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Politik

China kommt auf den Westbalkan - ein Problem?

25. September 2018

Chinesische Investitionen in den Ländern des westlichen Balkans wachsen von Jahr zu Jahr. Kritiker sprechen von der Gefahr politischer Einflussnahme Pekings. Kaum einer sagt, worin die bestehen sollte.

Griechenland Containerhafen  Piräus
Eine erfolgreiche Investition: Hafen von Piräus Bild: picture-alliance/Photoshot

Wenn in den westlichen Medien von der Notwendigkeit einer europäischen Integration der Länder des westlichen Balkans die Rede ist, dann werden dafür in der Regel verschiedene Befürchtungen ins Feld geführt. Alle diese Länder, von Mazedonien über Bosnien-Herzegowina, sowie Montenegro, Kosovo oder Serbien, werden vor allem als eine Quelle von Problemen wahrgenommen. Gleichzeitig wird der Westbalkan als Bühne für geostrategische Auseinandersetzungen der sogenannten "großen Player" gesehen. 

Zu den traditionell Großen wie die EU oder Russland wird in den letzten Jahren noch ein weiterer wichtiger Akteur als aktiv und engagiert verortet: China. Das Land wird als aktive Macht in Südosteuropa identifiziert. China verfolge "geostrategische Interessen" in Südosteuropa, so die pauschale Befürchtung - vor allem in Brüssel. Dabei bleiben alle Gefahrenwarnungen seltsam diffus, kaum jemand versucht den konkreten politischen Vorteil zu definieren, den China von einem Engagement auf dem westlichen Balkan haben könnte.

China - ein Kapitalist auf dem Weltmarkt

Ganz anders die Diagnose, wenn man die wirtschaftlichen Interessen Chinas in dieser Region untersucht. 2013 stellte der chinesische Präsident Xi Jinping seine "One Belt, One Road"-Strategie vor, bekannt auch als die "Neue Seidenstraße". Sie sieht die Verwirklichung verschiedener Infrastrukturprojekte vor, mit dem Ziel, einen schnellen und billigen Transport von Waren und Dienstleistungen aus China auf die reichen Märkte Westeuropas zu ermöglichen. Als wichtige Transitroute gelten die Länder Südosteuropas, so dass man auch von einer "Balkan Silk Road" spricht.

Die erste große Investition auf diesem Weg wurde in Griechenland getätigt. 2009 hatte der große chinesische Schifffahrt- und Hafenbetreiber COSCO mehr als 650 Millionen Euro investiert, und etwas später noch einmal 280 Millionen Euro, um sich den Mehrheitsanteil am Hafen von Piräus zu sichern. Es war eine bislang sehr erfolgreiche wirtschaftliche Investition: während vor zehn Jahren der Hafen nur den Top 20 der umschlagstärksten in Europa zählte, gehört er heute in die Top 10 - und die Eröffnung eines neuen Terminals steht unmittelbar bevor.

Chinesisches Konjunkturprogramm

Inzwischen investieren chinesische Firmen in allen Ländern Südosteuropas. Insgesamt geht es um zweistellige Milliardensummen. Dabei muss zwischen Direktinvestitionen einerseits - wie etwa in Piräus - und der Vergabe verhältnismäßig günstiger Kredite der chinesischen Staatsbanken andererseits unterschieden werden. Die zweite Art des Engagements ist dabei wesentlich höher, sagt Jens Bastian, ein unabhängiger Wirtschaftsanalyst und einer der besten Kenner der chinesischen Aktivitäten in Südosteuropa. "Mit der Ausnahme von Griechenland und Serbien, geht es in allen anderen Ländern der Region vor allem um günstige Kredite für die jeweiligen Regierungen", sagt Bastian.

Brücke in Serbien: Chinesisches Geld, chinesische Baufirmen, chinesische Arbeiter - und auch chinesisches BaumaterialBild: picture-alliance/dpa/T. Brey

Dabei wird diese Kreditvergabe an Vorlagen geknüpft, so dass ein "geschlossener Kreditkreislauf" entsteht: Chinesische Banken geben das Geld unter der Bedingung, dass chinesische Firmen die Aufträge bekommen. Sie bringen chinesische Arbeiter und das Material aus China ins Land, um eine Brücke oder eine Autobahn zu bauen - in Montenegro, Bosnien-Herzegowina oder in Kroatien. "Das ist eine Art Konjunkturprogramm für die chinesische Wirtschaft, die Überkapazitäten hat", sagt Bastian.

