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Politik

China, überschätzter Klima-Champion?

Hans Spross
13. November 2017

China ist bei der internationalen Klimapolitik mit im Boot. Zumindest nach eigener Aussage. Chinas Energiewende steht aber im Innern vor riesigen Herausforderungen, und sie wird durch Kohlekraft-Exporte konterkariert.

Deutschland Bonn COP23 Chinesische Pavillon
Bild: DW/M. Cui

Seit dem APEC-Gipfel 2014 in Peking, als Xi Jinping bei seiner Begegnung mit US-Präsident Obama erstmals eine Begrenzung der chinesischen CO2-Emissionen zusagte, klammern sich Hoffnungen der internationalen Klimaschützer an eine Energiewende in China. Jede "klimafreundliche" Äußerung chinesischer Spitzenpolitiker und jede Meldung über den Ausbau der erneuerbaren Energien werden dankbar aufgenommen. So schrieb die vom Bundesumweltministerium unterstützte Initiative CO2-Online nach der internationalen Umweltkonferenz 2016 in Marrakesch: "Besonders im Lichte der neuen politischen Entwicklungen in den USA fällt dem weltweit größten Verursacher von Treibhausgasen jetzt eine neue Rolle zu: China trat auf der Konferenz in Marokko ungewohnt engagiert auf und schürte die Hoffnung auf ein neues Klimaschutz-Schwergewicht."

China will weg vom Image als größter Klimasünder

Ende für fossile Energieträger noch Zukunftsmusik

Tatsächlich kann China starke Zahlen bei den erneuerbaren Energien vorweisen. Das ändert allerdings noch nichts daran, dass die Kohle den chinesischen Stromsektor dominiert. Das dürfte sich auf absehbare Zeit nicht ändern, wie die Consulting-Firma Energy BrainBlog heraustellt. Der Zuwachs bei der Solarkraft im Jahr 2016 gegenüber 2015 um über 80 Prozent ist beeindruckend – dem steht aber ein Erzeugungsanteil der Sonnenenergie an der gesamten Stromproduktion von nur einem Prozent gegenüber. Ähnlich bei der Windenergie: 18 Prozent Wachstum, Anteil an der Stromerzeugung vier Prozent. Dagegen wurden über 65 Prozent des chinesischen Stroms in Kohlekraftwerken produziert.

"Das unglaubliche Wachstum erneuerbarer Energien in China ist sicherlich beeindruckend. Die Herausforderungen sind allerdings nicht weniger immens. Ein Stromsystem mit 1000 GW an thermischer Erzeugungsleistung, der Großteil davon Kohlekraftwerke, zu transformieren, benötigt riesige Anstrengungen", schreibt Energy Brainblog.

Immer noch starke Stellung der Kohlekraft

Smog treibt Führung zum Handeln

Immerhin erwähnte Präsident Xi Jinping in seiner Mammutrede auf dem Parteitag Ende Oktober "grüne" Signalwörter wie Umweltschutz 89 Mal, "Wirtschaft" kam hingegen nur 70 Mal vor, wie die Agentur Bloomberg anhand des chinesischen Originals nachgezählt hat. Zur Bekämpfung der unerträglichen Luftverschmutzung  in den Großstädten ergreift die chinesische Führung inzwischen Maßnahmen, die auf Kosten der Profitabilität gehen. So waren auf der diesjährigen Canton Fair, der größten Export-Messe Chinas, Klagen mittelständischer Unternehmer über höhere Kosten durch verschärfte Umweltauflagen zu hören. Die Schwerindustrie in Nordchina bereitet sich laut Reuters auf die "bisher schärfste Anti-Smog-Kampagne" vor: Rund 28 Städte wurden angewiesen, die Produktion von Gütern wie Aluminium, Stahl und Zement vom 15. November an für vier Monate herunterzufahren. 

Dennoch: Punktuelle Maßnahmen gegen Smog und ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energiequellen reichen nicht aus, um von einer Energiewende in China sprechen zu können. Ob geplante Schritte wie die Bepreisung von Kohlendioxid-Emissionen durch Zertifikate-Handel  oder durch eine CO2-Steuer Wirkung zeigen können, bleibt abzuwarten. "Chinas (geplantes) Handelssystem mit CO2-Zertifikaten steht noch vor Problemen und braucht weitere Verbesserungen", hieß es kurz vor Beginn der Bonner Klimakonferenz in Peking.

Die Luftverschmutzung in den Großstädten zwingt Chinas Führung zum Handeln Bild: picture-alliance/dpa/Imagechine/J. Xu

Kritik am Export chinesischer Kohle-Kapazitäten

Abwarten ist jedoch nach Ansicht der meisten Klima-Experten keine Option, um einen katastrophalen globalen Temperatur-Anstieg noch zu verhindern. Umso kritischer wird deshalb die Forcierung des chinesischen Exports von Kohlekraft-Technologie gesehen. "Zwar ist China in den letzten beiden Jahren auch zum weltweit größten Auslandsinvestor bei erneuerbaren Energien aufgestiegen. Aber die Investitionen in ausländische Kohleprojekte widersprechen zumindest dem Geist der globalen Klimaschutzpolitik und den daraus resultierenden Verpflichtungen Pekings", schreibt Frank Umbach, Politologe und Forschungsdirektor am European Centre for Energy and Resource Security in London, in der NZZ.

Die 120 weltweit größten Unternehmen im Kohlekraftsektor planen laut der Berliner Umweltinitiative "Urgewald" neue Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 550 Gigawatt, "das Zweieinhalbfache des gesamten Parks an indischen Kohlekraftwerken." Davon bringen alleine chinesische Staatskonzerne etwa die Hälfte auf die Waagschale, wie aus der Datensammlung von Urgewald hervorgeht. Insgesamt stünden chinesische Firmen hinter 45 Prozent der Projekte in der Urgewald-Datenbank. Deren Kohlekraftwerke sollen jedoch zu rund einem Siebtel außerhalb Chinas gebaut werden. "Wenn die chinesische Regierung tatsächlich ein globaler Anführer beim Klimaschutz werden will, muss sie dringend bei staatlich kontrollierten Unternehmen eingreifen, die die Welt mit neuen Kohlekraftwerken fluten wollen", so ein Zitat von Trusha Reddy, Koordinatorin des zivilgesellschaftlichen Netzwerks International Coal Network.

China baut den Export seiner Kohlekraftwerke massiv ausBild: picture alliance/dpa

Beispiel Pakistan

Ein Beispiel für die Verlagerung chinesischer Kohle-Investitionen ins Ausland ist Pakistan. Der größte Batzen der chinesischen Milliarden-Investitionen in den Chinesisch-Pakistanischen Wirtschaftskorridor fließt in die Errichtung von Kraftwerken, nicht nur, aber vor allem in Kohlekraftwerke. Pakistans geringe installierte Kohleleistung von derzeit 190 MW soll auf über 15.000 MW steigen.

China zwinge den Pakistanern die Kohlekraft nicht auf, nutze aber ihre Zwangslage aus, wie Abid Suleri vom unabhängigen Sustainable Development Policy Institute (SDPI) in Islamabad im Gespräch mit der DW erläutert: "Die gegenwärtige zivile pakistanische Regierung steht bei der Bevölkerung im Wort, endlich eine zuverlässige Stromversorgung zu gewähren. Und dafür ist Kohle derzeit tatsächlich alternativlos."

"Schmutzige" Kohle aus Afghanistan für Pakistan könnte bald stärker nachgefragt werden Bild: Getty Images/AFP/J. Eisele

Außenpolitische Faktoren begünstigen Kohle 

Der Energie-Experte listet die theoretischen Alternativen auf: Verschiedene Gas-Pipelineprojekte unter Einbeziehung Irans, Indiens und Afghanistans seien unter anderem wegen der amerikanischen Sanktionspolitik gescheitert. Von Pakistan gewünschte zivile Nuklear-Technologie hätten die USA abgelehnt. Die in Pakistan reichlich vorhandene Wasserkraft stoße ebenfalls an Grenzen, da das Wasser zunehmend für die Landwirtschaft gebraucht wird. Und was andere erneuerbare Energien angeht, so sei deren flächendeckender Ausbau für Investoren bislang nicht attraktiv genug. Allerdings hätte die pakistanische Regierung mehr tun können, um die individuelle Nutzung von Sonnenenergie durch Verbraucher  mit der Möglichkeit des Verkaufs nicht genutzten Stroms zu fördern.

Mit einem Klimaschutz-Programm sei jedenfalls in Pakistan derzeit keine Wahl zu gewinnen, wohl aber mit dem realistischen Versprechen, zuverlässig bezahlbaren Strom zu liefern. Und diese Lage sei perfekt für China, das auf diese Weise Überkapazitäten gewinnbringend  ins Ausland verlagern kann. Eine sogenannte Win-Win-Situation für beide Seiten, wenn auch nicht für das Klima.

 

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