"Bei vielen Materialien führt kein Weg an China vorbei"
24. November 2025
Für Matthias Rüth kommt ein Rückzug aus China gar nicht in Frage - auch wenn die Berliner Regierung vor den Risiken zu hoher Investitionen in dem Land warnt. Als Geschäftsführer des Frankfurter Rohstoffhandelsunternehmens Tradium, das mit Seltenen Erden handelt, bleibt China ein zentraler Bestandteil des Geschäfts, weil Peking den immer wichtiger werdenden Seltene-Erden-Sektor nahezu vollständig dominiert.
"Wenn China beispielsweise mehr als 95 Prozent des Seltene-Erden-Marktes abdeckt, lässt sich das nicht kurzfristig ersetzen", sagte er gegenüber der DW. "Es handelt sich um langjährige und verlässliche Handelsbeziehungen, und die Materialien und Prozesse sind bewährt."
Für Rüth und viele andere Unternehmen in Deutschland bleibt China ein naheliegender Geschäftspartner. Lange Zeit unterstützte und förderte die Bundesregierung diese Position voll und ganz. Doch der autoritäre Kurswechsel Chinas unter Präsident Xi Jinping - der auch dazu führte, dass das Land im Ukraine-Krieg Russland unterstützt - hat die Beziehungen zwischen der EU und China verändert.
"Mit China sprechen"
Die geopolitische Lage hat sich verändert, und die Bundesregierung spricht seit einigen Jahren von einer Risikoreduzierung im China-Geschäft, nicht zuletzt wegen der Risiken, denen ausländische Unternehmen durch harte Maßnahmen der chinesischen Behörden ausgesetzt sind. Bundeskanzler Friedrich Merz sagte kürzlich über deutsche Unternehmen, die in China tätig sind: "Ich sage ihnen immer, wenn ich sie treffe: 'Das ist Ihr Risiko. Wenn etwas schiefgeht, kommen Sie bitte nicht zu uns.'"
Anfang dieser Woche besuchte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil China, um die sich entwickelnden Wirtschaftsbeziehungen beider Länder zu erörtern. In Peking erklärte er, Deutschland sehe "fairen Wettbewerb und Industriearbeitsplätze in Gefahr". Er betonte jedoch die Notwendigkeit des Dialogs: "Wir müssen mit China sprechen, anstatt über China zu sprechen."
Größter Handelspartner
China ist ein Partner, von dem sich die deutsche Industrie nur schwer lösen kann - aus gutem Grund. Anfang dieser Woche überholte China die USA und wurde erneut Deutschlands wichtigster Handelspartner. Der Handel zwischen den beiden Ländern belief sich zwischen Januar und September dieses Jahres auf 185,9 Milliarden Euro. Seit Jahrzehnten priorisieren führende deutsche Industrieunternehmen den riesigen chinesischen Markt, und das Investitionsvolumen bleibt hoch.
Laut einer aktuellen Studie des Mercator Institute for China Studies in Berlin machten deutsche Direktinvestitionen im ersten Halbjahr 2024 57 Prozent der gesamten EU-Investitionen in China aus, was etwa 2,3 Prozent des deutschen BIP entspricht. Die Studie stellt fest, dass das Investitionsvolumen weiter wächst: Die Unternehmensinvestitionen stiegen von 2023 bis 2024 um 1,3 Milliarden Euro.
Deutsche Autos in China
Einer der Sektoren, in denen Deutschland und China am engsten miteinander verflochten sind, ist die Automobilindustrie. Volkswagen und BMW etwa haben über die Jahre Milliarden in China investiert und erwirtschaftet und hoffen trotz der jüngsten Schwierigkeiten weiterhin auf langfristigen Erfolg.
BMW investierte kürzlich 3,8 Milliarden Euro in ein Batterieprojekt in Shenyang und teilte der DW mit, dass es keine größeren Pläne gebe, sich aus China zurückzuziehen: "Die BMW Group ist auf dem chinesischen Markt durch zwei Joint Ventures vertreten und betreibt dort mehrere Werke", sagte BMW-Sprecherin Britta Ullrich gegenüber der DW. "In unserem weltweit größten Einzelmarkt verfolgen wir eine langfristige Marktstrategie, die wir regelmäßig überprüfen und gegebenenfalls anpassen. An unseren Aktivitäten in der Region ändert sich nichts Grundlegendes."
Doch die Beziehungen wandeln sich nicht nur aus geopolitischen Gründen. Der intensive Wettbewerb mit chinesischen Konkurrenten und der Verdacht, dass dieser Wettbewerb teilweise durch zweifelhafte Praktiken auf der chinesischen Seite verfälscht werde, untergraben die Regeln des Welthandels.
"Es ist entscheidend, dass gleiche Wettbewerbsbedingungen und faire Spielregeln auf beiden Seiten herrschen", sagte ein Sprecher des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) gegenüber der DW. "In diesem Zusammenhang ist China aufgefordert, Europa konstruktive Vorschläge zu unterbreiten, wettbewerbswidriges Verhalten konsequent und zügig zu unterbinden und den Freihandel in der aktuellen Situation zu gewährleisten".
Der Druck im Kessel steigt
Trotz der Bedeutung Chinas für die deutsche Wirtschaft wächst der finanzielle Druck. Die deutschen Exporte nach China sind seit 2019 um 25 Prozent gesunken, während die Marktanteile der deutschen Automobilhersteller Volkswagen, Mercedes und BMW in den letzten Jahren aufgrund des massiven Ausbaus der chinesischen Elektrofahrzeugproduktion stark zurückgegangen sind.
Der VDA-Sprecher ergänzte, dass die notwendige Risikoreduzierung zwar von den Autobauern energisch vorangetrieben und umgesetzt werde, diese aber auch politisch ermöglicht und nicht nur gefordert werden müsse. Er betonte zudem, dass Risikoreduzierung nicht die Abschottung von Märkten bedeuten dürfe: "Die beste Strategie ist, alles zu tun, um den Standort, die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstum von Unternehmen zu fördern".
Die harte Realität des Markt
Der Seltene-Erden-Händler Matthias Rüth sagt, dass auch seine Geschäftskontakte in China von den geopolitischen Spannungen betroffen sind. "Die aktuellen Schwierigkeiten resultieren hauptsächlich aus politischen Entscheidungen, nicht von den Lieferanten selbst", sagte er uns. Sein Geschäft leide vor allem unter Pekings drastischen Exportbeschränkungen für Seltene Erden, was auch seine Lieferanten frustriert: "Auch sie haben mit den Nachteilen und Herausforderungen der aktuellen Exportbeschränkungen zu kämpfen".
Er sei aber nicht durch politischen Druck gezwungen, sein China-Geschäft neu aufzustellen, sondern vielmehr durch die harte Realität des Marktdrucks, der durch globale Zölle und Chinas Exportbeschränkungen noch verstärkt wurde.
"Für einen Lieferanten wie uns bedeutet das, dass langjährige Beschaffungsroutinen nicht mehr so zuverlässig funktionieren wie früher", sagt er. "Wir sind weiterhin auf unsere langjährigen chinesischen Partner angewiesen, denn bei vielen Materialien führt kein Weg an China vorbei."
Dennoch investiert sein Unternehmen verstärkt Zeit und Mühe in die Erschließung von Liefermöglichkeiten außerhalb Chinas. "Hier geht es nicht um politische Vorgaben. Der Markt zwingt jeden seriösen Händler und jedes Rohstoffverarbeitungsunternehmen, seine Beschaffungsstrategie zu überdenken - und dieser Druck wird weiter zunehmen. Das ist die tägliche Realität."
Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert.