Für Klimagerechtigkeit und gegen die Räumung des Weilers Lützerath haben Tausende Menschen demonstriert - nicht alle friedlich. Die schwedische Aktivistin Greta Thunberg rief zum Widerstand auf.
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Mit so vielen Teilnehmern hatte niemand gerechnet: nicht RWE, nicht die Polizei und auch nicht die Veranstalter. Trotz Dauerregens und starken Windböen kamen, so die Polizei, über 15.000 Menschen nach Keyenberg im Rheinischen Braunkohlerevier, um gegen die Räumung des kleinen Ortes Lützerath zu protestieren. Die Veranstalter sprachen von 35.000 Teilnehmern bei der Demo. Unter den Demonstranten waren auch Hunderte von Aktivisten, die sich vor kurzem noch in Lützerath selbst aufgehalten haben. Dann wurden sie von der Polizei vertrieben.
Viele Anwohner unter den Demonstranten
Die meisten Teilnehmer bei der Demonstration am Samstag (14.1.) waren jedoch Anwohner aus den umliegenden Ortschaften sowie Umweltschützer aus allen Teilen Deutschlands. Durch Keyenberg liefen Familien mit Kindern ebenso wie viele junge Leute. Geplant war eigentlich, dass nach dem Marsch durch Keyenberg der Demonstrationszug Halt macht vor einer Bühne, die die Veranstalter auf einem freien Feld aufgestellt hatten, wenige Kilometer von Lützerath entfernt.
Tatsächlich bogen die meisten Demonstranten jedoch schon früher ab. Sie rannten über bestellte und unbestellte Felder zur Abrisskante des Tagebaus Garzweiler. Niemand hinderte sie daran, um zum Steilhang der Tagebaukante zu gehen, weder die Polizei noch die Veranstalter. Chaos drohte, in jedem Fall ein gefährliches Unterfangen. Denn der Dauerregen der letzten Tage hatte die Erde aufgeweicht. Die Menschen an der Abbruchkante hätten in die Tiefe gerissen werden können. Ein Wunder, dass nichts passierte.
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Thunberg sprach von Hoffnung
Nur ein Teil der Demonstranten stellte sich vor der Bühne auf freiem Feld auf, wo prominente Klima-Aktivisten Reden hielten. Greta Thunberg sprach von Hoffnung und Kampf, solange die Kohle unter Lützerath noch nicht gefördert worden sei. Sie hob die Verantwortung hervor, die das Industrieland Deutschland für die Klimapolitik trage. Sie rief die johlende Menge zum Widerstand auf. Sprecher der Veranstalter warnten die Menschen nicht vor den Gefahren am Steilhang des Tagebaus. Im Gegenteil. Sie riefen den Demonstranten zu, dass sie das tun sollten, was sie für "angemessen" halten, darunter auch nach Lützerath vorzudringen. So ermunterten sie die Demonstranten, Gesetze zu brechen.Meist vermummte Aktivisten versuchten daraufhin nach Lützerath zu gelangen. Die Polizei mit Wasserwerfern und Hundestaffeln stellte sich ihnen in den Weg. Es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und Rangeleien. Eine bislang unbekannte Zahl von Aktivisten wurde festgenommen. Nach Lützerath zu kommen ist inzwischen schwierig, weil der RWE-Konzern den Weiler mit einem 1,7 Kilometer langen Zaun umgeben hat.
Räumung dauert unvermindert an
In Lützerath geht die Räumung der Gebäude und der Baumhütten weiter. So wurde jetzt das Haus, welches bis vor einigen Monaten noch Bauer Eckardt Heukamp gehörte, abgetragen. Immer noch halten sich einige wenige Aktivisten in Baumhütten oder einem Tunnel auf. Doch die meisten haben Lützerath verlassen.
Die Demonstration in Keyenberg nutzten Vertreter anderer politischer Richtungen, um sich als Alternative zu den Grünen zu präsentieren. Besonders auffällig waren zahlreiche roten Fahnen der Partei "Die Linke". Tatsächlich sind viele Demonstranten enttäuscht von den "Grünen", da diese für die Räumung von Lützerath gestimmt hatten.
Mit Einbruch der Dämmerung gegen 16.30 Uhr löste sich die Demonstration auf.
