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Politik

China hilft Italien in der Corona-Krise

Mu Cui
21. März 2020

Italien sah sich bis vor Kurzem in der Corona-Katastrophe allein gelassen. Um so dankbarer ist es für Hilfe aus China. Experten sehen daran nichts zu kritisieren, wohl aber an mangelnder Solidarität der EU.

Italien | Coronavirus: Domplatz in Mailand
Bild: picture-alliance/dpa/AP/L. Bruno

Ein Expertenteam mit Medizinern aus China und Italien hält sich derzeit im besonders schwer von der Virus-Epidemie betroffenen Norditalien auf. Sie machen sich vor Ort ein Bild von der Lage und geben konkrete Ratschläge. Marcello de Angelis, Pressesprecher des Croce Rossa Italiana (Italienisches Rotes Kreuz), sagte gegenüber der DW: "Die chinesische Experten haben sehr viel Erfahrungen gesammelt, die Italien nun dringend braucht. In der Epidemiebekämpfung hat China bislang beträchtliche Erfolge erzielt. Daher möchten wir mit den chinesischen Experten auf internationaler Ebene zusammenarbeiten."

Zwischen den Rote-Kreuz-Gesellschaften Italiens und Chinas bestehe seit Langem enge Zusammenarbeit, so Angelis weiter. Es sei selbstverständlich, dass bei einer solch großen Krise der Partner um Rat und Hilfe gebeten werde.

Außenminister Di Maio: "Es gibt Menschen, die Italien gern helfen"Bild: Reuters/G. Mangiapane

Hilfe aus China auch für andere EU-Länder

Das erste neuköpfige Team aus China war vergangene Woche Donnerstag in Rom gelandet. Mit an Bord: 31 Tonnen an dringend benötigter Ausrüstung, darunter Beatmungsgeräte, Schutzbekleidung und -masken und Medikamente. Die Güter wurden zum Teil von der chinesischen Regierung, zum Teil von Firmen gespendet. Eine zweite Maschine mit Personal und Ausrüstung landete am Mittwoch (18.03.2020) in Mailand. Italien sei nicht einsam, "es gibt noch Leute, die Italien gerne helfen", lobte Außenminister Luigi Di Maio.

Weitere Hilfelieferungen aus China mit medizinischer Ausrüstung sind bereits in Spanien gelandet. Andere werden auch in Frankreich erwartet. Auf dem Höhepunkt der Epidemie in China hatten mehrere EU-Länder 56 Tonnen dringend benötigter Ausrüstung an China geliefert.

Dass China Italien in der Notlage humanitäre Hilfe leiste, sei sehr gut, betont Thorsten Benner, Direktor der Berliner Denkfabrik "Global Public Policy Institute" (GPPi). "China hat das Schlimmste überwunden. Es sind dort nun viele freie Kapazitäten verfügbar für den Rest der Welt." Gleichzeitig stehe China auch in der Verantwortung. "Denn es ist zum großen Teil die Schuld der chinesischen Regierung, dass sich die Epidemie überhaupt so stark ausbreiten konnte", stellt Benner fest. Die Behörden in China haben erst Wochen später die Öffentlichkeit über das seinerzeit noch unbekannte Coronavirus informiert.

"Neue Seidenstraße der Gesundheit"?

Manche Beobachter befürchten, dass Peking jetzt die Chance nutzen könnte, um einen Keil in die EU zu treiben. Schließlich ist Italien das erste westeuropäische Land, das sich offiziell an Pekings "Neue Seidenstraße"-Initiative angeschlossen hat. Staats- und Parteichef Xi Jinping hat laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung in einem Telefongespräch mit Ministerpräsident Giuseppe Conte gesagt, beide Länder seien die "Grundpfeiler für eine neue Seidenstraße der Gesundheit."

Benner vom GPPi hält es für normal, dass China bei der Hilfeleistung auch seine geopolitischen Ziele verfolgt: "Andere Länder würden das Gleiche tun." Er sei vielmehr darüber besorgt, dass die Europäer in der aktuellen Krise Solidarität vermissen lassen.

Darüber hatte sich auch Italiens Außenminister Di Maio in der vergangenen Woche beklagt. Die europäischen Nachbarländer hätten keine vergleichbare Hilfe wie China angeboten. Rom habe "um Hilfe geschrien, was Beatmungsgeräte und Masken betrifft", aber vergeblich.

Thorsten Benner, Direktor des Global Public Policy Institute in BerlinBild: GPPI

Italien erbost über blockierte Lieferungen

Es gibt sogar Berichte in italienischen Zeitungen, dass die Lieferung von Medizingütern aus Deutschland verhindert wurde. So soll eine Lieferung von 830.000 OP-Masken, die eine italienische Firma aus China bestellt hatte, vergangene Woche in Deutschland blockiert worden sei, obwohl das am 4. März von Berlin verhängte Exportverbot von Medizingütern zur Bekämpfung der Epidemie nicht für Transitgüter gilt.

Nach Verhandlungen auf diplomatischer Ebene sei die Lieferung zwar freigegeben worden, habe aber nach Angabe der italienischen Firma nicht mehr gefunden werden können - in Deutschland. So berichtete die lombardische Regionalzeitung "Il Giorno". Und laut dem überregionalen "Corriere della Sera" sind in den vergangenen Wochen mehr als 19 Millionen Schutzmasken von Italiens Nachbarländern blockiert worden.

Der Berliner Politikwissenschaftler Thorsten Benner sieht Glaubwürdigkeit und Ansehen der EU und Deutschlands beschädigt: "Die EU hat es nicht geschafft, Italien, das derzeit am schwersten betroffen ist, effektiv zu helfen. Teilweise, weil wir selbst auch schlecht vorbereitet sind, aber der Eindruck, der bei den Italienern entstand, ist fatal. Viele in Deutschland reden von europäischer Schicksalsgemeinschaft. Aber wenn das Schicksal zuschlägt, scheint es so, dass wir unseren EU-Partnern nicht helfen."

Serbiens Präsident Aleksandar Vučić: EU-Solidarität ist "Märchen auf dem Papier"Bild: DW/A. Ruci

Mittlerweile wurde das deutsche Exportverbot für EU-Nachbarn wie Italien zwar gelockert, und auch Hilfsgüter sind unterwegs von Berlin nach Rom, aber "diese Entscheidung kam zu spät, der Eindruck in Italien ist nun extrem negativ", mein Benner.

"Europäer müssen aus der Krise lernen"

Benner erwähnt im Gespräch mit DW auch den Wutanfall des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, der diese Woche die europäische Solidarität als "Märchen auf dem Papier" verurteilt hat. Sein Land bekommt keine Medizingüter für die Epidemiebekämpfung von der EU und hat deswegen um chinesische Hilfe gebeten. China liefert und macht auch Propaganda. So schrieb die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua: "Wenn Handschläge in Europa nicht mehr gelten, kann Chinas helfende Hand einen Unterschied machen."

Benner erinnert an die Aufforderung des früheren Bundesaußenministers Sigmar Gabriel von 2017, dass China die "Ein-Europa-Politik" respektieren sollte. Gabriel warnte Peking damals davor, die europäische Solidarität zu untergraben. Benner ist der Meinung, das Problem sei nicht Spaltungsversuche durch China: "Länder wie Deutschland müssen endlich mehr für 'Ein Europa' investieren." Dennoch blickt er auch optimistisch in die Zukunft: "Noch haben wir die Chance, insbesondere beim wirtschaftlichen Wiederaufbau, Solidarität zu zeigen. Wir haben es in der Hand, dass wir aus dieser Krise lernen."

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