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Chaos im Irak weckt Vietnam-Trauma

Ali Akinci22. Juli 2003

Es ist ein anderes Land, ein anderer Krieg und eine andere Zeit. Doch die Vorzeichen für einen langjährigen Guerilla-Krieg im Irak sind offensichtlich. Schon werden Vergleiche mit Vietnam gezogen.

US-Soldaten tragen verwundeten KameradenBild: AP

Selbstmord-Anschläge, Raketen-Angriffe, Heckenschützen – seit dem offiziellen Endes des Irak-Krieges am 1. Mai 2003 fielen mindestens 60 US-Soldaten Anschlägen zum Opfer. Das sind fast so viele Tote wie im gesamten Feldzug gegen den Irak. Washington lehnte es aber bis vor kurzem ab, von einem Beginn eines Guerilla-Krieges am Golf zu sprechen. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld betonte immer wieder: "Dieser Begriff wäre ein Missverständnis und eine falsche Botschaft." Denn mit dem Wort Guerilla-Krieg verbinden viele Amerikaner die Sorge in ein zweites Vietnam verwickelt zu werden.

Abizaid: Feldzug nach "Guerilla-Art"

Vor wenigen Tagen war es dann der neue US-Oberbefehlshaber in Irak, John Abizaid, der das Wort "Guerilla" erstmals offiziell in den Mund nahm und seinem Chef widersprach. Die Angriffe im Irak gegen die US-Soldaten bezeichnete Abizaid als "Feldzug nach klassischer Guerilla-Art gegen uns".

Nicht umsonst haben Regierungsvertreter in Washington den Begriff bislang vermieden und lieber von "unkoordinierten Angriffen" gesprochen. Denn für viele Amerikaner verbindet sich mit dem Wort "Guerilla-Krieg" eine traumatische Ernüchterung nach militärischen Erfolgen - der Schrecken von Vietnam. Während die US-Truppen in Vietnam fast alle großen Schlachten gewannen, waren sie doch am Ende in den Augen der Öffentlichkeit die Verlierer. Rund 50.000 amerikanische Soldaten fielen dem jahrelangen Guerilla-Konflikt in den 1960-er und 1970-er-Jahren zum Opfer.

Die Ziele, im Irak "die Herzen der Menschen zu gewinnen" und ihnen nach Jahrzehnten der Diktatur "Licht am Ende des Tunnels" zu zeigen, sind längst vom Kampf ums Überleben und um eine einigermaßen funktionierende Infrastruktur überschattet. Das Image der Amerikaner als siegreiche Befreier fällt in sich zusammen. Statt auf Jubel stoßen die Besatzungstruppen zunehmend auf Widerstand. Immer mehr Iraker wehren sich gegen die Fremdbestimmung. Hunger und Angst, wirtschaftliches Chaos und Kontrollen auf den Straßen werden als Demütigung aufgefasst.

PasskontrolleBild: AP

Annan: "Klarer Zeitplan für Rückzug nötig"

UN-Generalsekretär Kofi Annan forderte deshalb am vergangenen Wochenende (19. und 20.7.2003) einen "klaren Zeitplan" für einen schrittweisen Rückzug der amerikanischen und britischen Besatzungstruppen aus dem Irak. Zugleich sprach er sich in einem Lagebericht für die am Dienstag (22.7.2003) im Weltsicherheitsrat anstehende Beratung zur Entwicklung im Irak für eine stärkere Rolle der Vereinten Nationen aus. Indirekt unterstützt wurde Annan von mehreren protestierenden Irakern. Diese hatten am Wochenende vor UN-Vertretern in Bagdad erklärt, ihrem Land könne "Demokratie nicht von außen aufgezwungen werden".

Angesichts der anhaltenden Guerilla-Angriffe auf die US-Streitkräfte wird nach Angaben von Diplomaten in New York hinter verschlossenen Türen über die Möglichkeit einer neuen UN-Resolution gesprochen, die für den Einsatz einer Stabilisierungstruppe mit zehntausenden Soldaten zahlreicher Länder ein Mandat erteilen würde. Indien, Russland, Frankreich sowie Deutschland und weitere Staaten hatten zuvor erklärt, ihre Beteiligung an militärischen Stabilisierungsmaßnahmen sei nur mit einem klaren UN-Mandat denkbar.

Bush: "Langfristiges Unterfangen"

Mit einer solchen Resolution könnten die Amerikaner dann einen Teil der Verantwortung an die UN abgeben. Doch heißt das noch lange nicht, dass die Amerikaner sich aus dem Land zurückziehen wollen. George W. Bush erklärte noch vor kurzem, Ziel dieser Gegner von Freiheit und Frieden sei es, die USA zum Abzug zu bewegen, bevor ihre Aufgabe erfüllt sei. "Wir werden ihnen mit direkter und entschlossener Macht entgegentreten", betonte Bush. Ein baldiger Abzug von US-Truppen aus dem Irak sei unwahrscheinlich. Die Umwandlung des Irak in eine Demokratie werde ein "enormes und langfristiges Unterfangen" sein. Und das könnte langfristig zu heftigem Widerstand bei den Irakern gegen die Besatzungsmächte und zu einem andauernden Guerilla-Kampf führen.

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