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Politik

Chaos nach Machtübernahme der Taliban

16. August 2021

In Afghanistan fliehen die Menschen zu Tausenden vor den islamistischen Taliban, die das Land nun wieder beherrschen. Auf dem Flughafen in Kabul spielen sich dramatische Szenen ab.

Zahlreiche Menschen sind auf eine Passagiermaschine geklettert, um ihre Flucht aus Kabul zu erzwingen
Zahlreiche Menschen sind auf eine Passagiermaschine geklettert, um ihre Flucht aus Kabul zu erzwingen Bild: Wakil Kohsar/AFP/Getty Images

Auf dem Flughafen der afghanischen Hauptstadt brach nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban wegen des übergroßen Andrangs ein völliges Chaos aus. Teilweise wurde das Rollfeld von panischen Menschen mit dem Ziel gestürmt, einen Platz in einer Maschine zu ergattern.

Nach Augenzeugenberichten kamen mindestens sieben Menschen ums Leben. US-Soldaten feuerten vereinzelt Warnschüsse ab.

Ein Sprecher des deutschen Außenministeriums erklärte, dass auf dem Flughafen Kabul aktuell keine Starts und Landungen möglich seien, weil viele verzweifelte Menschen das Rollfeld blockierten.

Der Sicherheitsexperte der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Markus Kaim, geht davon aus, dass der Airport nicht mehr lange für Evakuierungsflüge genutzt werden kann. Dies sei vielleicht noch drei Tage oder höchstens eine Woche möglich - "dann schließt sich dieses Zeitfenster und wer dann das Land nicht verlassen hat, wird dort bleiben müssen", sagte Kaim im Sender Phoenix. 

Taliban sammeln Waffen ein

In Kabuls blieben am Montag Geschäfte und Cafés geschlossen. Taliban-Kämpfer sammelten in der afghanischen Hauptstadt Waffen von Zivilisten ein.

Die Islamisten, die das Land bereits von 1996 bis 2001 als Gottesstaat mit eisernem islamischen Recht regiert hatten, verkündeten am Sonntag das Ende der Kämpfe und die Einnahme Kabuls. "Der Krieg im Land ist vorbei", sagte Taliban-Sprecher Mohammed Naim dem Sender Al Dschasira. Bald werde klar sein, wie das Land künftig regiert werde. 

Tausende wollen fliehenBild: AFP/Getty Images

Zum weiteren Vorgehen äußerte sich Naim überraschend versöhnlich: Man wolle mit allen Beteiligten Frieden, schütze afghanische Persönlichkeiten und diplomatische Vertretungen und suche den Dialog mit der Staatengemeinschaft. Erwartet wird allerdings, dass die Taliban hart gegen Gegner vorgehen und erneut einen Gottesstaat einführen wollen. Zu befürchten sind verheerende Folgen vor allem für Frauen und Mädchen.

Die Hamas gratuliert

Die im Gazastreifen regierende radikalislamische Hamas gratulierte den Taliban zu ihrem "Sieg" in Afghanistan. Er sei das "Ergebnis ihres langen Kampfes der vergangenen 20 Jahre", erklärte die palästinensische Gruppe. Die Hamas wünsche "dem afghanischen Volk und seiner Führung Einheit, Stabilität und Wohlstand". Der Sieg der Taliban mache deutlich, dass "der Widerstand der Völker", auch des palästinensischen Volkes, "zum Sieg bestimmt" sei. Die Hamas wird von westlichen Ländern und Israel als "terroristisch" eingestuft.

Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats

Bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats mahnte Generalsekretär António Guterres die Taliban zu "äußerster Zurückhaltung", um so Leben zu schützen. Humanitäre Hilfe müsse weiter möglich sein, und allen Menschen, die das Land verlassen wollten, müssen dies möglich sein, forderte er in New York. Die Weltgemeinschaft rief der UN-Chef auf, afghanische Flüchtlinge aufzunehmen und Abschiebungen auszusetzen. Das höchste Gremium der Vereinten Nationen forderte zudem, dass durch Verhandlungen eine neue "geeinte, inklusive, repräsentative" Regierung in Kabul gebildet werden müsse, an der auch Frauen zu beteiligen seien. Zudem dürfe es nicht mehr zu Menschenrechtsverletzungen kommen.  

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Norbert Röttgen, sprach sich für rasche Gipfeltreffen von Europäischer Union und NATO zur Lage in Afghanistan aus. "Es wird auch wieder zu Bürgerkrieg kommen und Menschen werden davor fliehen", sagte der CDU-Politiker in Berlin. Es müsse genau geprüft werden, wie man mit dieser Situation umgehe.

CDU-Außenexperte Norbert Röttgen spricht von einem neuen Bürgerkrieg in Afghanistan (Archivbild)Bild: Michael Kappeler/dpa/picture-alliance

Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace lehnte einen erneuten Kampfeinsatz gegen die Taliban ab. "Wir werden nicht zurückgehen", sagte er dem Sender Sky News. "Ich habe zur Kenntnis genommen, dass die Taliban das Land kontrollieren."

China zu "freundlichen Beziehungen" bereit

China erklärte sich nach der Eroberung Kabuls durch die Taliban zu "freundlichen Beziehungen" mit den neuen Machthabern bereit. "China respektiert das Recht des afghanischen Volkes, unabhängig sein eigenes Schicksal zu entscheiden und ist bereit, (...) freundliche und kooperative Beziehungen mit Afghanistan" zu unterhalten, erklärte Außenamtssprecherin Hua Chunying in Peking. China und Afghanistan teilen eine 76 Kilometer lange Grenze.

Der russische Sonderbeauftragte für Afghanistan, Samir Kabulow, bleibt gelassen (Archivbild)Bild: Virginia Mayo/AP/picture alliance

Russland äußerte sich zurückhaltend zu einer möglichen Anerkennung der neuen afghanischen Regierung. Man habe keine Eile, sagte der russische Sonderbeauftragte für Afghanistan, Samir Kabulow, laut der Nachrichtenagentur RIA. Die Regierung in Moskau werde das Handeln der neuen Machthaber genau beobachten und dann eine Entscheidung treffen, kündigte er im Radiosender Ekho Moskvy an.

qu/sti/nob/gri (rtr, dpa, afp)

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