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Chile hat seine Reifeprüfung bestanden

Emilia Rojas8. Januar 2006

16 Jahre nach der Rückkehr Chiles zur Demokratie stellt die Präsidentschaftswahl in einer Woche keine Feuerprobe mehr für Politik und Wirtschaft dar. Wohl aber den Anfang einer Neuorganisation der politischen Kräfte.

Ricardo Lagos will einen AmtsnachfolgerBild: dpa

Der chilenische Präsident Ricardo Lagos reitet dem Ende seiner Amtszeit auf einer Welle der Zustimmung entgegen. Fast 60 Prozent der Bevölkerung beurteilt seine Arbeit laut einer Umfrage des CEP (Centro de Estudios Públicos), die kurz vor der ersten Runde der Wahlen in Dezember bekannt wurde, positiv, Ein außergewöhnliches Ergebnis für lateinamerikanische Verhältnisse.

Die Gründe liegen auf der Hand: Chile ist politisch stabil geworden, seine Wirtschaft weist ein Wachstum von sechs Prozent im Jahr 2005 auf und die Arbeitslosigkeit ist auf 7,6 Prozent zurück gegangen, gut ein Punkt weniger als Ende 2004.

Schwierige zweite Runde

Michelle Bachelet gilt noch als aussichtsreichste KandidatinBild: AP

Lagos muss sich keine Sorgen um sein Ansehen machen. Wohl kümmert ihn aber die Kontinuität seines politischen Erbes, weshalb er sich aktiv im Wahlkampf für die Kandidatin seines Regierungsbündnisses (Concertación por la Democracia) eingesetzt hat. Das hat ihm auch herbe Kritik aus dem konservativen Lager beschert. Der Sieg der sozialistischen Michelle Bachelet, an dem vor sechs Monaten niemand zu zweifeln wagte, erscheint heute nicht mehr hundertprozentig sicher, obwohl ihr immer noch die besten Chancen ausgerechnet werden.

Tatsache ist, dass Bachelet es nicht geschafft hat, in der ersten Wahlrunde die absolute Mehrheit zu erlangen. Ein Grund dafür war der Eintritt des Unternehmers Sebastián Piñera in den Wahlkampf, mit dem sie sich am 15. Januar messen muss. Piñera hat schon einen beachtlichen Erfolg gefeiert, indem er als Vorsitzender der konservativen Partei Renovación Nacional (RN) im ersten Wahlgang den anderen Rechtskandidaten Joaquín Lavín von der UDI klar hinter sich ließ.

Auflösung der Blöcke?

"Die Werte des christlichen Humanismus sind kein Eigentum der Christdemokraten", behauptet Piñera ständig, der auch diese Weltanschauung für sich beansprucht. Dabei erinnert er daran, dass er mit Nein in jenem historischen Referendum abgestimmt hat, das das Ende der Diktatur besiegelte. Damit ging er auf Wählerfang in den turbulenten Gewässern der Democracia Cristiana (DC) - mit gewissem Erfolg: So manche Christdemokraten haben lieber ihn als eine Sozialistin gewählt.

Umweltschützer, Humanisten und Kommunisten

In der zweiten Wahlrunde ist er aber auf die Unterstützung von Lavins Kräften angewiesen - die unliebsamen Alliierten, die mehr in Verbindung mit dem Erbe des Ex-Diktators Augusto Pinochet gebracht werden. Das könnte einige Wähler abschrecken und sie dazu bewegen, doch für Bachelet zu stimmen. Sie wird auch wahrscheinlich einige Stimmen zurückgewinnen können, die zur Bestrafung der Regierung an andere Kandidaten gegangen waren. Außerdem wird sie wohl die Unterstützung der Umweltschützer, Humanisten und Kommunisten bekommen, die im Dezember einen eigenen Kandidaten zur Wahl stellten.

Unabhängig davon, wer den Sieg Mitte Januar erringt, könnte Piñeras Wahlkampf eine Veränderung in Chiles politischer Landschaft einläuten. 16 Jahre nach dem Ende der Diktatur dürften einige Allianzen anfangen zu bröckeln, zumindest auf Bürgerebene. Pinochet war sowieso kein Thema mehr im Wahlkampf, im TV-Duell der Kandidaten in Dezember wurde er noch nicht einmal erwähnt.

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