1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikChina

China, Japan, Südkorea: "Freihandel wieder beleben"

Martin Fritz aus Tokio, mit dpa
Veröffentlicht 24. Mai 2024Zuletzt aktualisiert 27. Mai 2024

Die drei größten Volkswirtschaften in Asien wollen ihre wirtschaftlichen Beziehungen ausbauen und über ein Freihandelsabkommen verhandeln - trotz politischen Misstrauens.

Trilaterales Gipfeltreffen zwischen Südkorea, Japan und China in Seoul
Japans Premier Fumio Kishida, Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol und Chinas Premier Li Qiang (v.l.n.r.) am Montag (27.05.24) in SeoulBild: Chung Sung-Jun/Pool/REUTERS

Zum ersten Mal seit über vier Jahren treffen sich die Staats- und Regierungschefs von Südkorea, China und Japan wieder zu einem trilateralen Gipfel. Am Montag (27.05.) einigten sie sich auf eine stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die drei größten Volkswirtschaften Asien wollen die Verhandlungen über ein gemeinsames Freihandelsabkommen wieder beleben, hieß es nach dem Gipfeltreffen in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Ferner solle die koreanische Halbinsel atomwaffenfrei sein. Damit bekannte sich auch China, das als der engste Verbündete des kommunistischen Regimes in Pjöngjang gilt, gegen das Atomprogramm Nordkoreas. Alle drei Länder sprachen sich für eine politische Lösung aus. 

Nordkoreas Diktator Kim baut Atom- und Raketenprogramm seines Landes ausBild: KCNA/AP/picture alliance

Laut der Abschlusserklärung wollen die drei Länder ihre Kooperation zudem im Bereich der nachhaltigen Entwicklung, im Gesundheitswesen, in Wissenschaft und Technologie und beim Katastrophenmanagement fördern. Der Austausch zwischen den Menschen soll ausgebaut werden.

Zuvor hatte der Gastgeber, Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol, einzeln mit Chinas Premierminister Li Qiang und Japans Regierungschef Fumio Kishida gesprochen. Aufgrund der nicht gründlich aufgearbeiteten Schuld nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Beziehungen zwischen diesen Ländern höchst kompliziert und durch Misstrauen geprägt. Historisch bedingte territoriale Streitigkeiten konnten auch fast 80 Jahre nach Kriegsende nicht beendet werden. Militärisch stehen Tokio und Seoul ebenfalls unter dem Schutzschirm der USA, während China seine Aktivitäten im Pazifik mit hohem Tempo ausweitet. 

"Dieses Gipfeltreffen wird einen Wendepunkt bei der vollständigen Wiederherstellung und Normalisierung des trilateralen Kooperationssystems darstellen. Es setzt Impulse für eine zukunftsorientierte, praktische Zusammenarbeit, die den Menschen der drei Länder nützen wird", erklärte der südkoreanische Vize-Sicherheitsberater Kim Tae-hyo in Seoul. Nach seinen Angaben wird die Taiwan-Frage "keinerlei Auswirkungen" auf den Gipfel haben. China hatte Japan und Südkorea scharf dafür kritisiert, dass einige ihrer Parlamentsabgeordneten an der Amtseinführung des demokratisch gewählten Präsident William Lai Ching-te in Taipeh teilgenommen hatten.

Komplett veränderte Vorzeichen

Am letzten Treffen dieser Art, das im Dezember 2019 in der zentralchinesischen Stadt Chengdu stattfand, nahmen noch ganz andere Spitzenpolitiker teil: Aus Japan kam Shinzo Abe, der später einem Attentat zum Opfer fiel. Der damalige chinesische Premier Li Keqiang verstarb inzwischen ebenfalls. Und Südkoreas damaliger Präsident Moon Jae-in ist nicht mehr im Amt. Doch nicht nur die Teilnehmer, auch die Vorzeichen dieses Treffens sind völlig andere. Peking schürt durch sein Bündnis mit Russland und die Einschüchterung von Taiwan das japanische und südkoreanische Krisenbewusstsein für das Hegemoniestreben von China. Darauf begruben Japan und Südkorea ihren Streit über die Entschädigung von Zwangsarbeitern und begannen, mit den USA die regionale Sicherheitsarchitektur zur militärischen Eindämmung von China zu verstärken.

Militärischer Schulterschluss zwischen USA und Südkorea: gemeinsames Marinemanöver bei Busan im September 2022Bild: Mc3 Gray Gibson/US Navy/ZUMA Wire/IMAGO

"Die drei Länder verfolgen eine gemeinsame geopolitische Strategie. Sie konzentriert sich auf den Indopazifik als neuen geopolitischen Raum, in dem der Wettbewerb mit China ausgetragen wird", erklärt Sebastian Maslow, Associate Professsor für Internationale Japanstudien am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Tokio. Das Dreiertreffen in Seoul sei ein Signal, dass Peking über diese neue geopolitische Konstellation besorgt sei. "Der Gipfel muss als Versuch Pekings interpretiert werden, die sicherheitspolitische Dynamik zwischen Japan, Südkorea und den USA zu bremsen", meint der deutsche Politologe.

Gipfel als Lockmittel

Tatsächlich hat China sich laut einem Bericht der japanischen Zeitung "Nikkei" dem Wunsch von Südkorea als turnusgemäßem Gastgeber nach einem Termin für einen Dreiergipfel, der eigentlich jährlich stattfinden soll, längere Zeit widersetzt. Nach dieser Darstellung war Peking unzufrieden damit, dass Japan und Südkorea in der Sicherheitspolitik näher an die USA rückten. Mit dem Gipfel als Lockmittel wollte man einen Keil zwischen Tokio und Seoul auf der einen und Washington auf der anderen Seite treiben.

Treffen der Außenminister im November 2023: Yoko Kamikawa (Japan, links), Park Jin (Südkorea, Mitte) und Wang Yi (China, rechts)Bild: Ahn Young-joon/AFP

Erst im November vergangenen Jahres stimmte China einem trilateralen Außenministertreffen in Busan (Südkorea) zu. Den Termin für den Gipfel zögerte Peking jedoch über die Parlamentswahl in Südkorea im April, vor der man Präsident Yoon nicht durch das wichtige Treffen stärken wollte, und die Inauguration von Taiwans neuem Präsidenten hinaus.

Chinas Umdenken nach Camp David

Die Kehrtwende in Peking erfolgte zum einen, weil Yoon den chinesischen Druck konsequent ignorierte, während sein Vorgänger Moon China immer mit Samthandschuhen angefasst hatte. Zum anderen ließ das erste gemeinsame und daher historische Gipfeltreffen von Premier Kishida und Präsident Yoon mit US-Präsident Joe Biden in Camp David im August 2023 die Alarmglocken in Peking klingeln. 

Schulterschluss in Camp David: Joe Biden (M), Präsident der USA, mit Fumio Kishida (r), Premierminister von Japan, und Yoon Suk Yeol, Präsident von Südkorea, auf einer gemeinsamen PressekonferenzBild: Andrew Harnik/AP/dpa/picture alliance

Doch Japan und Südkorea haben ebenfalls gute Gründe, auf hoher Ebene mit China zu sprechen. China ist Südkoreas wichtigster und Japans zweitwichtigster Handelspartner. Diese wirtschaftliche Verflechtung müssen beide Länder mit ihren sicherheitspolitischen Interessen ausbalancieren.

Darüber hinaus sind Tokio und Seoul besorgt wegen der Aufrüstung von Nordkorea, das als neuer Russland-Partner an Selbstsicherheit gewonnen hat. Als wichtigster Handelspartner besitzt China großen Einfluss auf Nordkorea. "Ich gehe davon aus, dass Japan und Südkorea Chinas Rolle sowohl im Umgang mit Russland als auch mit dem Regime in Nordkorea thematisieren", meint der Japan-Experte Maslow, "und dabei auf eine konstruktivere Rolle Pekings bei der Lösung dieser sicherheitspolitischen Krisen drängen werden."