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China erwartet "größten Handelskrieg der Geschichte"

6. Juli 2018

Mit dem Inkraftsetzen von Strafzöllen auf US-Produkte hat Peking auf die zuvor in Kraft getretenen US-Zölle auf chinesische Produkte reagiert. Damit hat der Handelsstreit eine neue Eskalationsstufe erreicht.

China Qingdao - Containerhafen
Bild: picture-alliance/dpa/Imaginechina/H. Jiajun

Nach Inkrafttreten der US-Strafzölle auf chinesische Importe sah sich China nach eigenen Angaben zum "notwendigen Gegenangriff" gezwungen. Der Sprecher des Handelsministeriums in Peking sagte am Freitag, die USA hätten "den größten Handelskrieg in der Wirtschaftsgeschichte" eingeläutet.

Um Mitternacht US-Ostküstenzeit (06.00 Uhr MESZ) waren Sonderabgaben der USA von 25 Prozent auf chinesische Importe im Wert von 34 Milliarden US-Dollar in Kraft getreten. Sie betreffen insgesamt 818 Produkte vor allem aus dem High-Tech-Bereich, darunter Autos, Flugzeugteile und Festplatten. 

Peking verhängte nur wenige Stunden danach Vergeltungszölle und reichte eine weitere Klage bei der Welthandelsorganisation WTO ein. "Die chinesischen Maßnahmen sind mit sofortiger Wirkung in Kraft", sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Laut der Nachrichtenagentur Xinhua belegte China US-Waren ebenfalls im Wert von 34 Milliarden Dollar mit zusätzlichen Zöllen in Höhe von 25 Prozent. Sie dürften vor allem landwirtschaftliche Produkte treffen.

Chinas Regierungschef Li rief Deutschland vor seinem Berlin-Besuch am Montag zur gemeinsamen Verteidigung des Multilateralismus auf. China und Deutschland müssten in einer von Turbulenzen geprägten Welt "zu Vorbildern einer für beide Seiten gewinnbringenden Zusammenarbeit werden", schrieb Li in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Die Volksrepublik trete für freien Handel ein und habe sich dabei "stets an die Prinzipien der Welthandelsorganisation gehalten".
 

Handelskriege

02:19

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US-Präsident Donald Trump, der sonst jede Kleinigkeit per Twitter in die Welt schickt, war der Beginn des Handelskrieges mit China bisher keine Erwähnung wert. Vielleicht hat er gerade zu viel mit dem Rücktritt des Chefs der Umweltbehörde, Scott Pruitt oder mit den Vorwahlen zu tun, die er unbedingt gewinnen will - vielleicht hat Trump sich auf diesen Wirtschafts-Krieg aber auch schon so eingestellt, dass er ihn gar nicht weiter für erwähnenswert hält. Schließlich folgt die Eskalation jetzt mit mehreren Monaten Anlauf.

Den Auftakt machte die US-Regierung schon Anfang März, als Trump die Sonderzölle auf Stahl und Aluminium verkündete - die chinesische Industrie ist davon besonders betroffen. Doch damit nicht genug: Die nun geltenden Zölle zielen nicht auf einzelne Branchen, sondern auf die gesamte chinesische Wirtschaft.

"Wir stehen vor dem größten Handelskonflikt seit dem Zweiten Weltkrieg"

Die Direktorin des International Trade Center (ITC), Arancha González, warnte im Interview mit DW vor den Folgen des Handelskonfliktes zwischen den USA, China und der Europäischen Union. "Dieser Konflikt zeigt bereits jetzt Auswirkungen. Arbeiter sind betroffen, die wegen der Entscheidungen schon jetzt ihren Job verloren haben, besonders in den USA", sagte die ITC-Direktorin.

Außerdem warnt sie davor, dass Unternehmen aus Unsicherheit große Investitionen zurückstellen würden. Mit Blick auf die US-Steuerzahler sagte sie weiter: "Wir sollten nicht vergessen: Zölle sind Steuern. Steuern, die die Verbraucher zahlen müssen. Schon jetzt müssen die amerikanischen Verbraucher mehr zahlen. Und das macht amerikanische Unternehmen weniger wettbewerbsfähig. Denn die Teile, die sie importieren und in ihrer Produktion verarbeiten, werden teurer." Wer diesen Konflikt gewinnt, sei ein großes Fragezeichen. Sicher zeigte sich die ITC-Direktorin aber in einer Hinsicht: "Wir stehen vor dem größten Handelskonflikt seit dem Zweiten Weltkrieg." 

"Die Geschichte lehrt: niemand gewinnt einen Handelskrieg", sagt González weiter. Sie verlangt, dass sich die beteiligten Staaten an einen Tisch setzen und verhandeln. In dem Interview zieht die ITC-Direktorin Parallelen zur Zollpolitik der USA 1930: "Wir wissen, dass das die große Depression ausgelöst hat. Wir wissen, dass das der Auftakt des Zweiten Weltkrieges war, und dass die Länder entschieden hatten, dass Kooperation der beste Weg ist, die Handelsbeziehungen zu managen."

Folge der "America first"-Politik

Mit den nun verhängten Zöllen will Trump die seiner Meinung nach ungerechte Handelsbilanz mit China ausgleichen. Die Chinesen verkaufen nämlich mehr in die USA als umgekehrt. Das heißt: Milliardensummen fließen aus den USA nach China. Werden die Produkte "Made in China" durch die Zölle jetzt für Amerikaner deutlich teurer, werden sie sich nicht mehr so gut verkaufen. Und US-Konsumenten greifen zu Produkten "Made in USA". Das ist zumindest die Hoffnung von Trump, und damit die erste Umsetzung seiner "America first"-Politik, die die Menschen unmittelbar zu spüren bekommen werden.

Nach diesem ersten Schusswechsel liegt die neue Munition im Handelskrieg allerdings auch schon bereit. US-Präsident Trump hatte schon im Vorfeld angekündigt, die Gegenmaßnahmen Chinas werde er sich nicht gefallen lassen, sondern seinerseits mit weiteren Sonderzöllen reagieren. Dafür würde er dann weitere chinesische Waren im Wert von bis zu 200 Milliarden Dollar mit Handelsschranken belegen.

US-Zölle auf Autos würden vor allem die deutsche Industrie treffenBild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Börse schon seit ein paar Tagen in Hab-Acht-Stellung

Die Zuspitzung des Handelskonflikts hat die Börsen in Asien zum Wochenschluss kräftig durcheinander gewirbelt. An der Börse hat der beginnende Handelskrieg schon in den letzten Tagen für Unruhe gesorgt. Das Barometer der Börse in Shanghai rutschte zunächst um bis zu 1,6 Prozent auf den tiefsten Stand seit zweieinhalb Jahren ab, berappelte sich aber wieder und notierte knapp ein Prozent fester. Der Index der wichtigsten Unternehmen in Shanghai und Shenzhen legte ein Prozent zu und machte Verluste aus dem frühen Handel wett. In Tokio schloss der Nikkei 1,1 Prozent fester bei 21.788 Zählern. Der Deutsche Aktienindex Dax hat sich am Freitag vom eskalierenden Konflikt wenig beeindrucken lassen und schloss leicht im Plus.

Deutschland hat Angst vor US-Zöllen auf Autos

Und dann sind da ja noch die Europäer, insbesondere die Deutschen. Auch sie sind inzwischen von den Sonderzöllen auf Aluminium und Stahl betroffen; am Anfang hatte Trump die EU noch davon ausgenommen.

In Berlin warnten der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sowie der Außenhandelsverband BGA vor den weltweiten Folgen des Handelsstreits. Bei vielen Produkten sei die internationale Arbeitsteilung so weit vorangeschritten, dass vermeintlich gezielte Maßnahmen zwangsläufig auch Unternehmen in der Lieferkette aus unbeteiligten Ländern träfen.

BMW überlegt derzeit, in China die Preise für jene BMW-Modelle anzuheben, die das Unternehmen in den USA produziert. Konkurrent Daimler gab schon im Juni eine Gewinnwarnung aus, weil der Autobauer in den USA gefertigte SUVs nach China exportiert - er erwartet einen geringeren Absatz und höhere Kosten.

Noch problematischer wären aber die US-Zölle von 20 Prozent auf Autos aus Europa, die Trump derzeit prüfen lässt. Das würde vor allem deutsche Autohersteller treffen. Ein weltweiter Handelskonflikt wäre spätestens damit voll entfacht.

bru/hb/pg/bea (dap, rtr, afp)

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