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PolitikChina

China: Exil-Uiguren kritisieren Feierlichkeiten in Xinjiang

Yuchen Li aus Taipeh
29. September 2025

Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat mit Uiguren den 70. Jahrestag der Gründung der Autonomen Region Xinjiang gefeiert. Exil-Uiguren sorgen sich aber um den Fortbestand der Traditionen und Kultur in der Heimat.

China Ürümqi 2025 | Xi Jinping verlässt Xinjiang nach 70-Jahr-Feierlichkeiten
Präsident Xi Jinping in Xinjiang Bild: Xie Huanchi/Xinhua/picture alliance

Aziz Isa Elkun konnte die TV-Bilder aus seiner Heimat mit dem chinesischen Staatspräsident Xi Jinping nicht ausstehen, die die Gründung der westchinesischen Autonomen Region Xinjiang vor 70 Jahren feiern.  Live-Übertragungen zeigten Xi, der mit einem roten Teppich empfangen wurde, während die Einheimischen in traditionellen Trachten sangen und tanzten.

"Ich konnte es nicht ertragen, das mit anzusehen. Nach einer oder zwei Sekunden habe ich dann abgeschaltet", sagt der 56-jährige uigurische Dichter, der vor fast drei Jahrzehnten nach Verfolgungen durch die chinesische Regierung ins britische Exil geflüchtet war.

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Die Feierlichkeiten in Xinjiang, sagt Elkun gegenüber der DW, stünden in krassem Gegensatz zu dem, "was Xi der uigurischen Gemeinschaft vor nur wenigen Jahren angetan hat".  Damit meint Elkun die verpflichtenden Umerziehungskurse für das uigurische Volk.

Umerziehung der Uiguren

Diejenigen, die der muslimischen Minderheit der Uiguren in Xinjiang angehören, werden zwangsweise in zahlreiche Lager eingewiesen. Die chinesischen Behörden nennen diese Berufsbildungszentren. Menschenrechtsorganisationen wie Human Right Watch werfen Peking "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" vor. 

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"Jetzt singen die Uiguren für ihn. Das ist doch lächerlich", sagt Elkun. Unter Xis Herrschaft in den letzten elf Jahren haben sich Massenverhaftungen und strenge Überwachung der ethnischen Gruppen in Xinjiang verschärft. Peking begründet seine Maßnahmen mit dem Kampf gegen den Terror.

Während seines dreitägigen Besuchs in Xinjiang in dieser Woche forderte Xi erneut, "alle möglichen Anstrengungen zur Aufrechterhaltung der sozialen Stabilität" zu unternehmen, und bezeichnete seine Politik für die ethnischen Gruppen in der "Autonomie" als "völlig richtig und wirksam". 

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Assimilation von Muslimen

Am 1. Oktober jährt sich zum 70. Mal die Gründung der autonomen Region Xinjiang durch die Kommunistische Partei Chinas. Die weitgestreckte Region wird überwiegend von den turksprachigen Uiguren islamischen Glaubens bewohnt. Allerdings nimmt der Anteil der Muslime stetig ab. Peking schickt immer mehr Han-Chinesen, die 90 Prozent der gesamten chinesischen Bevölkerung ausmachen, nach Xinjiang. Nach dem letzten Zensus leben dort 8,3 Millionen Uiguren. Sie bilden damit einen Anteil von circa 45 Prozent. Die Han-Chinesen machen etwa 40 Prozent der Bevölkerung aus.

"Sie haben uns gefoltert"

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Die Uiguren und andere ethnische Gruppen fühlen sich im politischen und gesellschaftlichen Leben stark benachteiligt. Der Gouverneur von Xinjiang ist als Verwaltungschef zwar ein Uigure, aber ein Han-Chinese aus Peking hat als KP-Parteisekretär das letzte Wort. Außerdem hat die Volksbefreiungsarmee in Xinjiang eine starke Präsenz. Die Soldaten sind fast ausschließlich Han-Chinesen.

Kampf gegen Terror als Vorwand?

