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Charlie Hebdo: Sonderausgabe mit Karikaturen über Gott

Sarah Hucal
7. Januar 2025

Zehn Jahre nach dem Terroranschlag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo wurde ein Karikaturenwettbewerb ausgerufen. Die Zielscheibe: Gott und die christliche Religion.

CHARLIE HEBDO Cover: Ein breit grinsender Mann sitzt auf dem Lauf einer Maschinenpistole und hält die aktuelle Ausgabe in der Hand.
"Unverwüstlich": Die Charlie Hebdo-Ausgabe vom 7. Januar 2025Bild: Jean-François Frey/PHOTOPQR/L'ALSACE/MAXPPP/dpa/picture alliance

"Zeichnet die böseste und lustigste Karikatur über Gott", hieß es in dem Aufruf zum Karikaturenwettbewerb von Charlie Hebdo. Unter dem Titel #MockingGod (Gott verspotten) reichten professionelle Zeichnerinnen und Zeichner ihre Beiträge für die Sonderausgabe zum Gedenken an die Opfer des Anschlags vor zehn Jahren ein. Am 7. Januar 2025 wurde die 32-seitige Zeitschrift mit den besten Karikaturen veröffentlicht.

Angriff auf die Pressefreiheit

Vor zehn Jahren, am 7. Januar 2015, drangen islamistische Terroristen in die Redaktionsräume des Magazins ein und töteten zwölf Menschen. Die Satirezeitschrift wurde angegriffen, weil sie mit ihren abgedruckten Zeichnungen mehrfach den Propheten Mohammed verspottet hatte. Unter den Opfern waren einige der berühmtesten Karikaturisten Frankreichs, darunter Cabu, Tignous, Charb und Wolinski.

Das Massaker wurde als Angriff auf die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit im Allgemeinen betrachtet. Der Slogan "Je suis Charlie" (Ich bin Charlie) ging um die Welt. Aber er löste auch eine Gegenreaktion aus - denn nicht wenige waren der Meinung, dass Charlie Hebdo mit seinen Zeichnungen oft zu weit gegangen war.

Ein Jahrzehnt nach dem Anschlag zeigt es sich, dass Karikaturisten und ihre Fähigkeit, Menschen zum Lachen zu bringen - selbst wenn sie kontrovers sind - aufgrund der weltweiten Unterdrückung der Meinungsfreiheit wichtiger denn je sind.

Patrick Lamassoure alias KAK: Karikaturisten haben die Verantwortung, die Meinungsfreiheit zu schützenBild: Cartooning for Peace

"Wir beobachten die Situation der internationalen Karikaturisten, egal wo auf der Welt sie sich befinden, und ich muss sagen, dass der Trend wirklich besorgniserregend ist", sagte der Karikaturist Patrick Lamassoure, bekannt unter dem Pseudonym KAK, der DW.

"China, Russland, Iran, Indien, Indonesien, Malaysia, Brasilien und viele andere - die Mehrheit der Weltbevölkerung lebt in Ländern, in denen Pressezensur herrscht [und] Karikaturisten oft angegriffen und bedroht werden."

Lamassoure ist Präsident von Cartooning for Peace (Zeichnen für den Frieden), einem internationalen Netzwerk von Pressekarikaturisten, "die sich mit Humor für den Respekt vor Kulturen und Freiheiten einsetzen."

Der Charlie Hebdo-Wettbewerb 2025 suchte Beiträge von "allen, die es satt haben, in einer von Gott und Religion gelenkten Gesellschaft zu leben", heißt es auf der Website der Satirezeitschrift.

Auch wenn die Ergebnisse mit Sicherheit weitere Kontroversen auslösen werden, unterstützt Lamassoure, dessen Organisation im Januar eine Reihe von Veranstaltungen zu Charlie Hebdo ausrichtet, den Wettbewerb voll und ganz. "Ich finde es großartig, weil es etwas ist, das Charlie Hebdo auch getan hätte, wenn es den Anschlag niemals gegeben hätte", sagte er.

Im Rahmen einer aktuellen Ausstellung zum Gedenken an den Anschlag von 2015 erinnert die deutsche Karikaturistin Friederike Gross an ihre getöteten KollegenBild: Friederike Groß: Ohne Titel, 2024

Die lange Geschichte der politischen Karikatur in Frankreich

Nach der Französischen Revolution wurden politische Karikaturen populär, weil sie gesellschaftliche Missstände und Machtmissbrauch - auch seitens der Kirche - aufdeckten. Die Tradition der Karikaturen hat sich in Frankreich bis heute erhalten, denn : "Die Karikatur steht für die Fähigkeit der Bürger, den Regierenden in die Augen zu sehen und zu sagen: 'Wir sehen, was ihr tut, und wir können über euch lachen'", so Lamassoure.

Katzencontent versus Mohammed-Karikatur: So kommentiert die deutsche Karikaturistin Ruth Hebler die Hebdo-Debatte Bild: Ruth Hebler: Karikaturmeter, 2024

Seit ihrer Gründung im Jahr 1970 ist die Zeitschrift Charlie Hebdo dafür bekannt, dass sie die Grenzen dessen auslotet, was nach dem französischen Gesetz gegen Hassreden gesagt werden darf und was nicht. Und so macht Charlie Hebdo vor keiner Religion Halt, weder vor dem Islam, noch vor dem Christentum noch vor dem Judentum - denn alle üben in einer gewissen Form auch Macht aus - und der gilt es mit Humor und spitzem Bleistift zu begegnen.

Nach französischem Recht ist es erlaubt, sich über Religionen lustig zu machen, solange Minderheiten geschützt werden und nicht zu Gewalt aufgerufen wird.

Wann ist die Grenze überschritten?

Selbst wenn Karikaturen manche Menschen verärgern, kann nach Ansicht von Lamassoure nur das Gesetz entscheiden, was akzeptabel ist. "Denn alles, was ich sage und tue, kann jemanden verärgern - alles. Und die einzige Grenze kann das Gesetz sein, denn über das Gesetz sind wir uns alle einig", sagte er.

Ein Charlie-Hebdo-Wettbewerb für Karikaturen über den iranischen Ayatollah Ali Chamenei löste 2023 Proteste vor der französischen Botschaft in Teheran ausBild: Atta Kenare/AFP

Schon vor 2015 erlangte die Zeitschrift Charlie Hebdo Berühmtheit durch Karikaturen, die nach Ansicht von Kritikern zu weit gegangen waren - und wurde angegriffen. 2011 verwüstete ein Molotow-Cocktail die Redaktionsgebäude von "Charlie Hebdo", verletzt wurde niemand. Das Magazin hatte ein Sonderheft zum Wahlerfolg der Islamisten in Tunesien herausgebracht und sich dazu in "Scharia Hebdo" umbenannt. Als Chefredakteur war "Mohammed" genannt worden.

Provokationen wie diese gehören für politische Karikaturisten zum Tagesgeschäft. "Wenn die Leute wütend sind, weil ihnen nicht gefällt, was man sagt, ist das gut, das alles ist Meinungsfreiheit - solange man kein Gesetz bricht", so Lamassoure.

Der südafrikanische Zeichner ZAPIRO zeigt, dass Terroristen die Unterstützung für Charlie Hebdo nicht aufhalten könnenBild: ZAPIRO (Afrique du Sud) - Carooning for Peace

Die Verantwortung, sich über die Machthaber lustig zu machen

Es gibt jedoch immer noch Menschen, die die gesetzlich geschützte künstlerische Ausdrucksform von Charlie Hebdo ablehnen - und bereit sind, dafür Gesetze zu brechen: Sie bedrohen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Magazins. Diese arbeiten in geheimen Räumen, die streng bewacht werden, einige stehen sogar unter Polizeischutz. Sie machen dennoch unermüdlich weiter - in einem Land, in dem Meinungsfreiheit quasi zur Staatsräson zählt.

Nach Ansicht von Cartooning for Peace ist Frankreich eine der letzten Bastionen, in denen Satire noch lebendig ist. "Es gibt nicht mehr so viele Länder, in denen man über alles lachen kann, ohne dafür bedroht zu werden", sagt Patrick Lamassoure. Er fühlt sich dafür verantwortlich, diese Flamme am Leben zu erhalten, "denn die Möglichkeit, über die Machthaber zu lachen, ist ein Grundbedürfnis der Gesellschaft [und] eine sehr wichtige Freiheit. Selbst Menschen, die Karikaturisten kritisieren, brauchen diese Freiheit."

Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch.