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PolitikChina

Chinas Kalkül am Roten Meer

2. September 2024

Auf Beschuss der Schifffahrt am Roten Meer reagiert China bislang zurückhaltend. Der Exportweltmeister im Orient muss mit unterschiedlichen Interessen am Roten Meer jonglieren.

Der brennende griechische Tanker Sounion nach einem Angriff der Huthi, August 2024
Terror gegen Handelsschiffe im Roten Meer. Am 25. August 2024 wurde der griechische Tanker Sounion angegriffenBild: EUNAVFOR ASPIDES/Handout/REUTERS

Immer weniger Containerschiffe fahren durch das Rote Meer. So fuhren am 9. Juli dem Statistik-Portal statista.de zufolge nur noch 32 Frachter durch die Meerenge. Am 1. Dezember 2023 waren es noch rund 100 Schiffe. 

Verantwortlich dafür ist der Beschuss der Schiffe durch die islamistischen Huthi-Rebellen im Jemen. Sie sind enge Verbündete des Irans und wollen nach eigenen Angaben die Palästinenser im Krieg der Hamas gegen Israel unterstützen.

Die Meerenge von Bab al-Mandab ist einer der wichtigsten Verkehrswege zwischen dem Roten Meer und dem Golf von Aden. Sie ist die verlängerte Ausfahrt des Suezkanals. Vor den Attacken passierte rund ein Drittel des weltweiten Handels durch die Wasserstraße, der Handel zwischen Europa und Asien sogar zu 40 Prozent.

Viele Reedereien sehen sich aufgrund des Sicherheitsrisikos genötigt, ihre Schiffe auf dem Umweg um Afrika fahren zu lassen. Die Fahrzeit wird dadurch um rund 14 Tage länger. Auch die Kosten steigen dramatisch. Ende 2023 mussten die Kunden für einen Standardcontainer von Shanghai nach Amsterdam 1.700 US-Dollar zahlen. Aktuell kostet die Verschiffung desselben Containers zum selben Ziel rund 8.300 US-Dollar. 

Mitglieder der vom Iran unterstützte Huthi-Rebellen im Jemen demonstrieren gegen USA und Israel in der Hauptstadt Sanaa am 29.01.2024Bild: Osamah Yahya/dpa/picture alliance

Chinas Kalkül

Schiffe, die unter der chinesischen und russischen Flagge fahren, werden nach einer Vereinbarung mit den Rebellen vom Frühjahr 2024 von dem Beschuss ausgenommen. Aber die meisten Containerschiffe im chinesischen Besitz sind aus steuerlichen Gründen in Panama, Bermuda oder auf den Bahamas registriert, so ein Bericht vom Center for International Maritime Security (CIMSEC) im US-Bundesstaat Maryland. "Da es schwierig ist, die Eigentümerschaft der Schiffe zu ermitteln, ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein Schiff in chinesischem Besitz oder mit chinesischen Seeleuten getroffen wird", hieß es im CIMSEC-Bericht.

So gesehen hemmen die Attacken durch die Huthi-Miliz auch mittelbar die Konjunktur in China. Darum setzt Peking seinen Hebel bei seinem Partner in Teheran an. Dieser soll dann dessen Verbündeten im Jemen vom Beschuss auf die Handelsschiffe abraten. "Wenn die Huthi keine Zurückhaltung zeigen und chinesische Interessen geschädigt würden, wird der chinesisch-iranische Handel beeinträchtigt", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen namentlich nicht genannten iranischen Beamten Anfang 2024.

China habe definitiv Einfluss auf den Iran, sagt Johann Fuhrmann, Leiter des Büros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Peking. "China ist der größte Handelspartner der islamistischen Republik. Mit Chinas Unterstützung ist das Mullah-Regime auf der internationalen Bühne immer sichtbar als volles Mitglied der Staatenvereinigung BRICS und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO). Zudem hat China mit dem Iran und Russland gemeinsame Militärübungen im Golf von Oman abgehalten. Schließlich hat China 2023 zwischen Iran und dessen Rivalen Saudi-Arabien vermittelt und zu ersten Einigungen bewegt."

Gemeinsame Militärübung Chinas, des Iran und Russlands auf iranischen Gewässern am 14.03.2024Bild: Iranian Army Office/ZUMA/picture alliance

Die Frage sei allerdings, ob China überhaupt bereit sei, sein Gewicht in die Waagschale zu werfen, so Fuhrmann weiter. In Peking fürchte man, in Teheran und letztlich auch am Roten Meer nicht allzu viel bewirken zu können. "China bewertet die Entwicklungen auch aus der Perspektive des übergeordneten Konflikts mit den USA. Man legt auch hier Wert auf die Unterscheidbarkeit zwischen den USA und China."

So hatte Peking die USAfür den Beschuss im Roten Meer zumindest als mitverantwortlich bezeichnet. "Wenn die USA den Weg für einen Waffenstillstand in Gaza frei machen könnten, wäre das Problem des Roten Meeres gelöst", titelte die Zeitung Global Times im Dezember 2023. Als dann die USA im Januar 2024 mehrere Luftangriffe gegen die Huthi ausführten, kritisierte China die Aktionen. "Frieden im Roten Meer kann mit militärischen Mitteln nicht wiederhergestellt werden", schrieb die Global Times vom 12. Januar. 

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Doch selbst wenn China auf dem Umweg über Teheran auf die Huthi einzuwirken versuche, sei zweifelhaft, ob das gelinge, sagt Hamidreza Azizi, Iran-Experte an der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). "Man muss bedenken, dass das Handeln der Huthi im Gaza-Konflikt dem Ansatz des Irans durchaus entspricht. Wenn die Huthi erklären, sie würden die Hamas unterstützen und Israel unter Druck setzen, dann deckt es sich mit den Aktionen der vom Iran gegründeten sogenannten 'Widerstandsachse' gegen Israel. Insofern hat der Iran politisch wenig Anreize, die Huthi unter Druck zu setzen."

Hinzu komme, dass die Kontrolle der Huthi über die Meerenge am Bab al-Mandab durchaus in die iranische Strategie auf den regionalen Gewässern passe, so Azizi. "Der Iran kontrolliert bereits die Straße von Hormus, die Meerenge zwischen dem Persischen Golf und dem Golf von Oman. Wenn seine Verbündeten, etwa die Huthi, andere Wasserstraßen kontrollieren oder wenn die libanesische Hisbollah und die mit Teheran verbündeten irakischen Milizen einen gewissen Zugriff auf Teil des Mittelmeers haben, kommt das dem iranischen Plan, eine Achse mit mehreren Fronten zu schmieden, natürlich entgegen."

Sollten westliche Gegenmaßnahmen die Huthi zur Einstellung der Angriffe zwingen, würde dann der chinesische Export durch das Rote Meer fahren und sehr schnell auf sein früheres Niveau zurückfinden, berichtet der CIMSEC-Report. "Blieben die westlichen Maßnahmen ohne Erfolg, würde China aufgrund der Vereinbarung mit den Huthi einen größeren Anteil am Handel im Roten Meer gewinnen. Internationale Reederei fahren um Afrika herum, während die chinesischen einen deutlichen Kostenvorteil haben."

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Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika