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PolitikChina

China: neues Image für Uiguren-Provinz Xinjiang

Yuchen Li
23. September 2023

Um seine Politik gegen die Uiguren zu legitimieren, arbeitet Peking an einem neuen Image der Region. Die Unterdrückung geht derweil weiter.

Wachturm einer Haftanstalt in der Region Xinjiang
Wachturm einer Haftanstalt in der Region XinjiangBild: Ng Han Guan/AP/picture alliance

Ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit": So bezeichnete im vergangenen Jahr ein Bericht des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) das Vorgehen der chinesischen Staatsführung gegen die Uiguren in der Provinz Xinjiang. Zentral beschäftigte sich das Papier mit der Praxis Pekings, Mitglieder dieser muslimischen Minderheit zu verhaften und in Umerziehungslager zu stecken. Auch müssen die Uiguren in den Lagern Zwangsarbeit leisten.

China wies die Anschuldigung damals zurück: Diese seien "von antichinesischen Kräften erfundene Desinformationen und Lügen". Ein Antrag, das Thema auf die formelle Tagesordnung bei den Vereinten Nationen zu bringen, scheiterte am Veto Chinas und seiner Verbündeten.

Nun warnen Analysten: Die chinesische Führung wolle ihrer Politik in der Region Xinjiang im Nordwesten des Landes ein neues Image verpassen, das die Menschenrechtsverbrechen vergessen lassen soll. 

Mutmaßliches Internierungslager für Uiguren nahe der Stadt Artux in XinjangBild: GREG BAKER/AFP/Getty Images

Peking verschärft Zugriff auf Xinjiang

Das Thema brennt der chinesischen Staatsführung offenbar auf den Nägeln: So reiste der chinesische Präsident Xi Jinping im August eigens nach Xinjiang. Aktivisten und Menschenrechtsorganisationen vermuten, die Regierung versuche, ihren Umgang mit den Uiguren in ein besseres Licht zu stellen und dadurch zu legitimieren.

Xi besuchte die Region auf der Rückreise vom BRICS-Gipfel in Südafrika, ohne zuvor einen Zwischenstopp in Peking einzulegen. "Das weist darauf hin, wie sehr ihn die uigurische Bevölkerung beschäftigt", sagt der im Londoner Exil lebende uigurische Dichter Aziz Isa Elkun, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der SOAS-Universität London, im DW-Interview. Erstmals besuchte Xi die Region im Juli 2022 - einen Monat vor Veröffentlichung des OHCHR-Berichts.

Wenn sich die Regierung nun auf Xinjiang fokussiere, so vor allem deshalb, weil die Region im Konflikt mit dem Westen über Themen wie Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte eine zentrale Rolle spiele, so Elkun.

Unter der Ägide des 2013 an die Macht gekommenen Xi verwandelte sich Xinjiang in eine stark militarisierte Zone, in der Hightech-Sicherheitsinstrumente und digitale Überwachung weit verbreitet sind. Über eine Million Uiguren werden Berichten zufolge in sogenannten "Umerziehungslagern" festgehalten.

Während China diese Lager als "Berufsbildungs- und Ausbildungszentren" zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bezeichnet, betrachten Kritiker die Lager als Bestandteil eines Plans hin zum versuchten Völkermord. Ziel sei es, die uigurische Identität auszulöschen.

"Uigurische Musliminnen und Muslime  werden in Internierungslager gebracht, nur weil sie einen Schleier tragen, einen langen Bart habe oder gegen die Politik der chinesischen Familienplanung verstoßen", sagt Ayjaz Wani, Forscher am Thinktank Observer Research Foundation (ORF), im DW-Interview.

Protestkundgebung in London gegen Unterdrückung der Uiguren, 2022 Bild: Thomas Krych/ZUMA Wire/IMAGO

Tourismus als Imagepflege

Angesichts der wachsenden weltweiten Aufmerksamkeit für Xinjiang versucht die Regierung in Peking ihren Umgang mit der Region als Erfolgsgeschichte darzustellen. So will sie etwa, dass mehr Touristen in die Region reisen. Anlässlich seines Besuchs in der Region erklärte Xi, Xinjiang solle sich dem in- und ausländischen Tourismus stärker öffnen.

"Pekings Strategie besteht darin, die Wahrnehmung durch geführte Touren in Xinjiang zu steuern", sagt Wani. Ziel sei es, den Eindruck von normalen Zuständen zu vermitteln.

Der Nachrichtenagentur AFP zufolge will das Tourismusbüro von Xinjiang in diesem Jahr über 700 Millionen Yuan (rund 89,3 Millionen Euro) für den Bau von Luxushotels und Campingplätzen in der Region ausgeben.

Das Uyghur Human Rights Project forderte kürzlich westliche Tourismusunternehmen auf, keine Reisepakete durch Xinjiang mehr anzubieten.

Dennoch rechnet Wani mit einer Zunahme geführter Touren, die sich vor allem an Besucher aus islamischen und europäischen Ländern richten. Es sei durchaus möglich, dass sich auch Diplomaten von diesen Touren beeindrucken ließen und Pekings angebliche Bemühungen im Kampf gegen den Terrorismus loben würden - auch wenn das Lob in der Sache womöglich nicht zutreffe.

Der Staat und die Religion: Hissen der chinesischen Flagge in einer Moschee in Xinjiang, 2021Bild: Kyodo News/IMAGO

Eingeschränkter Zugang in die Region

Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch (HRW) fordern derweil weitergehende Maßnahmen gegen Pekings Umgang mit den Uiguren. Für Aktivisten sei es allerdings schwierig, den Druck auf die chinesische Regierung aufrechtzuerhalten, da derzeit der Krieg in der Ukraine die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich ziehe, sagt die stellvertretende Direktorin der HRW-Asienabteilung Maya Wang im DW-Interview.

Zusätzlich vergrößert auch der eingeschränkte Zugang zu der Region die Schwierigkeiten der Menschenrechtsgruppen. "Die chinesische Regierung weiß, wie man Informationen kontrolliert", sagt Wang. Weder HRW noch die Vereinten Nationen hätten derzeit freien Zugang zu der Region. Angesichts des fehlenden kollektiven Drucks seitens anderer Regierungen gehe China derzeit davon aus, es könne trotz "schwerster internationaler Verbrechen ohne Konsequenzen davonkommen."

Zwar seien die Lager in den letzten Jahren verkleinert worden, so Wang. Doch keine der Unterdrückungsmaßnahmen sei zurückgenommen worden. "Die Repression prägt das Leben der Uiguren dort so stark wie nichts anderes sonst."

Diaspora unter Druck

Wenn sie sich öffentlich äußern, sehen sich auch Mitglieder der uigurischen Diaspora dem Risiko von Schikanen oder Drohungen seitens der chinesischen Regierung ausgesetzt.

In einem offensichtlichen Versuch, ihn zum Schweigen zu bringen, kappte Peking 2017 Elkuns Verbindung zu seinen Verwandten in Xinjiang. "Jedes Mal, wenn ich an sie denke, empfinde ich Verbitterung", sagt der im Exil lebende Akademiker. Nach wie vor wisse er nicht, wie es seinen Verwandten gehe.

Andere Uiguren allerdings hätten noch schlimmere Schicksale erlitten: "Wir werden den Opfern Gerechtigkeit widerfahren lassen", so Elkun. "Die Welt wird das nicht vergessen."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.