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Politik

Chiles Qual der Wahl

16. Dezember 2017

Milliardär oder TV-Moderator: Bei der Stichwahl am Sonntag in Chile kämpfen die beiden Kandidaten Sebastián Piñera (r) und Alejandro Guillier gegen die politische Langeweile. Hauptsache Anti-Establishment.

Chile Kombibild Alejandro Guillier und Sebastian Pinera
Bild: Reuters/M. Visedo/C. Garcia Rawlins

Donald Trump lässt grüßen: In Chile scheinen sich US-amerikanische Wahlkampfmuster zu wiederholen. Sowohl Favorit Sebastián Piñera, der laut Forbes-Liste über ein Vermögen von rund 2,7 Milliarden Dollar verfügt, als auch sein Herausforderer, der parteilose TV-Moderator Alejandro Guillier, Kandidat des Mitte-links-Bündnisses, gehen auf Distanz zum traditionellen Politikbetrieb.

Politikverdrossenheit bestimmt den Wahlkampf in dem südamerikanischen Musterland stärker als der Streit um politische Inhalte. Noch bis vor kurzem wurde jede Wahl in Chile von der Vergangenheit der Militärdiktatur (1973 bis 1990) überschattet. Ex-Diktator Augusto Pinochet polarisierte die Gesellschaft.

Demokratie, na und?

Doch über 25 Jahre nach dem Ende der Militärdiktatur geht es nicht mehr um den Kampf für demokratische Freiheit, sondern um den Kampf gegen demokratische Gleichgültigkeit. Laut Umfragen ordnen sich 40 Prozent der chilenischen Bevölkerung keiner politischen Richtung zu. Nach der Aufhebung der Wahlpflicht 2011 dümpelt die Wahlbeteiligung bei 50 Prozent.

"Immer weniger Menschen in Chile identifizieren sich mit Begriffen wie rechts oder links", erklärt der chilenische Politikwissenschaftler Rodrigo Cuevas vom Giga-Institut für Lateinamerika-Studien in Hamburg. "Und diejenigen, die mit den Begriffen noch etwas verbinden, verorten sich mehrheitlich in der politischen Mitte."

Vorkämpferin für Frauenrechte: Chiles Präsidentin Michelle Bachelet unterzeichnet ein von ihr initiiertes Gesetz zur Lockerung des AbtreibungsverbotsBild: picture-alliance/dpa/Agencia Uno/S. Beltran Gaete

Nach zwei Amtszeiten befinden sich die Zustimmungsraten für Chiles Präsidentin Michelle Bachelet (2006 bis 2010 und 2014 bis 2018) auf einem historischen Tiefpunkt. Glaubt man den Umfragen, sind 70 Prozent der Bevölkerung mit der Politik der 66-jährigen Sozialdemokratin und ehemaligen Widerstandskämpferin unzufrieden.

Weniger Wachstum

Was ist los im lateinamerikanischen Musterland? Woher kommt die große Unzufriedenheit in einem Land, das im Vergleich zu seinen südamerikanischen Nachbarn gut abschneidet?

Noch immer belegt Chile auf der Rangliste des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Lateinamerika den ersten Platz in Sachen Wettbewerbsfähigkeit. Das Pro-Kopf-Einkommen der 17 Millionen Chilenen ist fast doppelt so hoch wie das der Brasilianer.

Auch die Armut in der Gesellschaft, die eine der höchsten Einkommensgegensätze weltweit aufweist, ist deutlich gesunken: Zwischen 2003 und 2014 ist der Anteil der armen Bevölkerung von 20 auf sieben Prozent zurückgegangen.

Kupferpreis verfällt

Die Zukunft sieht allerdings weniger rosig aus. Das Wachstum erreichte im vergangenen Jahr gerade einmal 1,5 Prozent. Ein echter Absturz, wenn man bedenkt, dass die chilenische Wirtschaft in den vergangenen 30 Jahren um durchschnittlich fünf Prozent zulegte.

Rotes Gold: Der größte Kupfertagebau der Welt liegt in Chuquicamata Bild: Codelco Chile

Grund dafür waren nicht nur wirtschaftspolitische Entscheidungen der Regierung Bachelet. Auch der Verfall des Kupferpreises und die sinkende Nachfrage aus China trugen zur Verlangsamung des Wachstums bei. Denn noch immer ist die chilenische Wirtschaft im hohen Maße abhängig vom Kupferexport. 

Wer auch immer die Wahlen am Sonntag gewinnt, die Mischung aus schwächelnder Konjunktur und politischer Zersplitterung macht das Regieren in Santiago zunehmend schwer. Ein Grund dafür sind die veränderten Machtverhältnisse im chilenischen Kongress.

Auf der Suche nach Mehrheiten

Mit den letzten Wahlen im November 2017 hat sich die Zusammensetzung des Parlaments radikal verändert. Nicht nur die Anzahl der Abgeordneten hat sich erhöht. Durch die Wahlrechtsreform 2015 ist zudem die Anzahl der im Parlament vertretenen Parteien von 17 auf 26 gestiegen.

Beatriz Sanchez, Anführerin des linken Parteienbündnisses "Frente Amplio", hat ihre Anhänger dazu aufgerufen, für Guillier zu stimmenBild: Imago/Agencia EFE/C. Iglesias

"Es wird schwieriger, politische Vereinbarungen und Kompromisse zu erzielen", sagt Rodrigo Cuevas. "Keiner der beiden Präsidentschaftskandidaten verfügt im Parlament oder Senat über eine Mehrheit." Gerade bei tiefgreifenden Reformen im sozialen Bereich oder im Bildungssystem sei es deshalb fast unmöglich, die notwendigen Mehrheiten zusammenzubekommen.

Nur eines ist sicher: Alejandro Guillier, Kandidat der Regierungskoalition von Chiles Präsidentin Michelle Bachelet, kann am Sonntag bei der Stichwahl mit den Stimmen des Linksbündnisses "Frente Amplio" rechnen. Alles weitere ist offen.

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