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Chinas Einstieg beim Hamburger Hafen ist ein Risiko

Alexander Görlach
25. Oktober 2022

Hat der Bundeskanzler wirklich nichts gelernt aus den Folgen der Energieabhängigkeit von Russland? Nur so erklärt sich der Kompromiss zum Verkauf eines Teils des Hamburger Hafens an Cosco, meint Alexander Görlach.

Luftaufnahme der Containerterminals im Hamburger Hafen
Die chinesische Cosco-Reederei will Eigentümer eines Teils des Hamburger Hafens werdenBild: Daniel Reinhardt/dpa/picture-alliance

Die Frage einer chinesischen Beteiligung am Hamburger Hafen ist zu einem Konflikt innerhalb der Bundesregierung geworden - und bleibt es auch nach dem jüngsten Kompromiss. Anders als zuvor geplant fällt die Beteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco in die Betreibergesellschaft eines Containerterminals im Hamburger Hafen nun wesentlich geringer aus. Statt mit 35 Prozent beim Containerterminal Tollerort des Hamburger Hafenlogistik-Konzerns HHLA genehmigt die Bundesregierung nur eine Beteiligung der Chinesen von 24,9 Prozent.

Der politische Konflikt allerdings bleibt. Denn Liberale und Grüne argumentieren weiterhin, dass der Hafen eine sicherheitsrelevante Infrastruktur sei, an der eine Diktatur wie die chinesische keine Anteile halten dürfe. Da die Volksrepublik von der Kommunistischen Partei staatskapitalistisch geführt wird, säße anderenfalls Xi Jinping mit am Tisch, wenn künftig über den Hamburger Hafen entschieden würde.

Hamburg ist kein Einzelfall: China hält bereits jetzt Anteile von mindestens 30 Prozent an zahlreichen relevanten Häfen in Europa und seiner unmittelbaren Nachbarschaft: Genua, Marseille, Valencia, Bilbao, Le Havre, Rotterdam, Antwerpen und Piräus sowie in Casablanca, Tanger, Port Said und Istanbul. Ziel der Volksrepublik ist es, durch diese Investitionen zum einen über den Welthandel bestimmen, zum anderen die Politik in den jeweiligen Ländern beeinflussen zu können. Und natürlich wirft der globalisierte Schiffsverkehr auch Gewinne ab. Diese kann der chinesische Staat dann nutzen, um in Überwachungstechnologien und andere Instrumente, die gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden können, zu investieren.

Sicherheit steht über Wirtschaft

Der XX. Parteitag der KPCh hat Xi Jinpings Anspruch auf eine weitere Amtszeit als Chinas Führer erwartungsgemäß per Akklamation bestätigt. Xi hatte zuvor in der Eröffnungsrede der Versammlung klar gemacht, dass für ihn künftig Sicherheit über der wirtschaftlichen Entwicklung stehen wird (einer Analyse zufolge nahm Xi das Wort "Sicherheit" 91 Mal in den Mund. Zum Vergleich: fünf Jahre vorher nur 55 Mal. "Wirtschaft" hingegen sagte er aktuell nur 55 Mal). Von daher ist die Annahme, dass Investitionen wie die geplante in Hamburg, sicherheitsstrategischen und nicht wirtschaftlichen Überlegungen folgen, durchaus berechtigt. 

DW-Kolumnist Alexander GörlachBild: Hong Kiu Cheng

Seit die Radikalisierung von Xi Jinping öffentlich erkennbar wurde, haben deshalb Länder versucht, der Krake des chinesischen Staatskapitalismus zu entkommen. So darf Chinas Telekommunikationskonzern Huawei in Großbritannien und Frankreich nicht aktiv werden. Zu gefährlich sei ein mögliches Szenario, künftig von Peking ausspioniert zu werden und kritische Infrastruktur in die Hand eines totalitären Regimes zu legen.

In Berlin sehen die beiden kleineren Regierungsparteien klar das Bedrohungspotenzial, das von der chinesischen Beteiligung in Hamburg ausgehen würde - die SPD hingegen nicht. Kanzler Olaf Scholz illustriert, dass er aus dem Russland-Debakel in Sachen Gas-Abhängigkeit, für das zu großen Teilen vor allem seine Partei verantwortlich ist, nichts gelernt hat. 

Der Wendepunkt Kuka-Übernahme

Gerade durch Investitionen in Unternehmen, die mit Robotern oder Künstlicher Intelligenz arbeiten, möchte die Volksrepublik Wissen aus dem Hightech-Standort Deutschland abzapfen und in die Volksrepublik leiten. Die Übernahme der Roboter-Firma Kuka im Jahr 2016 durch den chinesischen Elektrokonzern Midea markierte hierbei einen Wendepunkt in der öffentlichen und politischen Wahrnehmung Chinas. Danach wurden die Regeln verschärft, was im Jahr 2018 dazu führte, dass es einem chinesischer Stromnetzanbieter nicht erlaubt wurde, 20 Prozent der Anteile am deutschen Netzbetreiber 50Hertz zu erwerben. 

Der Eindruck, dass man China jetzt noch aus den deutschen Seehäfen fern halten könne, ist falsch. Bereits jetzt besitzt eine chinesische Firma Pachtrechte für 99 Jahre am JadeWeserPort, dem einzigen deutschen Tiefwasserhafen knapp 125 Kilometer westlich von Hamburg. Der German Marshall Fund sieht einen zentralen Grund dafür, dass die Volksrepublik sich hier engagiert hat, darin, dass in der unmittelbaren Nähe der größte und bedeutendste Stützpunkt der deutschen Marine liegt. Jedes Schiff, das in Wilhelmshaven ablegt, muss an dem von China gepachteten Port vorbei. Die chinesische Betreiberfirma habe in der Vergangenheit mit der chinesischen Armee zusammen gearbeitet, was Befürchtungen erhärtet, China könne im Falle des Falles kritische Infrastruktur manipulieren.

SPD-Chef Lars Klingbeil sprang indessen Bundeskanzler Olaf Scholz bei: Bei der angestrebten Beteiligung im Hamburger Hafen handele es sich nicht um eine Investition in eine solche kritische Infrastruktur, so der Vorsitzende der Kanzlerpartei.

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Research Associate am Internet Institut der Universität Oxford. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die freie Welt bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und der Universität von Cambridge inne.

 

Diese Kolumne wurde am 26.10.2022 aktualisiert. 

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