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Politik

Präsident ruft Opposition zum Dialog auf

22. Oktober 2019

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden wendet sich Staatschef Sebastián Piñera an die Öffentlichkeit. Doch das Misstrauen sitzt tief. Mit ein paar Worten lassen sich die aufgebrachten Chilenen nicht beruhigen.

Proteste in Chile Präsident Sebastian Pinera
Chiles Präsident Piñera will Gespräche mit der Opposition Bild: picture-alliance/dpa/L. Hidalgo

Chiles konservativer Präsident Sebastián Piñera hat an die Opposition appelliert, gemeinsam mit der Regierung nach Lösungen für die schwere soziale Krise im Land zu suchen. Alle Seiten sollten an einem "Rekonstruktionsplan" arbeiten, sagte Piñera, der sich zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden an die Öffentlichkeit wandte. Ziel sei unter anderem eine Anhebung der Renten, eine Senkung der Medikamentenpreise und eine bessere Regelung der Strompreise. Lediglich die Kommunistische Partei wurde von dem für diesen Dienstag angesetzten Dialog ausgeschlossen. Ob er tatsächlich stattfinden wird, ist allerdings ungewiss. 

Zugleich verteidigte Piñera seine Worte vom Montag, als er in seiner vom Fernsehen übertragenen Rede von einem "Krieg gegen einen machtvollen und unerbittlichen Feind" gesprochen hatte, "der nichts und niemanden respektiert". Er habe sich "so hart" geäußert, weil ihn der "Schaden und der Schmerz" empörten, den diese Gewalt verursache, meinte der Staatschef.

Piñeras Wortwahl stößt auf Unverständnis

Seine Äußerungen waren nicht nur in der Bevölkerung scharf kritisiert worden. Piñeras Vorgängerin im Präsidentenamt, die UN-Kommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, warnte, eine erhitzte Rhetorik und eine weitere Polarisierung verschlimmerten lediglich die Lage in Chile. Die Regierung müsse sich mit der Zivilgesellschaft um einen Dialog bemühen, forderte sie. Auch der von Piñera ernannte Kommandeur des Ausnahmezustands, General Javier Iturriaga, distanzierte sich. "Ich stehe gegen niemanden im Krieg", sagte er.  

Mit Wasserwerfern gehen die Sicherheitskräfte in Santiago am Montag gegen Demonstranten vor Bild: Reuters/I. Alvarado

Die landesweiten Unruhen hatten sich an einer Fahrpreiserhöhung für U-Bahn-Tickets entzündet. Mindestens elf Menschen wurden bei schweren Ausschreitungen am Wochenende getötet. Insgesamt gab es laut Staatsanwaltschaft mehr als 1550 Festnahmen. Rund 9400 Soldaten sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums in dem lateinamerikanischen Land im Einsatz.

Brennende Barrikaden blockieren Straßen in der Hauptstadt Bild: picture-alliance/dpa/S. Brogca

"Fahr zur Hölle"

Obwohl Piñera die Fahrpreiserhöhung zurückgezogen hat, hält die Protestwelle an. Tausende Menschen trotzten am Montagabend in der Hauptstadt Santiago de Chile den Sicherheitskräften. Die vorwiegend jungen Menschen skandierten: "Piñera, hör zu! Fahr zur Hölle!" Die Polizei setzte Wasserwerfer gegen Demonstranten ein.

Jose Jimenez, ein 33-jähriger Filmemacher, sagte einem Reuters-Reporter: "Etwas ist kaputt gegangen. Die Regierung hat gezeigt, dass sie selbst vollkommen unfähig ist." Studentin Camila Tapia klagte: "Wir können es nicht mehr ertragen, wir haben genug von Ungerechtigkeit! Und es betrifft alles: Gesundheit, Bildung, Wohnen."

Bild: picture-alliance/dpa/S. Brogca

"Es sind nicht 30 Pesos, sondern 30 Jahre" - der Spruch der Demonstranten unterscheidet zwischen dem Auslöser der Proteste (die Tariferhöhung des Ticketpreises um 30 Pesos, umgerechnet vier Euro-Cent) und dem seit dem Ende der Pinochet-Diktatur 1990 aufgestauten Unmut. Generell sank die Armut in Chile in den vergangenen Jahrzehnten, die Wirtschaft wuchs. Gleichzeitig stieg die soziale Ungleichheit drastisch.

se/djo (rtr, ap, dpa, epd)

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