China entdeckt Afrika
27. Juli 2005Die UNO mag die "katastrophale Ungerechtigkeit" der Zwangsvertreibungen in Simbabwes Armenvierteln geißeln, doch Peking rollt den roten Teppich für den Verantwortlichen aus: Bei seinem einwöchigen Staatsbesuch in China wird Simbabwes Diktator Robert Mugabe von den drei höchsten Repräsentanten des Staates empfangen. Mit Präsident Hu Jintao, der ihn als "alten Freund" begrüßte, unterzeichnete er am Dienstag (26.7.2005) ein Abkommen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Es wurden kaum Details bekannt, aber die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua meldete, dass Peking in verschiedenen Bereichen technische und wirtschaftliche Unterstützung bieten will. Berichten zufolge ist Mugabe an chinesischen Öl- und Lebensmittellieferungen interessiert und will den Chinesen im Gegenzug Zugang zu den Platin- und Kohlevorkommen seines Landes anbieten.
Geschäft ist Geschäft
Der Besuch ist bezeichnend für Chinas Afrika-Politik. "Geschäft ist Geschäft. Wir versuchen, Politik und Geschäft zu trennen", sagte vor einigen Monaten Chinas stellvertretender Außenminister Zhou Wenzhong. Was auf die Kooperation mit dem - ebenfalls geächteten - Sudan gemünzt war, kann als Maxime in ganz Afrika verstanden werden. Während der Kontinent im Welthandel weitgehend abgeschrieben ist, baut China seinen Einfluss seit einigen Jahren systematisch aus. Regelmäßige Staatsbesuche in Ländern wie Ägypten, Gabun, Kamerun oder Südafrika gehören ebenso zu der Offensive wie die Einrichtung eines sino-afrikanischen Forums. Seit dem ersten Forum im Jahr 2000 wurden mit 40 Staaten Handelsabkommen unterzeichnet. Das Handelsvolumen verdoppelte sich in der Folge auf mehr als 20 Milliarden Dollar, nachdem es schon in den 1990-er Jahren auf das Achtfache gestiegen war.
Die großen Staatsbetriebe kommen
"Das nimmt jetzt größere Ausmaße an", sagt Dieter Fricke vom Institut für Afrika-Kunde an der Universität Bayreuth. Insbesondere billige Konsumgüter und einfache Maschinen fänden einen reißenden Absatz. "Neuerdings versuchen auch größere Staatsbetriebe aus China, Fuß zu fassen." 650 Staatsunternehmen sind in Afrika präsent, die Sektoren reichen vom Bergbau über Infrastrukturprojekte bis zur Kommunikationstechnologie.
Allerdings seien die riesigen Zuwächse auch der Tatsache geschuldet, dass es lange Zeit nur wenig Handel zwischen den beiden Regionen gab, sagt Fricke. Tatsächlich macht der Austausch mit Afrika derzeit gerade einmal zwei Prozent des chinesischen Außenhandels aus. Ein wesentlicher Grund für das Engagement in Afrika sei der enorme Rohstoffbedarf der boomenden Volksrepublik, glaubt Fricke.
Riesiger Energiehunger
In den kommenden 20 Jahren werde sich Chinas Ölbedarf voraussichtlich vervierfachen, erklärt Kay Möller von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Damit steige die Abhängigkeit von den Golfstaaten, aus denen nach wie vor der Großteil der Lieferungen stammt: "In China geht man davon aus, dass, falls es zu einem Konflikt mit Taiwan käme, die USA versuchen würden, China von seinen Ölimporten aus dem nahen Osten abzuschneiden." Dies habe zu verstärkten Einfuhren aus Ländern wie Angola, dem Sudan oder dem Kongo geführt. Schon jetzt bezieht der nach den USA zweitgrößte Rohölverbraucher ein Viertel seines Öls aus Afrika, wo derzeit ein Zehntel der Weltproduktion gefördert wird.
Anti-amerikanische Komponente
"Zudem verfolgt China generell eine Außenpolitik, die versucht, die Dominanz Amerikas durch neue Koalitionen einzudämmen", sagt Möller. "Wenn Länder wie Simbabwe oder Sudan von den USA geschnitten werden, ist das Territorium, das von China besetzt werden kann." Diese anti-amerikanische Komponente lasse sich auch auf anderen Kontinenten beobachten; etwa bei der Annäherung an Venezuela, dessen Beziehungen zu den USA auf einem Tiefpunkt sind: "Bei dem Versuch, Staaten auf die chinesische Seite zu ziehen, geht es auch darum, in der Taiwan-Frage Unterstützung zu gewinnen."
Auch wenn bislang nur ein winziger Anteil des chinesischen Handels mit Afrika abgewickelt werde, sei der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen aus Sicht der afrikanischen Staaten bedeutsam, sagt Möller. In diesem Jahr dürfte China zum drittwichtigsten Handelspartner nach den USA und der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich aufsteigen.
Niedrige Arbeitsstandards
Chinesische Unternehmen seien in Afrika auch deshalb erfolgreich, weil sie vielfach "sehr pragmatisch" mit Arbeits- oder Umweltstandards umgingen und so konkurrenzlose Preise anbieten könnten, sagt Robert Kappel, Direktor des Deutschen Instituts für Überseeforschung in Hamburg: "Außerdem haben es die Chinesen mit diktatorischen Regimes vielleicht auch etwas leichter als andere Staaten." Das macht sich bezahlt: In Simbabwe etwa sind chinesische Firmen in immer mehr Sektoren aktiv. Im vergangenen Jahr erhielt China etwa den Zuschlag, Land zu bewirtschaften, von dem das Regime weiße Farmer vertrieben hatte. Die Enteignung war international auf scharfe Kritik gestoßen.