Flaggen ausstaffiert, die kleinen Erker mit Büsten von Stalin und Lenin dekoriert.

Viele junge Leute finden den Weg hierher. Sie lieben schrilles Design, reichhaltiges Essen und gute Unterhaltung. Nach der Arbeit, gegen 18 Uhr, sind alle Tische besetzt. "Für uns ist das witzig", sagt eine Besucherin, "wir kennen die Sowjetzeit ja nicht. Mir gefallen Drinks wie 'Der Weißrusse', das ist Wodka mit Mokkalikör." Mal werden hier Chansons geboten, mal reine Satire oder Comedyshows.

Sofas und selbstgebrautes Bier

Cocktail-Liebhaber kommen in Riga auf ihre Kosten

Wer lieber entspannen und einen netten Abend mit Freunden in gemütlicher Atmosphäre verbringen will, geht eher ins "Gauja". Eine kleine Bierkneipe, ausstaffiert mit lettischen Landschaftsbildern, Heimatdichtern in Öl, Sofas und Tischdecken aus den 60-er Jahren. Über Papieren, Glanzabzügen und Semesterarbeiten sitzen hier junge Künstler und Studenten, in Gespräche vertieft, vom Nachmittag bis in den späten Abend hinein.

"Hier ist es sehr gemütlich, eine entspannte Atmosphäre", meint ein Fotograf, der mit Kollegen in der Kneipe ist, "und vor allem gibt es keine Popmusik." Der Hit allerdings sei das selbstgebraute Bier. Gerade mal zwei Euro muss man dafür im "Gauja" für einen halben Liter hinlegen. "Das Bier wird ohne Zusatz gebraut, es ist reines, frisches Bier", lobt der Fotograf. "Von einer kleinen Familienbrauerei aus Brengule. Das leckerste und billigste Bier in ganz Lettland."

Joints und Nachwuchsmusiker

Wer Lust auf härtere Rhythmen verspürt, kann seit kurzem im ersten Heavy-Metal- und Punk-Klub an Rigas Stadtrand auf seine Kosten kommen. Allerdings erst ab 21 Uhr. Auf dem Gelände einer ehemaligen Motorradfabrik, zwischen alten Gleisanlagen, hat "Melna Piektdiena", der "Schwarze Freitag", eröffnet und eine alte Werkshalle zu neuem Leben erweckt. Mitten im Raum, zwischen Mischpult und Bar, wurde für die Musikfans sogar ein Raucherzimmer errichtet.

Die Petrikirche im Stadtzentrum von RigaBild: transit-Archiv

Eingehüllt von dicken Rauchschwaden genießt hier manch einer seinen Joint schon lange vor dem Konzert. "Das gibt’s nur hier", sagt einer der Raucher, "dass du in einem Klub rauchen darfst. Sogar Gras. Da müssen wir nicht nach Amsterdam fahren."

Nicht nur große Bands wie "Samuel", "Napalm Death" oder "Kaliban" sind im "Schwarzen Freitag" zu hören. Der Klub will gerade lettischen Newcomern ein Forum bieten, erzählt der 16-jährige Bassist Bruno kurz vor seinem Auftritt. "Sie bieten uns beste Technik. Und wenn wir gut spielen, finanzieren sie sogar unsere erste CD." Männer und Frauen mit schwarzen Springerstiefeln, Mädels in Lederhosen oder roten Cocktailkleidern, viele mit langen Haaren oder zerrissenen Jeans tanzen, lachen und hüpfen durch den Saal. Die Klubszene in Lettland lebt.

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