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Musik

Nach dem Mauer-Konzert-Verbot: "Jetzt erst recht"

22. Mai 2017

Der künstlerische Aufstand gegen Nationalismus und die weltweit wachsende Abgrenzung beginnt mit einem Verbot durch die US-Behörden. Intendant Markus Rindt kann kaum glauben, dass so etwas "im Land der Freien" passiert.

Deutschland Markus Rindt Dresdner Sinfoniker in Dresden
Bild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Ein grenzübergreifendes friedliches Künstlerprojekt sollte es werden, um gegen Trumps geplanten Mauerbau zu protestieren. Doch jetzt haben die US-Behörden den Auftritt der Dresdner Sinfoniker auf ihrem Gebiet untersagt. Musiziert wird jetzt nur noch in der mexikanischen Grenzstadt Tijuana. Intendant Markus Rindt lässt sich trotzdem nicht entmutigen und hofft auf weltweite Signalwirkung des Konzerts. 

DW: Haben Sie damit gerechnet, dass Ihnen die Regierung Trump Steine in den Weg legt?

Markus Rindt: Also ehrlich gesagt: Ich hatte gehofft, dass die USA immer noch so liberal sind, dass so eine friedliche Aktion, mit Musik eine Brücke über die Mauer zu schlagen, möglich gewesen wäre. Aber so ist es nun offensichtlich nicht mehr. Wir sind enttäuscht über diese Entscheidung und laden alle Musiker, die mit uns auf der amerikanischen Seite musiziert hätten, ein, nach Mexiko zu kommen, um dort mit uns direkt an der Mauer zur USA eine großartige Sache zu starten.

Offizieller Grund der Absage sind Sicherheitsbedenken und Vogelschutz. Können sie das nachvollziehen?

Ich bin ein großer Verfechter des Umwelt- und des Tierschutzes, aber wofür ich dann kein Verständnis habe, ist, dass dort eine Woche vor unserem Konzert ein anderes großes Event auf der US-Seite stattfinden kann - und da gilt der Vogelschutz dann plötzlich nicht. Deswegen ist klar, dass es sich um ein vorgeschobenes Argument handelt. Ebenso die Sicherheitsbedenken: Wir hatten zuerst den Auftritt im Freundschaftspark beantragt und wollten dort mit einem Kinderchor aus San Diego gemeinsam über die Mauer musizieren. Da hatten die Grenzbehörden schon Anfang April Sicherheitsbedenken - und das bei einem Kinderchor, erstaunlich, nicht wahr? Dann haben wir den Ort gewechselt und eine Genehmigung für einen Auftritt am Strand beantragt, der auch durch die Mauer geteilt ist. Dann hieß es, die Musiker müssten auf amerikanischer Seite 40 Meter Sicherheitsabstand zum Zaun halten. Das stellte schon einen Kompromiss dar, aber jetzt haben uns die US-Behörden den Auftritt auf amerikanischer Seite ganz verweigert. Das sind einfach vorgeschobene Gründe; sie haben einfach Angst vor der politischen Dimension.

Treffen am Zaun im San Diego Friendship ParkBild: Reuters/J. Duenes

Gab es so viele Bedenken auch auf mexikanischer Seite, oder empfängt man Sie dort mit Kusshand?

Da gab es erstaunlicherweise überhaupt keine Bürokratie. Normalerweise ist das ja in Mexiko auch ein bisschen schwierig, aber wir sind da wirklich sehr herzlich empfangen worden. Die Stadt Tijuana unterstützt uns wirklich sehr. Wir bekommen Technik und Sicherheitspersonal gestellt, es werden Straßen gesperrt. Am 3. Juni gibt es ein Festival direkt an der Mauer. Das Konzert der Dresdner Sinfoniker ist am Ende nur ein kleiner Teil davon, aber wir haben so viele Anfragen von Künstlern, dass wir unser Event ab 11 Uhr Ortszeit auf fünf Stunden ausgeweitet haben. Wir werden auch die Mauer an sich zum Klingen bringen, das heißt, zahlreiche Percussionisten aus Mexiko und den USA sowie die Musiker der Dresdner Sinfoniker führen ein Werk von Harald Thiemann auf, bei der die Metall-Mauer zu einem Percussioninstrument transformiert wird.

