Chemiestandorte in unmittelbarer Nähe zu großen Städten sind in Deutschland keine Seltenheit. BASF beispielsweise bei Mannheim, Bayer in der Nähe von Köln. Das birgt Risiken, aber vor allem Vorteile.
Blick auf den Chempark Leverkusen (rechts im Bild). Links das Hauptquartier des Chemie- und Pharmakonzerns Bayer AGBild: Currenta
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Die Chemieindustrie im Rheinland - einer Region des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen - zu denen auch der Chempark Leverkusen zählt, ist einer der größten Standorte der Branche in Europa. Über 260 Chemieunternehmen beschäftigen hier mehr als 70.000 Mitarbeiter, oft gebündelt in sogenannten Chemieparks. Von Wesseling im Süden bis Dormagen im Norden: In einem Umkreis von wenigen Kilometern um Köln haben Weltunternehmen wie Bayer, ExxonMobil Chemical, Ineos, Covestro, Lyondellbasell oder Lanxess ihren Standort. Um zu verstehen, wie Großstadt und Chemiepark in so unmittelbarer Nähe existieren können, die Chemieparks quasi in Metropolregionen eingebettet sind, muss man auf die lange Historie des Rheinlands als Industriestandort zurückblicken.
Rauchwolke über Chempark Leverkusen nach der Explosion am 27.JuliBild: picture alliance/dpa
Carl Leverkus und die Farbfabrik
Vor allem der Rhein als Transportweg für Massengut war dafür entscheidend, dass sich Ende des 19. Jahrhunderts an der Rheinschiene viele Chemiekonzerne ansiedelten. Die Stadt Leverkusen verdankt der Industrie sogar ihren Namen: Im Jahr 1860 verlegte der Chemiker Carl Leverkus seine Ultramarinfabrik von Wermelskirchen ins kleine Wiesdorf am Rhein. Knapp 20 Jahre später zog auch der Vorgänger des internationalen Chemiekonzerns Bayer, die Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer et comp., vom zu klein gewordenen Standort in Elberfeld (heute ein Stadtteil von Wuppertal) nach Wiesdorf. Am Rheinufer waren dank der Leverkus'schen Fabrik schon alle wichtigen Anlagen für die Produktion vorhanden.
Die Anfänge: Herstellung des Fiebersenkers Phenacetin bei Bayer in Elberfeld im Jahr 1888Bild: Foto: Bayer AG/dpa
Weil man daran interessiert war, den Arbeitern einen kurzen Arbeitsweg zu ermöglichen (Pendeln war seinerzeit zudem keine Option), baute man die Siedlungen in unmittelbarer Nähe zur Fabrik. So wuchsen die Ortschaften zu Städten heran, schließlich wurde daraus das heutige Leverkusen. Bis heute findet sich deswegen die Wohnbebauung der Stadt in unmittelbarer Nähe zu den Werken. Gleichzeitig lieferte die Industrie immer mehr Arbeitsplätze, was in Städten wie Köln für Zuzug sorgte.
Während des sogenannten Wirtschaftswunders der Nachkriegsjahre wuchsen die im Rheinland angesiedelten Konzerne erheblich. Um die Jahrhundertwende gingen aus Umstrukturierungen der bis dahin einzelnen Chemiewerke und Betriebe sogenannte Chemieparks hervor. Die Idee: Auf einem Standort bündeln verschiedene Unternehmen ihre Produktion, nutzen Synergien, schaffen die nötige Infrastruktur - mit Erfolg.
Exportschlager Chemieparks
"Das Modell der deutschen Chemieparks ist ein Exportschlager", weiß Ernst Grigat. Der promovierte Chemiker leitete über zehn Jahre den "Chempark" mit den Werken in Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen. In China seien über tausend Chemieparks nach deutschem Vorbild gebaut worden, sagt Grigat. Denn die Ballung von Expertise und Ressourcen ermögliche ein besseres Sicherheits- und Umweltmanagement.
Lage der Standorte des Chemparks
Zudem hat die Chemieregion im Rheinland einen weiteren Wettbewerbsvorteil. Die Dichte der Chemieparks ermöglicht den Werken, auch untereinander zu kooperieren, sagt Grigat. "Es gibt einen sehr starken Verbund zwischen den rheinischen Werken, zwischen Dormagen, Leverkusen und Wesseling." Dazu hat der Standort Zugang zu Seehäfen, befindet sich an einer Schnittstelle vieler europäischer Verkehrsachsen und ist an ein einzigartiges Pipeline-System angebunden, durch das 50 Prozent aller Stoffe transportiert werden können. "Der Kölner weiß das vielleicht nicht", sagt Grigat "aber Köln ist die Chemiehauptstadt Deutschlands, vielleicht sogar Europas."
Schon im November 2016 gab es einen Brand im Chempark LeverkusenBild: picture-alliance/dpa/O. Berg
Aber ist das nicht gefährlich, Chemieproduktion so nah an der Stadt? Nicht unbedingt, meint Ernst Grigat. Natürlich entstünden in der Chemie Zwischenprodukte, die gefährlich sein könnten. Aber ein wesentlicher Vorteil der Chemieparks sei, dass dort die nötigen Sicherheitsstrukturen wie speziell im Umgang mit Gefahrstoffen geschulte Werksfeuerwehren vorhanden seien. Neue Unternehmen siedelten sich deswegen nun direkt in den Chemieparks an, um sich rechtlich abzusichern. Auch Fabriken, die einst in einem Industriegebiet angesiedelt waren, heute jedoch aufgrund des Städtewachstums auf einmal mitten in der Stadt liegen, bevorzugten einen Umzug in einen Chemiepark. Und die seien, so Grigat, häufig so groß geplant, dass trotz der Nähe zu Wohnsiedlungen die Sicherheitsstandards gewahrt werden können.
150 Jahre BASF: Geburtstag eines Weltkonzerns
Gründung, Zerschlagung, Neugründung - die Geschichte der BASF war bewegt und hat auch dunkle Kapitel. Für die Zukunft hat sich der Konzern Lösungen drängender Zukunftsfragen auf die Fahnen geschrieben.
Bild: BASF SE
Globaler Arbeitgeber
In der Chemiebranche gibt es weltweit keinen Konzern, der mehr Umsatz macht und eine größere Marktkapitalisierung hat als die BASF. 2014 lag der Umsatz bei 74,3 Milliarden Euro. Weltweit arbeiten 113.000 Menschen in mehr als 80 Ländern für den Konzern. Der Hauptsitz befindet sich in Ludwigshafen am Rhein (Bild), daneben gibt es über 390 Produktionsstandorte weltweit.
Bild: picture alliance/Fotoagentur Kunz
Neues Geschäft aus Nebenprodukten
Es begann am 6. April 1865. Damals gründete der deutsche Unternehmer Friedrich Engelhorn die Badische Anilin- und Sodafabrik (später BASF). Seit einigen Jahren schon versorgte seine Gasfabrik die Stadt Mannheim mit Leuchtgas. Dabei fiel als Nebenprodukt Steinkohleteer an. Daraus wollte Engelhorn nun Teerfarbstoffe und Farbstoffe auf Anilinbasis für Textilien herstellen.
Bild: BASF SE
Produktpalette wurde ständig erweitert
Die BASF sollte aber nicht nur Farbstoffe produzieren, sondern auch die dafür benötigten Hilfsstoffe sowie Vor- und Zwischenprodukte. Bis heute gehören Soda, Anilin und Farbstoffe zum Portfolio der BASF. Anilin wird aus dem blauen Farbstoff Indigo gewonnen und ist Ausgangsstoff für künstliche Farben. Im Bild: Die Pigmente werden im Labor in Mangalore (Indien) untersucht.
Bild: BASF SE
Stoff für Dünger und Schießpulver
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts war es dank der Arbeit der Chemiker Fritz Haber und Carl Bosch möglich Ammoniak industriell herzustellen. Das braucht man für Düngemittel, aber auch für Sprengstoff. So produzierte die BASF während des Ersten Weltkrieges Sprengstoff, Schießpulver und Giftgase für den Kriegseinsatz.
Bild: picture-alliance/dpa/Philipp Schulze
Chemiebranche rückt zusammen
Nach dem Ersten Weltkrieg erholte sich die Wirtschaft nur schleppend. Die Chemiebranche beschloss daraufhin ihre seit 1916 bestehende lockere Zusammenarbeit zu intensivieren. 1925 entsteht durch Fusion der BASF mit fünf weiteren Firmen - darunter Hoechst und Bayer - die I.G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft (I.G. Farben). Im Bild das ehemalige Hauptgebäude der I.G. Farben in Frankfurt (Main).