Ziel: Westmärkte

Die chinesischen Wirtschaftsinteressen sind dabei klar: Die Belt-and-Road-Strategie zielt auf die wirtschaftsstarken westlichen Märkte, Südosteuropa ist dabei eine wichtige Transitroute. Damit fungieren die Balkanländer als eine Art "Einfallstor nach Europa". Deshalb wird vor allem in die Infrastruktur investiert: Straßen, Brücken, Eisenbahnlinien, Häfen.

Allerdings ist das Gesamtvolumen dieser Investitionen relativ gering. "Wenn man sich anschaut, wie viele Mittel die EU im Rahmen der verschiedenen Kreditprogramme für Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Serbien, Kroatien oder Ungarn zur Verfügung stellt, sieht man, dass das viel größere Summen sind, als China bereit und in der Lage ist zu investieren", so Bastian. 

Und groß ist auch der Unterschied in der Höhe der Investitionen Chinas, wenn man die Länder des Westbalkans mit denen in westeuropäischen Ländern vergleicht. Chinesische Firmen haben großes Interesse vor allem an hochentwickelter Technologie - und sind dafür bereit, tief in die Tasche zu greifen. Während die größte bisherige Investition auf dem Balkan, der Hafen von Piräus, mit weniger als einer Milliarde Euro zubuche schlug, kostete allein die Übernahme des deutschen Roboterherstellers Kuka im Jahr 2016 chinesische Investoren 4,5 Milliarden Euro.

Allein in Deutschland haben Chinesen im letzten Jahr 13,7 Milliarden Euro investiert - ein Rekord bisher. Gleichzeitig muss man aber auch die Investitionen in die andere Richtung dagegen stellen. Das Ergebnis ist eindeutig: Bisher betragen die Gesamtinvestitionen der deutschen Industrie in China rund 70 Milliarden Euro - doppelt so hoch wie umgekehrt.

Das chinesische Kapital und der vorsichtige Westen

Es handelt sich also um den klassischen kapitalistischen Investitionsfluss im Rahmen eines globalen Marktes. Alle investieren ihr Geld da, wo es sich für sie am meisten lohnt. Und alle haben das gleiche Ziel: sich so gut wie möglich auf dem globalen Markt zu positionieren und dadurch so viel Profit wie möglich zu erwirtschaften. Ob man dabei in China, in Deutschland oder in die Länder Südosteuropas investiert, spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle.

Allerdings ist es so, dass die wirtschaftlich starken Länder des Westens in der Regel bessere Möglichkeiten haben, die so genannten "sensiblen Bereiche" ihrer Wirtschaft zu schützen. So hat die deutsche Regierung vor zwei Jahren die Übernahme des Chip-Komponentenherstellers Aixtron durch chinesische Investoren verhindert. 

Nur Business - keine Moralpredigten

Die Regierungen der Westbalkanländer haben da einen wesentlich schwereren Stand, da sie oft viel mehr auf die Investitionen aus China angewiesen sind, sagt Jens Bastian: "China sucht sich in dieser Region die Wirtschaftspartner, die eine schwache Verhandlungsposition haben." Das ermöglicht Peking dann neue Transportwege zu schaffen für relativ geringe Beträge", so Bastian.

Networking: Gipfel der Regierungschefs zentral- und osteuropäischer Länder und China in Riga 2016Bild: picture alliance/dpa/V. Kalnina

Allerdings ist nicht klar, ob und welche politische Agenda mit diesen Investitionen verbunden sind. "China hat kein Interesse daran - anders als Russland - einen Regimewechsel in diesen Ländern zu fördern", sagt Bastian. Es sieht eher so aus, dass das geostrategische chinesische Interesse in Südosteuropa vor allem wirtschaftlicher Natur ist - als Transitstrecke zu den reichen westlichen Märkten. Dass China dabei niemandem Vorträge über Menschenrechte oder Medienfreiheit hält, wird von den Regierungen auf dem Westbalkan eher als willkommener Bonus zur Kenntnis genommen.

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