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PolitikChina

China: Neue diplomatische Macht in Nahost?

William Yang
28. April 2023

In den letzten Wochen hat sich China aktiv als Friedensstifter im Nahen Osten profiliert. Doch Experten sehen zwischen dem angestrebten und dem tatsächlichen Einfluss des Landes eine enorme Kluft.

Die Außenminister Irans und Saudi-Arabiens, Hossein Amir-Abdollahian (l.) und Bin Faisal (r.). In der Mitte ihr chinesischer Amtskollege Qin Gang, Peking, 6. April 2023
Die Außenminister Irans und Saudi-Arabiens, Hossein Amir-Abdollahian (l.) und Bin Faisal (r.). In der Mitte ihr chinesischer Amtskollege Qin Gang, Peking, 6. April 2023Bild: Iranian Foreign Ministry/AFP

Wird China im Nahen Osten zur neuen diplomatischen Großmacht? Vor einigen Wochen startete das Land eine diplomatische Charmeoffensive im Nahen Osten, um sich als Friedensstifter zwischen langjährigen Rivalen in der Region zu präsentieren. Tatsächlich kam es Mitte März zu einem Abkommen, das das Verhältnis zwischen Iran und Saudi-Arabien nach jahrzehntelange Feindschaft wieder in normale Bahnen lenkte. Nun will Peking Friedensgespräche zwischen Israel und Palästina in Gang bringen.

Der chinesische Außenminister Qin Gang rief nch Gesprächen mit hochrangigen israelischen und palästinensischen Vertretern beide Konfliktseiten zu "Ruhe und Zurückhaltung" auf. Der grundlegende Ausweg aus der gegenwärtigen Situation bestehe in der Wiederaufnahme von Friedensgesprächen und der Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung, erklärte er.

Der chinesische Chefdiplomat ermutigte den israelischen Außenminister Eli Cohen zur Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den Palästinensern und erklärte, China sei bereit, diese zu unterstützen. Auch in einem separaten Gespräch mit dem palästinensischen Außenminister Riyad Al-Maliki bekräftigte Qin diese Absicht - und zwar zu einem Zeitpunkt, da die Spannungen zwischen Israel und Palästina wieder zunehmen.

Mit chinesischer Hilfe womöglich bald wieder eröffnet: Die Botschaft Saudi-Arabiens in TeheranBild: Fatemeh Bahrami/AA/picture alliance

Diplomatie als Interessenswahrung

Was motiviert China zu seinen Offerten? Peking sehe sie als Möglichkeit, seine eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen in der Region zu schützen, nehmen einige Experten an. Die Staatsführung betrachte die langjährigen Streitigkeiten zwischen verschiedenen Ländern als destabilisierend und als potenzielle Bedrohung seiner langfristigen Interessen.

"Chinas wichtigste Interessen im Nahen Osten sind der Erwerb von Ressourcen und Märkten", sagt Dawn Murphy, Professorin für internationale Sicherheitsstudien am U.S. Air War College. "Das schließt neben wirtschaftlichen auch politische Interessen ein."

China wolle helfen, die Streitigkeiten ernsthaft beizulegen, denn das Land profitiere von Stabilität in der Region. "Außerdem kann es durch seine Vermittlerrolle zeigen, dass es eine Großmacht ist", so Murphy gegenüber der DW.

Schon vor dem Abkommen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien war China lange Zeit der wichtigste Handelspartner der Länder in Nahost. Es kaufte Öl von mehreren Staaten der Region und investierte zwischen 2005 und 2022 umgerechnet über 248 Milliarden Euro in die Region. Auch die Seidenstraßen-Initiative, Chinas 2013 gestartetes globales Vorzeige-Infrastrukturprojekt, hat dazu beigetragen, dass Peking seinen Einfluss in der Region ausgeweitet hat.

Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Allerdings sind nicht alle Beobachter von den chinesischen Diplomatie-Initiativen überzeugt. Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit sei enorm, sagen Experten. "Peking sah in dem Abkommen zwischen Iran und Saudi-Arabien eine Chance und bot darum eine Verhandlungsplattform an", sagt Tuvia Gering, Experte für die Beziehungen zwischen China und dem Nahen Osten am Diane und Guilford Glazer Center des Instituts für nationale Sicherheitsstudien in Israel (INSS).