Sie gehen jetzt nach dem Motto damit um: "Jetzt erst recht". 

Genau, wir gehen nach vorn, den Rückwärtsgang gibt es jetzt nicht mehr. Wir wollen so viele Menschen wie möglich erreichen und sie ermutigen, sich uns am 3. Juni anzuschließen, egal wo sie an dieser Mauer auch leben (die Mauer ist 3144 Kilometer lang, Anmerkung d. Red.). Sie sollen viele kleine Flashmobs oder andere Kunstaktionen an der Grenze initiieren, zum Beispiel ein Lied singen, Musik machen oder die Mauer bemalen, um ein Zeichen gegen den zunehmenden Nationalismus und die "Einmauerung der Welt zu setzen. Sie sollen ihre Aktion mit dem Handy oder einer Kamera aufnehmen und unter dem Hashtag #teardownthiswall in den sozialen Netzwerken teilen, so dass alle Menschen auf der Welt am Abend des 3. Juni sehen können, was dort alles passiert ist.  

Im "Land der Freien" ist die künstlerische Freiheit wohl doch nicht grenzenlos - meinen Sie, dass die symbolische Aussagekraft des Konzerts jetzt noch stärker wird?

Geht es nach Trump, soll aus dem Zaun einen meterhohe Mauer werden Bild: Getty Images/D. McNew

Ich hätte ja nicht gedacht, dass die Behörden in den USA das untersagen. Es ist ein Kunstprojekt, es ist nicht in erster Linie eine politische Demonstration. Natürlich hat es auch mit Politik zu tun, aber es ist ein friedliches Konzert. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich Künstler in den USA anscheinend nicht mehr frei äußern können. Wenn das jetzt schon nicht mehr funktioniert, wo führt es denn noch hin? Nach der Absage der US-Behörden hoffe ich, dass sich uns viele Menschen gerade deswegen anschließen, damit die Sache unübersehbar wird und wir ein weltweites Signal senden.

Ist "Tear down this Wall" ein Konzert gegen alle Mauern dieser Welt?

Absolut. Das sprechen wir an und das betone ich auch immer wieder: Diese Aktion richtet sich gegen alle Mauern weltweit, die überall wie Pilze aus dem Boden wachsen. Zum Beispiel auch an den Außengrenzen Europas. Schauen Sie sich nur das tägliche Flüchtlingsleid im Mittelmeer oder die verzweifelten Menschen in Syrien an der Grenze zur Türkei an, die dringend unserer Hilfe bedürfen! Und darüber hinaus ist es auch eine Aktion gegen die Mauer in den Köpfen der Menschen. Wir sehen ja, dass in vielen Ländern der Nationalismus erstarkt. Wir wollen dagegen ein künstlerisches Zeichen setzen. Wir könnten unsere Aktion in vielen anderen Ländern der Welt stattfinden lassen. Leider ergäbe dies eine sehr lange Liste an Möglichkeiten.

Immer wieder gab es Proteste gegen Trumps Pläne Bild: DW/O. Lopez

Der Hornist Markus Rindt ist Intendant der Dresdner Sinfoniker, die er 1997 zusammen mit dem Komponisten und Regisseur Sven Helbig gründete. Rindt wurde 1967 in Magdeburg geboren und studierte Musik und Horn. Das Thema "Grenzzaun" liegt ihm besonders im Herzen, floh er doch selbst aus der damaligen DDR in den Westen. Seine Dresdner Sinfoniker gehören mittlerweile zu den profiliertesten europäischen Orchestern für zeitgenössische Musik und machten immer wieder durch völkerverbindende Projekte auf sich aufmerksam. 

Das Gespräch führte Suzanne Cords. 

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