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Gesellschaft

Chanukka: Präsenz zeigen auch in Corona-Zeiten

9. Dezember 2020

Für Juden in Deutschland fällt das Chanukka-Fest in diesem Jahr weniger gesellig aus als sonst. Ganz aus der Öffentlichkeit verschwinden soll es aber nicht – schon als Zeichen gegen Hass und Antisemitismus.

Groesster Chanukka-Leuchter Europas in Berlin entzuendet
Bild: epd/R. Zoellner

"Chanukka – das ist die Botschaft vom Licht in der Dunkelheit", sagt der Berliner Gemeinde-Rabbiner Yehuda Teichtal. "Wir haben alle die Fähigkeit, Licht in die Welt zu bringen durch Miteinander und Toleranz." Deshalb passt das am Donnerstag beginnende Chanukka-Fest, das im Deutschen auch als Lichterfest bezeichnet wird, für ihn auch gut in die Corona-Zeit. Denn es gehe auch um Licht als Zeichen gegen Angst oder Einsamkeit. 

Das Chanukka-Fest dauert acht Tage und erinnert an den Aufstand der jüdischen Makkabäer gegen die syrisch-hellenistische Herrschaft im zweiten Jahrhundert vor Christus. Außerdem gehört die Erinnerung an die Wiedereinweihung des Tempels in Jerusalem dazu. Nach der Überlieferung brannte das ewige Licht im Tempel wie durch ein Wunder über acht Tage, obwohl viel zu wenig Öl vorhanden war. Deshalb zünden Juden an jedem der acht Tage eine Kerze an - am ersten Tag nur eine, dann immer mehr, am letzten Tag acht.

Europas größter Leuchter

Und seit vielen Jahren stellen die Gemeinden der jüdischen Chabad-Bewegung, die sich als "traditionell orthodox, aber offen" versteht, in Deutschland neunarmige Leuchter auf öffentlichen Plätzen auf und feiern Abend für Abend feierlich und fröhlich das Entzünden der Kerzen. Wohl zu keiner anderen Gelegenheit wird jüdisches Leben so im Stadtbild präsent. Wie seit mehr als zehn Jahren erhebt sich in Berlin direkt vor dem Brandenburger Tor Europas größter, knapp zehn Meter hoher Chanukka-Leuchter. "Aber dieses Jahr ist es anders", sagt Teichtal der Deutschen Welle. Das allabendliche Lichtanzünden, in den vergangenen Jahren für hunderte Schaulustige und geladene Gäste jeweils ein Spektakel mit Musik, Gebet und Gesang sowie prominenten Gästen, müsse ohne Besucher stattfinden.

Rabbiner Teichtal im Jahr 2019 mit Bundespräsident Frank-Walter SteinmeierBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Allein die prominenten Gäste kämen, um von einem Hubwagen aus die Lichter zu entzünden. Zum Auftakt erwartet der Rabbiner  Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller und den Parteichef der Grünen, Robert Habeck. Teichtal ist es wichtig, dass Spahn das erste Licht entzündet. "Wir widmen diesen ersten Abend allen Medizinern und Medizinerinnen, allen Fachkräften, die in der ersten Reihe des Kampfes gegen Corona stehen", so der Rabbiner.

Pakete für daheim

An weiteren Abenden erwarte er unter anderem die Bundesjustizministerin und den Außenminister. Teichtal setzt darauf, dass die Gemeindemitglieder das Event jeweils im Livestream auf Facebook verfolgen. Aber nicht jede Gemeinde stellt wie in früheren Jahren einen Leuchter an prominenter Stelle auf. So verzichtet die Gemeinde in Essen, sagt Rabbiner Shmuel Aronow der DW, wegen der Corona-Pandemie auf den großen Leuchter neben dem Rathaus der Stadt. Und in Karlsruhe errichtet die Gemeinde zwar erneut den repräsentativen Leuchter auf dem Marktplatz der Stadt. Aber, erläutert Rabbiner Mordechai Mendelson, nur am Montag wird das Entzünden der Kerzen mit einem prominenten Gast begangen, dem neuen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth.

Eigentlich ist Chanukka, darin dem christlichen Weihnachtsfest nicht unähnlich, mindestens so sehr ein gesellig-fröhliches wie frommes Fest. Gemeinden, Gruppen oder Familienverbünde treffen sich zur abendlichen Feier, in Berlin folgten in den letzten Jahren jeweils hunderte ältere Jüdinnen und Juden der Einladung der Gemeinde zum gemeinsamen Abend. Das war vor Corona. Nun gilt, wie der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, es ankündigte: "Größere Familienfeiern zu Chanukka wird es in diesem Jahr wegen Corona nicht geben."

In Nicht-Pandemie-Zeiten ist Chanukka ein sehr geselliges, fröhliches FestBild: Robert B. Fishman/picture-alliance

Kerzen und Köstlichkeiten

So packen Rabbiner wie Yehuda Teichtal in Berlin, Shmuel Aronow im Essen oder Mordechai Mendelson in Karlsruhe mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stapelweise Kartons. "Die deutsche Post verdient an uns ganz gut in diesen Tagen", sagt Mendelson schmunzelnd. Gut 70 Pakete mit einer sogenannten Chanukkia, einem einfachen Kerzenständer mit insgesamt 44 Kerzen für die acht Tage und koschere Köstlichkeiten, vor allem dem fest-typischen süßen Gebäck, brachte seine Gemeinde schon auf den Weg für Ältere, die wegen der Pandemie nicht mehr das Haus verlassen. "Diejenigen, die alt und allein sind, sollen das Fest mitfeiern können."

Viele andere holen sich ihr Chanukka-Paket in diesen Tagen in der Gemeinde ab. Aronow in Essen sagt, von rund 600 Paketen gingen allein 350 an die älteren Gemeindemitglieder. Mendelson erwartet, dass angesichts der Corona-Beschränkungen Chanukka in diesem Jahr sicher ein familiäreres Fest werde. Eltern und Kinder seien nun mal daheim, so bleibe Zeit zur Erzählung der überlieferten Geschichten und zum gemeinsamen Gesang.

Das Chanukka-Paket beinhaltet Kerzenständer und 44 KerzenBild: privat

"Unsere Antwort auf den Hass"

Die großen Leuchter an zentralen Plätzen der Städte, die gemeinsamen Feiern hunderter Juden, die Beteiligung von Prominenz – das hat im Land der Shoah besonderes Gewicht. Das wird überdeutlich an den Grußworten von Spitzenpolitikern zum Fest. Die Lichter des Festes, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel im vorigen Jahr in einer Grußbotschaft, zeugten davon, dass es nach dem Zivilisationsbruch der Shoah heute wieder blühendes jüdisches Leben in Deutschland gebe. Dies sei ein "Wunder, für das wir zutiefst dankbar sein können".

Merkels Gruß kam 2019 zwei Monate nach dem Anschlag auf die voll besetzte Synagoge von Halle an Yom Kippur, dem wichtigsten Fest im jüdischen Jahreskreis. Für Rabbiner Teichtal ist die bewusste Präsenz im öffentlichen Leben des Landes auch eine Antwort auf antisemitische Vorfälle, mutwillige Sachschäden an Synagogen, Beleidigungen. "Das ist unsere Antwort auf Hass und Ideologie", sagt er. "In dieser Zeit der Pandemie gibt es kein größeres Zeichen als dieses Licht und diese Gemeinschaft", gerade weil die Pandemie "von verschiedenen Kräften missbraucht" werde. Für Juden stehe Chanukka auch für Zuversicht in gefährdeter Zeit. "Unsere Antwort ist klar: Niemand kann uns auf irgendeine Art und Weise einschüchtern oder zurückhaltend machen."

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