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Politik

China hilft Serbien mit Corona-Impfstoffen

Miodrag Soric in Belgrad
25. Januar 2021

An rund 200 Orten können sich Bürger Serbiens gegen das Coronavirus impfen lassen. Möglich ist das nur durch fremde Hilfe - doch die kommt nicht etwa aus Westeuropa. Die Folge ist eine Neuorientierung gen Osten.

Serbien Covid-19 | Impfzentrum in Belgrad
Bild: Miodrag Soric/DW

Eines der serbischen Impfzentren ist eine der Messehallen in Belgrad, nicht weit entfernt vom Ufer des Flusses Sava. Hunderte von älteren Menschen warten geduldig in der Schlange, bis sie an der Reihe sind. Das dauert manchmal mehrere Stunden. Anders als viele Passanten im Zentrum tragen sie Masken. Für den Impftermin haben sich die älteren Bürgerinnen und Bürger der serbischen Hauptstadt zuvor online registriert. In der Messehalle werden sie von Krankenschwestern zu etwa drei Dutzend Kabinen geführt, wo sie geimpft werden - vor allem mit dem chinesischen Impfstoff Sinopharma.

Peking hat eine Million Dosen eines so genannten "Totimpstoffs" geschickt, der auch gegen Diphtherie oder Kinderlähmung verwendet wird. Der Vorteil: Der Impfstoff ist kostengünstiger, nicht so leicht verderblich wie die mRNA-Impfstoffe von BioNTech und Pfizer oder von Moderna. Laut Angaben aus China, Bahrain oder Peru soll die Wirksamkeit  jedoch bei nur 75 bis 80 Prozent liegen.

Ärzte und Krankenschwestern in einer Belgrader Messehalle, die zum Imfzentrum umfunktioniert wurdeBild: Miodrag Soric/DW

Der Präsident als Retter der Nation

"Der beste Impfstoff ist derjenige, den wir zur Hand haben", sagt in der Messehalle Marija Obradović. Die Ministerin für öffentliche Verwaltung und lokale Selbstverwaltung schätzt, dass 35.000 Dosen täglich verabreicht würden. Bislang sind 172.000 Serbinnen und Serben geimpft worden (Stand Sonntag, 25.01.2021, am Abend). Die Ministerin begrüßt zunächst Ärzte und Krankenschwestern, dann lässt sie sich selbst impfen.

Den Impfstoff hatte Serbiens Präsident Aleksandar Vučić am Flughafen Belgrad persönlich in Empfang genommen, vor laufenden Fernsehkameras und mit Worten voller Dankbarkeit an die Adresse Pekings. In Serbiens stets regierungstreuer Presse kann er sich als Retter der Nation gebären, als jemand, der ständig mit Regierungen und Behörden rund um den Globus spricht, um für sein Volk Impfstoffe zu besorgen.

In der Corona-Krise präsentiert sich Serbiens Präsident Aleksandar Vučić als Retter der NationBild: Reuters/M. Djurica

Die im Vergleich zum Westen bescheidene medizinische Infrastruktur Serbiens bleibt in den Medien unerwähnt. Ebenso, dass viele Bürger den veröffentlichten Corona-Zahlen wenig Glauben schenken. Offiziell haben sich in dem Balkanland mit sieben Millionen Einwohnern 384.000 Menschen infiziert, 3886 Serben starben an oder mit Corona.

Impfdosen als PR-Coup

Präsident Vučić verspricht Fabriken zu errichten, um die Produktion von Impfstoffen - so wie zu jugoslawischen Zeiten - wieder im Land selbst vornehmen zu können. Entsprechende Technik soll, so Medienberichte, aus Moskau kommen. Serbien will den russischen Impfstoff selbst herstellen. Bis es soweit ist, will Russland Hunderttausende Dosen des Impfstoffs Sputnik V schicken.

Ältere Bürgerinnen und Bürger werden in einem Covid-19-Impfzentrum in Belgrad registriert, bevor sie geimpft werdenBild: Miodrag Soric/DW

China ist mit der Lieferung seines Impfstoffs ein großer PR-Erfolg gelungen, konstatiert der politische Analyst Jakša Šćekić. Während in den letzten Wochen westliche Staaten nur ein paar tausend Dosen des Impfstoffs von Pfizer und BioNTech liefern konnten, gehe Peking in die Vollen. "In der Not zeigen sich die wahren Freunde" - so würden viele Serben die Hilfe aus Peking interpretieren, meint der 67-jährige Šćekić im Gespräch mit der DW. Die Regierungen Chinas und auch Russlands würden mit Impfstoff-Lieferungen Politik machen. Westlich Regierungen müssten sich hingegen etwa innerhalb der EU absprechen und bei ihren Entscheidungen auch wirtschaftliche Überlegungen mit einfließen lassen.

Wettbewerb der Großmächte

Ähnlich sieht es Danijel Pantić. Der 50-jährige, westlich orientierte Analyst spricht gegenüber der DW von einem "Wettbewerb der Großmächte" bei der Corona-Bekämpfung. In den Augen vieler Serbinnen und Serben habe dabei China die Nase vorn. Ihr Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union dagegen wird immer geringer. "Für uns ist das eine existentielle Krise," erklärt Pantić. "Jetzt brauchen wir die Hilfe wie selten zuvor - und sie kommt nicht aus dem Westen, sondern aus China und Russland." Serbien sei als kleines Land auf die Hilfe anderer Staaten angewiesen. Auf dem westlichen Balkan haben bislang nur Serbien und Albanien damit begonnen, ihre Bevölkerung zu impfen. Bosnien, Kosovo, Montenegro und Nordmazedonien warten immer noch auf Lieferungen von größeren Mengen von Impfstoffen aus dem Ausland.

Blick in eine Impfkabine in einem Impfzentrum in BelgradBild: Miodrag Soric/DW

Partnersuche im Osten

China versucht, aus dieser Situation politisches Kapital zu schlagen. Es zeigt sich als handlungsfähiger Partner, der nicht wie die EU ständig mit erhobenem Zeigefinger auf Themen wie Demokratie oder Menschenrechte hinweist. Daniel Pantić erinnert an Pekings Engagement bei länderübergreifenden Infrastruktur-Projekten in Südosteuropa. Das selbstbewusste Auftreten Chinas bleibe nicht ohne Wirkung, meint er. Immer mehr junge Bürgerinnen und Bürger Serbiens würden Mandarin lernen. Der Glaube, dass ihr Land in absehbarer Zeit Mitglied der EU werden könne, nehme ab. Der Analyst erinnert daran, dass der EU-Kandidatenstaat Serbien keine Schwierigkeiten damit habe, statt EU-Mitglied Teil der von Russland initiieren Eurasischen Wirtschaftsunion zu werden.

Ähnlich wie Serbien würden sich auch andere Staaten Mittelost- und Südosteuropas in Richtung Osten neu orientieren. Sogar das EU-Mitglied Ungarn oder die Türkei hofften bei der Bekämpfung der Pandemie auf Unterstützung aus China und Russland, so Pantić.

Inzwischen ist in Serbien zum ersten Mal die Variante des neuen und möglicherweise auch gefährlicheren Corona-Virus aufgetaucht, die erstmals auf den Britischen Inseln beobachtet wurde. Eine Frau, die aus London nach Belgrad geflogen ist, hat sie mitgebracht. Dennoch plant die Regierung keinen neuen Lockdown. Restaurants, Cafes und Shopping Malls bleiben geöffnet.

 

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