Die Nähe Chinas zum Iran lässt sich auch an der Verleihung der Ehrenprofessur der Universität Peking an den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi vom Februar 2023 ablesenBild: Iranian Presidency Office/APA Images via ZUMA Press/picture alliance

Allerdings geht das im März geschlossene Abkommen weniger auf China zurück, als vielmehr auf das zweijährige Engagement von Ländern wie Oman, Irak und den Vereinigten Staaten, so Gering. "Und im Fall von Israel und Palästina sind beide Seiten nicht an der Aufnahme von Friedensgesprächen interessiert. Zudem sind beide Parteien skeptisch, was die Rolle Chinas als ausgewogener Vermittler angeht", sagt Gering.

Skepsis in Israel

"China selbst mag sich als ausgewogene Macht gegenüber allen Parteien sehen. Doch in Israel teilt man diese Ansicht nicht. Dort gilt China als voreingenommener und zynischer Akteur, der an einer Lösung des Konflikts kein ernsthaftes Interesse hat. Es geht China nur darum, diplomatisch und geopolitisch zu punkten", so Gering weiter.

Nachdem Qin Pekings Interesse an der Unterstützung von Friedensgesprächen zwischen Israel und Palästina signalisiert hatte, erklärte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu am 19. April gegenüber dem amerikanischen Wirtschaftsnachrichtensender CNBC, er wisse nichts von einem chinesischen Versuch in dem Konflikt zu vermitteln. "Wir respektieren China, wir haben viel mit China zu tun. Aber wir wissen auch, dass wir ein unverzichtbares Bündnis mit unserem großen Freund, den Vereinigten Staaten, haben", so damals Netanjahu.

Neben den grundsätzlichen Bedenken gegenüber Chinas Absichten sehe man in Israel auch Pekings kontinuierliche Unterstützung für den Iran mit Skepsis, sagen Experten. Israel sieht in Iran eine enorme Bedrohung seiner Sicherheit. "Man kann die Parallelen zwischen dem israelisch-palästinensischen Vorschlag Pekings und seinem 'Friedensplan' für den Ukraine-Krieg nicht völlig ignorieren", sagte Sari Arho Havren, Gastwissenschaftlerin an der Universität Helsinki. In beiden Fällen könne Peking nicht als neutrale Partei gelten, so Havren. Bezüglich des Ukraine-Kriegs stehe es auf der Seite Russlands und im Nahen Osten bisher an der Seite des Iran. "China und Israel hatten bislang hinsichtlich der Zukunft des Nahen Ostens kaum je eine gemeinsame Vorstellung."

Im Gespräch: der chinesische Staatschef Xi Jinping und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (Rückansicht)Bild: Saudi Press Agency/REUTERS

Herausforderung der US-Vorherrschaft in der Region?

Während China versucht, seinen Einfluss im Nahen Osten auszubauen - so etwa durch den Ausbau der Kontakte zu Saudi-Arabien -, verfolgt die internationale Gemeinschaft aufmerksam, wie das Land die lange Zeit von den USA dominierte Ordnung der Region herausfordert.

China lege Wert darauf, ausgewogene Beziehungen zu allen Ländern im Nahen Osten zu unterhalten, sagt Murphy. "Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Peking bei dem ständigen Versuch, sich als 'Friedensstifter' zu präsentieren, Partei ergreifen wird."

"China sieht sich selbst als Vermittler, der Parteien zusammenbringt, zu denen China gute Beziehungen unterhält", sagte sie. "Ich glaube aber nicht, dass China irgendwelche Sicherheitsgarantien geben will. Ohnehin gehen die Länder in der Region nicht davon aus, dass China die gleiche Rolle spielt wie die USA", so Murphy weiter.

Zwar ist es unwahrscheinlich, dass China die USA ersetzt und zum wichtigsten regionalen Sicherheitsakteur wird. Doch insgesamt, glaubt Gering, wolle sich Peking weniger auf das Sicherheitsengagement der USA im Nahen Osten verlassen, da dies dem zunehmenden Wettbewerb zwischen den beiden führenden Wirtschaftsnationen der Welt aus Sicht Pekings entgegenstehe. "China muss die Initiative ergreifen und die Länder der Region zu mehr strategischer Autonomie bewegen. Das könnte den Nahen Osten zu einer multipolaren Region machen", so Gering.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.