Chaos bei Ryanair
18. September 2017Mit dem irischen Billigflieger Ryanair zu fliegen, ist nicht unbedingt ein Vergnügen. Plastiksitze, wenig Beinfreiheit, keine Verpflegung, kurzum Verzicht auf jeglichen Komfort, da kann oft nur der Gedanke an den günstigen Flugpreis die genervten Passagiere besänftigen. Nun allerdings können einige Passagiere froh sein, wenn sie überhaupt noch transportiert werden, denn Ryanair hat am vergangenen Wochenende 162 Flüge gestrichen.
Völlig überraschend kam das nicht, mit einem Tag Vorlauf hatte die Fluggesellschaft am Freitag (15.09.2017) angekündigt, in den nächsten sechs Wochen täglich 40 bis 50 Flüge streichen zu wollen. Überraschend war dann nur, dass es zum Auftakt doch etliche Flüge mehr waren. Am Samstag wurden 80 Verbindungen, am Sonntag 82 Flüge abgesagt, wie der "Tagesspiegel" unter Berufung auf Angaben des Unternehmens berichtete.
Ryanairs-Marketingchef Kenny Jacobs räumte dem Bericht zufolge ein, die Ausfälle an diesem Wochenende seien höher, weil das Unternehmen mit der Umsetzung der Annullierungen beginne. Über abgesagte Flüge, die bis zum kommenden Mittwoch hätten stattfinden sollen, haben die Reisenden nach Angaben von Jacobs bereits entsprechende Informationen erhalten.
Verbockte Urlaubsplanung, Streiks und schlechtes Wetter
Grund für die Aktion war, dass die Pünktlichkeitsquote der Fluggesellschaft in den ersten beiden Septemberwochen auf unter 80 Prozent gesunken sei. Dies sei für die Kunden nicht akzeptabel. Ryanair-Sprecher Robin Kiely erklärte die sich häufende Unpünktlichkeit mit einer Häufung der Urlaube von Piloten und Kabinenpersonal sowie mit Kapazitätsengpässen bei der Flugkontrolle und Streiks in Frankreich.
"Wir haben die Urlaubsplanung für die Piloten verbockt und arbeiten hart daran, dass zu reparieren", so Kenny Jacobs, Marketingvorstand der Airline. Durch die Flugstreichungen könne Ryanair die "Belastbarkeit unserer Flugpläne verbessern und die Pünktlichkeit auf unser Jahresziel von 90 Prozent wiederherstellen", so Kiely.
Oder doch ganz andere Motive?
Es könnte jedoch sein, dass es bei den aktuellen Flugstreichungen gar nicht um mehr Pünktlichkeit geht, so Gerald Wissel von der Beratungsgesellschaft Airborne. Er vermutet, dass sich das Unternehmen auf den möglichen Fall vorbereitet, dass die insolvente Air Berlin ihren Flugbetrieb aus Geldmangel vorzeitig einstellen muss. "Im Fall eines vorzeitigen "Groundings" der Air Berlin müssten die begehrten Start- und Landerechte vom zuständigen Koordinator der Bundesrepublik sofort neu vergeben werden", sagte Luftverkehrsexperte Wissel.
Den Zuschlag könnten aber nur Gesellschaften erhalten, die dann auch mit entsprechenden Flugzeugen die Strecken tatsächlich fliegen könnten. Dafür wolle Ryanair einige Maschinen in der Hinterhand haben. Trotz eines stetigen Zugangs von neuen Boeing-Jets war bislang die Flotte der Ryanair mit aktuell 400 Maschinen restlos verplant. Die irische Gesellschaft hat nach eigenen Angaben nicht für Betriebsteile der Air Berlin geboten.
"Das Möglichste" tun, um Kunden zu helfen
Immerhin versprach die Airline ihr Möglichstes zu tun, um die betroffenen Kunden umzubuchen oder zu entschädigen. Bei den Passagieren kamen die Flugstreichungen trotzdem nicht gut an. Der Twitter-Feed von Ryanair quoll bereits am Freitag über mit Kommentaren entnervter Fluggäste, deren Flüge gestrichen worden waren. Viele beschwerten sich, dass sie vorher nicht rechtzeitig informiert worden waren.
Inzwischen hat die EU-Kommission die Fluglinie gemahnt, die europäischen Verbraucherrechte der Passagiere zu achten. Diese hätten bei der Absage eines Fluges eine Reihe von Ansprüchen, sagte ein Kommissionssprecher am Montag. So müssen nach den einschlägigen EU-Regeln von 2004 Fluglinien mindestens zwei Wochen vor Abflug über eine Streichung informieren. Ist die Frist kürzer, müssen sie den Kunden eine neue Verbindung anbieten.
Je weniger Zeit bis zum gebuchten Abflug bleibt, desto weniger Spielraum hat die Airline: Werden Kunden weniger als sieben Tage vorher unterrichtet, darf der Ersatzflug nicht mehr als eine Stunde früher abgehen und nicht mehr als zwei Stunden später ankommen als die ursprünglich gebuchte Verbindung. Schafft die Fluglinie das nicht, muss sie den Kunden entschädigen, wie die Kommission klarstellte. Man erwarte, dass sich Ryanair daran halte, sagte der Sprecher. Für die Durchsetzung der Rechte zuständig seien aber nationale Behörden, in Deutschland das Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig.
iw/ul (afp, rtr, dpa)