Der verlorene Kampf um Lützerath
Bei der Räumung des Braunkohleortes Lützerath am Samstag ist die Lage eskaliert. Über 10.000 Demonstranten strömten in den Ort und durchbrachen teilweise die Polizeiketten. Greta Thunberg war ebenfalls vor Ort.
Bild: Oliver Berg/dpa/picture alliance
Revolution?
Tausende Menschen demonstrierten vor den Braunkohlebaggern. Nachdem die
Versammlung zunächst weitgehend friedlich verlief, wurde nach Angaben eines Polizeisprechers am Nachmittag Pyrotechnik auf Beamte gefeuert. Zugleich gelang es einigen Teilnehmern, die Polizeiketten zu durchbrechen und in den Tagebau vorzudringen.
Bild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance
Schlammschlacht
Als Demonstranten versuchten, bis zur Kante des Braunkohletagebaus vorzudringen, wurden sie von der Polizei gewaltsam zurückgedrängt. Der Aufenthalt an der Tagebaukante sei lebensgefährlich, weil der Boden durch Dauerregen aufgeweicht sei und Erdrutsche drohten. Die Demonstranten versuchten auch in das abgeriegelte Lützerath vorzudringen, was ihnen nach Polizeiangaben aber nicht gelang.
Bild: Oliver Berg/dpa/picture alliance
Wenige Polizisten, viele Demonstranten
In der Unterzahl: Zur Abschluss-Demo am Samstag kamen wesentlich mehr Menschen als erwartet: Die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer auf mehr als 15.000, die
Veranstalter sprachen von 35.000. Bis dahin war die Räumung des Dorfes im rheinischen Braunkohlerevier zwar zäh, aber überwiegend friedlich verlaufen.
Bild: Oliver Berg/dpa/picture alliance
Lob von Greta
Klimaaktivistin Greta Thunberg unterstützte die Demonstranten in Lützerath persönlich. Für sie sei "die große Zahl an Teilnehmern auf der Demo ein Zeichen der Hoffnung". Thunberg erklärte, Veränderungen in der Klima- und Umweltpolitik würden nicht von den Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft erzielt, sondern von den "Menschen, die in den Baumhäusern und auf der Straße sind".
Bild: /Henning Kaiserdpa/picture alliance
"Lasst die Kohle in der Erde"
Wie Greta Thunberg war auch Klimaaktivistin Luisa Neubauer (2.v.l.) vor Ort, um den Widerstand gegen die Räumung zu unterstützen. Es sei unbegreiflich, dass im Jahr 2023 noch immer Kohle abgebaggert und verfeuert werde, obwohl zur Genüge bekannt sei, dass der dadurch ausgelöste Klimawandel in vielen Teilen der Welt Menschenleben koste, so Thunberg. "Wir haben nicht vor, aufzugeben".
Bild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance
Mauer aus Kohle
Lützerath liegt mittlerweile fast direkt an der Abbruchkante zum Tagebau Garzweiler. Der Beschluss, die Kohlevorkommen unter dem Weiler zu erschließen, ist das Ergebnis eines Kompromisses zwischen den von den Grünen geführten Wirtschaftsministerien in Bund und NRW und dem Energiekonzern RWE. Für diesen muss Lützerath weichen - im Gegenzug für einen auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg des Landes.
Bild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance
Kampf um Zahlen und Ziele
"Mit unseren Fußabdrücken im Schlamm markieren wir die 1,5-Grad-Grenze für die Rettung des Klimas hier an der Abbruchkante", sagte der Vorsitzende des Umweltverbands BUND, Olaf Bandt bei der Demo. Werde die Kohle unter Lützerath verbrannt, seien die Vorgaben des deutschen Klimaschutzgesetzes nicht mehr einzuhalten.
Bild: Gero Rueter/DW
"Lützerath bleibt!" - nicht
Symbolische Demontage: Das Ortsschild von Lützerath wird abgebaut. Die Landwirtschaftsministerin von Nordrhein-Westfalen, Mona Neubaur, erklärte, die "sehr klimaschädliche Kohle unter Lützerath werde für die Energiesicherheit benötigt". Doch im Gegenzug sei es gelungen, den Kohleausstieg um acht Jahre vorzuziehen. Damit werde "weniger CO2 in die Atmosphäre emittiert".