Bild: picture-alliance/dpa
Mithilfe bei Massenvernichtung
Ein dunkles Kapitel der Firmengeschichte wird in der Nazizeit aufgeschlagen: Bei der I.G. Farben arbeiten im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge. Im Bild das Konzentrationslager der IG-Farben in Auschwitz-Monowitz.. Hier wird das Gas Zyklon B produziert. Eigentlich war es als Insektenvernichtungsmittel gedacht, die Nazis benutzten es jedoch, um Millionen von Menschen zu töten.
Bild: picture-alliance/dpa
BASF in Trümmern
Im März 1945 besetzten alliierte Truppen das Werk in Ludwigshafen. Es war bereits durch Bombenangriffe weitgehend zerstört. Noch im selben Jahr beschlagnahmten die vier Besatzungsmächte das gesamte Konzernvermögen. In der sowjetischen Besatzungszone wurden die Werke zur Reparation demontiert oder verstaatlicht. Im November 1945 verfügte der alliierte Kontrollrat die Auflösung der I.G. Farben.
Bild: picture-alliance/dpa
Auferstanden aus Ruinen
Am 30. Januar 1952 entstanden aus der ehemaligen I.G. Farben elf Unternehmen: neben Agfa, der Bayer AG; der Hoechst AG wurde die BASF neu gegründet. Sie konzentrierte sich in den folgenden Jahren vor allem auf die Kunststoffproduktion. In den kommenden Jahrzehnten wurden außerdem immer mehr Produktionsstandorte auf der ganzen Welt eröffnet.
Bild: dapd
Alles rund um Chemie
Die Produktpalette der heutigen BASF ist riesig. Farben und Lacke werden immer noch hergestellt, daneben produziert sie Styropor, Dämmstoffe, Medikamente, Lichtschutzmittel, Batteriematerialien für Fahrzeuge, Klebstoffe und vieles mehr. Auch in die Forschung wird investiert, beispielsweise in organische Solarzellen (Bild). 2014 flossen rund 1,8 Milliarden Euro in Forschungsprojekte.
Bild: BASF SE
Verkaufsschlager Chemikalien
Einen großen Teil ihres Umsatzes macht die BASF mit Chemikalien und Zwischenprodukten für Bau-, Pharma-, Textil- und Automobilindustrie. Eingesetzt werden solche Produkte beispielsweise bei Bauarbeiten an der Londoner U-Bahn (Bild) - für Tunnelbohrmaschinen, robotergesteuerte Maschinen zur Felssicherung bis hin zu Produkten für Spritzbeton und Beschichtungen zur Brandsicherung.
Bild: BASF SE
Farben für den "guten Geschmack"
Im Programm sind außerdem sogenannte Veredelungschemikalien, die in der Konsumgüter- und Nahrungsmittelindustrie zum Einsatz. kommen. Dazu gehören Mikronährstoffe für die Tiermast ebenso wie Farbstoffe für Lebensmittel, die beispielsweise Pudding eine intensive gelbe Farbe geben (Bild).
Bild: BASF SE
Gentechnik auf dem Feld
Um Erträge in der Landwirtschaft zu steigern, experimentieren BASF-Mitarbeiter mit gentechnisch veränderten Pflanzen, so zum Beispiel mit Rapspflanzen (Bild), die einen höheren Anteil an langkettigen Omega-3-Fettsäuren haben sollen. Kooperationen wie die mit dem Landmaschinenbauer John Deere sollen Farmern helfen, ihren Anbau mittels IT zu steuern.
Bild: BASF SE
Öl- und Gasgeschäft
Außerdem fördert die BASF Öl und Erdgas in Europa, Nordafrika, Russland, Südamerika und im Nahen Osten. Zusammen mit dem russischen Partner Gazprom ist sie in Europa im Transport und in der Speicherung von Erdgas sowie im Erdgashandel aktiv. So gehört der BASF die Hälfte des größten Erdgasspeichers in Europa (Bild).
Bild: picture-alliance/dpa/C. Jaspersen
Wenig bekannt
In der Öffentlichkeit weniger bekannt ist, dass die BASF nicht nur der größte Chemiekonzern ist, sondern auch einer der größten Weinhändler Deutschlands. Rund 900.000 Flaschen wurden allein 2013 vertrieben. Mehr als 2000 verschiedene Weine lagern im Weinkeller der BASF, der seit über hundert Jahren besteht.