Bei einem Selbstmordanschlag mit zwei Autobomben 2014 in Urumuqi, der Hauptstadt von Xinjiang, wurden 39 unschuldige Menschen getötet. Die Täter waren vier Uiguren, die beim Anschlag ebenfalls ums Leben kamen. Ein weiterer Drahtzieher, auch ein Uigure, wurde nach einem kurzen Prozess zum Tode verurteilt.

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Nach Berichten der staatlichen Medien seien die Täter lange Jahre durch fundamentalistisches Gedankengut beeinflusst und radikalisiert worden. Sie hätten Chemikalien gekauft und mit Anleitungen im Internet die Bomben selbst gebaut. Aktivisten der uigurischen Minderheit sehen, dass die Zentralregierung in Peking das Attentat zum Anlass nimmt, um die religiöse und kulturelle Unterdrückung der Uiguren zu verschärfen.

"Dieser Anschlag wurde als eine Art '9-11 Chinas' dargestellt", sagt Darren Byler, Professor an der kanadischen Simon Fraser University (SFU), und bezieht sich auf die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA mit fast 3000 Todesopfern. "Und das war der Anstoß für den Aufbau einer Rasterüberwachung."

Zwangsarbeit in Lagern

Das vorrangige Ziel der chinesischen Behörden bestehe darin, Xinjiang zu einer Region zu machen, die vollständig in den Rest des Landes integriert ist. "Um dies zu erreichen, wollen sie die Uiguren zur Arbeitskräften in der Produktion machen", sagt Byler.

Teenager in Xinjiang lernen die chinesische SpracheBild: CCTV/AP Photo/picture alliance

Nach einem Bericht der regierungsnahen US-Denkfabrik Atlantic Council aus dem Jahr 2024 seien bis 2022 mindestens eine halbe Million Uiguren in die Umerziehungslager festgehalten worden. Diese Zahl ist wie alle anderen Schätzungen aufgrund der Intransparenz der Regierungsarbeit in China schwer überprüfbar. Eine weitere Studie wirft Peking "angeordnete Zwangsarbeit" vor. Hunderttausende Uiguren in den Lagern seien gezwungen, für die Textil-, Fertigungs- und Landwirtschaftsindustrie zu arbeiten.

Exil-Uiguren kämpfen für ihre Identität

Menschenrechtsgruppen, darunter Amnesty International, fordern seit Langem die internationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen auf, den Druck auf Peking wegen der Unterdrückung der Uiguren zu erhöhen.

Allerdings konnte bislang keine unabhängige internationale Untersuchung vor Ort stattfinden, da die Region mittlerweile weitgehend nur noch für streng kontrollierte Touren zugänglich ist. "Der Zugang für westliche Wissenschaftler in Xinjiang ist praktisch unmöglich", sagt Timothy Grose, Professor für Chinastudien am Rose-Hulman Institute of Technology im US-Bundesstaat Indiana. "Viele dieser Touren können den Touristen nicht die sprachlichen, historischen oder kulturellen Kenntnisse vermitteln, um die Geschehnisse sinnvoll einzuordnen."

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Dennoch bleibt Grose hoffnungsvoll. Die Diaspora sei sehr aktiv darin, die uigurische Kultur im Ausland zu bewahren. "Sie haben sich aktiv für die Einrichtung von Kulturzentren, die Veröffentlichung von Büchern, den Sprachunterricht für Kinder und die Bewahrung religiöser Elemente ihrer Identität eingesetzt."

Elkun, der heute an der SOAS University of London forscht, hat Gedichte über seine Heimat veröffentlicht und spricht sich weiterhin öffentlich gegen die chinesische Regierung aus, obwohl die chinesische Polizei seine Mutter in Xinjiang ständig schikaniert. "Ich bin hoffnungsvoll. Ich glaube, wie ich bereits gesagt habe, dass die Gerechtigkeit siegen wird."

Mitarbeit: Yan Jun

Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan

Yuchen Li Ostasien-Korrespondentin mit Schwerpunkt China und Taiwan
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