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Chefinnen gesucht: Vorstände werden diverser

21. Juni 2023

Noch immer gibt es in deutschen Vorständen zu wenig Frauen. Headhunter rekrutieren die weiblichen Chefs vor allem extern. Dafür setzen sich auch im eigenen Haus auf mehr Diversität.

Symbolbild Gleichberechtigung Frauen
Bild: Annette Riedl/dpa/picture alliance

In jedem Jahr werden rund 100 Vorstandsposten in den 160 deutschen an der Börse notierten Unternehmen neu besetzt. Für viele Firmen ist es eine gute Gelegenheit, um den Frauenanteil in den Chefetagen zu erhöhen. So wurden in den sechs Monaten zwischen September 2022 und März 2023 fast die Hälfte aller neuen Stellen in diesem Bereich mit Frauen besetzt.

Das sei eine bislang ungewöhnlich starke Dynamik, so eine neue Studie der Allbright Stiftung. Trotzdem war auch am 1. März 2023 der Frauenanteil in den Vorständen der 160 in DAX, MDAX und SDAX notierten Unternehmen noch immer sehr niedrig und lag bei nur 17,1 Prozent, vermerkt die Stiftung mit Sitz in Stockholm und Berlin, die sich seit Jahren für mehr Frauen in Führungspositionen einsetzt. 

Headhunter finden Vorständinnen oft extern

Personaldienstleister, neudeutsch Headhunter, spielen bei der Erhöhung des Frauenanteils in den Unternehmensführungen eine immer größere Rolle. Besonders, wenn es darum geht, externe Kandidatinnen für Vorstandspositionen in den großen Börsenunternehmen zu finden, dann sind in Deutschland oft fünf der weltweit größten Personalberatungen involviert.

Häufig finden die Berater Vorständinnen in ausländischen Unternehmen. So hat rund die Hälfte (49 Prozent) der extern rekrutierten Vorständinnen zuvor in einem ausländischen Unternehmen Karriere gemacht, bei den Männern waren es 36 Prozent. Knapp jede fünfte Vorständin (19 Prozent) fanden die Headhunter in einem der 40 großen DAX-Unternehmen unterhalb des Vorstands (bei den Männern waren es neun Prozent).

Unternehmen müssen Frauen stärker selber fördern

Während ein Großteil der männlichen Vorstände im eigenen Unternehmen Karriere gemacht haben, kommen bislang mehr als die Hälfte der heutigen weiblichen Vorstandsmitglieder in den Börsensegmenten DAX, MDAX und SDAX (63 Prozent) aus anderen Unternehmen. "Im eigenen Unternehmen schaffen es die weiblichen Talente nur im Ausnahmefall bis an die Spitze", so die Studie. In ausländischen Unternehmen gebe es dagegen bereits mehr Frauen auf der Top-Ebene als in deutschen.

Sie ist ein "Eigengewächs" von Porsche und hat sich dort 2021 als einzige Frau in den Vorstand hochgearbeitetBild: Porsche AG/dpa/picture alliance

"Unternehmen versuchen, ihre jahrelangen Defizite bei der Beförderung von Frauen über den Einsatz von Personalberatungen zu kompensieren", kommentieren Wiebke Ankersen und Christian Berg, die Geschäftsführer der AllBright Stiftung. "Das kann aber nur ein Teil der Lösung sein. Wenn wir deutlich mehr Frauen in den Vorständen sehen wollen, brauchen wir Parität nicht nur bei den externen Besetzungen, sondern auch bei den internen Beförderungen bis in die Unternehmensführung." Die Unternehmen müssten selbst systematisch einen viel größeren Pool an weiblichen Führungskräften auf allen Ebenen aufbauen, daran führe kein Weg vorbei, so die Geschäftsführung.

Vor allem können Personalberatungen zwar bei der Suche nach weiblichen Chefs helfen, die Entscheidung über die Besetzung eines Vorstandspostens fällt aber am Ende der Aufsichtsrat. "Headhunter berichten von Aufsichtsratsvorsitzenden, die sagen, sie wollten eine Frau für den Vorstand, die aber am Ende unsicher werden und sich dann doch für die vermeintlich sichere Karte, einen Mann, entscheiden", beklagt Sven Hagströmer, der Stifter der Allbright Stiftung. Und es gebe Vorstandsvorsitzende, die zwar eine Frau im Team wollen, die aber nicht für eine Kultur gesorgt haben, die darauf eingestellt ist. "Dann besteht das Risiko eines Pyrrhussiegs und die Frau sucht sich bald ein moderneres und offeneres Unternehmen", so Hagströmer.

Claudia Nemat ist seit 2011 Vorständin bei der Deutschen Telekom. Davor arbeitete sie für die Unternehmensberatung McKinsey&CompanyBild: picture-alliance/dpa

Auch Headhunter werden weiblicher

Veränderung gibt es auch in den fünf weltweit größten Personalberatungen. Während mehr Gender Diversität in den USA schon seit Jahren ein Thema ist, haben die deutschen Geschäftsstellen Frauen bei der eigenen Personalauswahl erst in den letzten zwei Jahren stärker berücksichtigt. Im Jahr 2022 und bis März 2023 waren in den fünf großen Personalberatungen 72 Prozent der Neueinstellungen im Bereich Executive Search Frauen. Damit ist der Frauenanteil bei den Headhuntern in diesem Bereich auf nun durchschnittlich 37 Prozent angestiegen.

Die deutschen Geschäftsführungen liegen aber immer noch in der Hand von Männern. "Auch in den weiteren Führungspositionen dominieren Männer zum Teil noch deutlich: So sind beispielsweise sechs von sieben Büroleitungen bei Egon Zehnder in Deutschland Männer", laut der Allbright Studie.

Mehr Gender Diversität bei Headhuntern scheint sich aber auszuzahlen. Es wurden erfolgreicher Vorständinnen rekrutiert. Vor fünf Jahren betrug der Frauenanteil unter den von ihnen vermittelten neuen Vorstandsmitgliedern noch 14 Prozent, im Zeitraum Januar 2022 bis März 2023 waren es bereits 46 Prozent.

Sabine Bendiek: Seit 2021 Vorständin bei SAP - davor war sie Vorsitzende der Geschäftsführung bei Microsoft DeutschlandBild: Uwe Anspach/dpa/picture alliance

Global Gender Gap Report: Gleichstellung auf Vor-Pandemie-Niveau

Auch außerhalb der Vorstände hat die Gleichstellung der Geschlechter wieder das Vor-Pandemie-Niveau erreicht, so der Global Gender Gap Report des World Economic Forum (WEF). Während die Chancengleichheit von Frauen bei der wirtschaftlichen Teilhabe gegenüber 2022 zurückgeht, hat sie, was die politische Teilhabe angeht, geringfügig zugenommen.

Die besten Chancen haben immer noch Frauen in Island. Damit ist Island zum 14. Mal in Folge das Land mit der größten Geschlechtergleichheit in der Welt und das einzige Land, das mehr als 90 Prozent der geschlechtsspezifischen Unterschiede beseitigt hat. Die folgenden neuen Länder auf der Rangliste haben mindestens 80 Prozent der geschlechtsspezifischen Unterschiede beseitigt. Dazu gehören Norwegen, Finnland, Neuseeland, Schweden, Deutschland, Nicaragua, Namibia und Litauen. Nach dem WEF-Report wird es rein rechnerisch noch 131 Jahre dauern, bis eine Gleichstellung der Geschlechter erreicht ist.

Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion
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